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Erfundene Frauen als angebliche Sprecherinnen: Entwicklerkonferenz wird abgesagt

Die Devternity hat offenbar auch mit der Ankündigung mehrerer Sprecherinnen hochkarätige Auftritte an Land gezogen. Die Frauen gibt es aber offenbar gar nicht.

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Kurzprofile von drei Sprechern und "Anna Boyko"

Eine der angekündigten Personen gibt es gar nicht.

(Bild: devternity.com)

Lesezeit: 3 Min.

Nachdem der Veranstalter der Entwicklerkonferenz DevTernity eingestanden hat, mit einem KI-generierten Profil einer weiblichen Sprecherin geworben zu haben, folgte ein Proteststurm und letztlich offenbar die Absage des Events. Das geht aus Beiträgen auf dem Kurzmitteilungsdienst X (vormals Twitter) sowie einem Bericht von The Register hervor.

Ihren Ausgang genommen hat die Angelegenheit mit einer Entdeckung des niederländischen Journalisten Gergely Orosz, der darauf aufmerksam gemacht hat, dass DevTernity und andere Events des Veranstalters mit Sprecherinnen geworben haben, die nicht wirklich existierten. Nach der sich anschließenden Kritik sagten mehrere echte Sprecher auf der DevTernity ihren Auftritt ab, woraufhin die Online-Veranstaltung wohl ganz geplatzt ist.

Orosz hat am Wochenende auf X/Twitter ausgeführt, dass auf der Ankündigung der für Anfang Dezember geplanten DevTernity drei Sprecherinnen aufgeführt werden, von denen eine erfunden ist. "Anna Boyko" arbeitet demnach angeblich bei Coinbase und an Ethereum mit, inzwischen wurde von dort bestätigt, dass es die Frau nicht gibt. Auf der DevTernity sollte sie unter anderem neben dem Spieleentwickler John Romero, Kelsey Hightower von Google und Sam Newman auftreten. Bei der Ankündigung für die Java-Konferenz JDKon desselben Veranstalters hat Orosz ebenfalls eine offenbar KI-generierte angebliche Sprecherin entdeckt. Tickets für die DevTernity haben mindestens 400 Euro gekostet.

Die "Tech-Influencerin" Julia Kirsina auf Instagram

(Bild: @Cding_Unicorn)

Nachdem Orosz auf seinen Fund aufmerksam gemacht hat, wurden die restlichen Sprecherinnen genauer unter die Lupe genommen und Liz Fong-Jones von Honeycomb.io hat darauf hingewiesen, dass die ebenfalls für die DevTernity angekündigte "Tech-Influencerin" Julia Kirsina womöglich ebenfalls erfunden wurde. Ihre Beiträge auf Instagram sind tatsächlich wenig "technisch". Ihr Profil auf GitHub erwecke den Anschein, als habe sie überhaupt keine Lernkurve hinter sich, sondern habe komplett fertig damit begonnen, Code zu schreiben. All das lege nahe, dass der DevTernity-Veranstalter Eduards Sizovs sie erfunden hat. Laut ihm hat Kirsina ihren Auftritt dort auch abgesagt, weil sie zu sehr an der Organisation beteiligt ist.

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Das Internet ist voll von heißen IT-News und abgestandenem Pr0n. Dazwischen finden sich auch immer wieder Perlen, die zu schade sind für /dev/null.

Sizovs hat die Vorwürfe auf X/Twitter zum Teil bestätigt, aber behauptet, dass das Profil von "Anna Boyko" versehentlich auf der öffentlich einsehbaren Seite gelandet sei. Es handle sich um eine "Demo-Person", die er längst habe entfernen wollen. Das sei aber zu aufwendig, weswegen er sich vorher um einen Ersatz habe kümmern wollen. Zu dem Vorwurf, dass "Julia Kirsina" ebenfalls erfunden ist, hat er sich bislang nicht geäußert, stattdessen spricht er von einem Rufmord. Dort wurde er aber darauf hingewiesen, dass weitere erfundene Profile von Frauen schon seit Jahren aufseiten seiner Konferenzen eingestellt waren.

Gegenüber The Register haben mehrere der angekündigten Sprecher bestätigt, dass sie ihre Teilnahme an der DevTernity abgesagt haben, andere wurden benachrichtigt, dass die ganze Konferenz ausfallen wird. Einige haben darauf verwiesen, dass eine inklusive Liste von Auftretenden für sie eine Grundvoraussetzung für solche Auftritte sind, weswegen sie nicht mehr teilnehmen können. Sizovs hat auf X/Twitter erklärt, dass man eine größere Diversität trotz der eigenen Anstrengungen nicht erreicht habe. Mehrfach wurden ihm aber Hinweise zu Listen mit möglichen Sprecherinnen zu IT-Themen weitergegeben. Bei der DevTernity hatte es geheißen, dass Auftretende nach dem "Hollywood-Prinzip" gesucht würden – "Kontaktieren Sie uns nicht, wir kontaktieren Sie".

(mho)