Europäisches Patentamt opponiert gegen Reform standardessenzieller Patente

Die EU-Kommission will Patentkriege rund um 5G und vernetzte Autos verhindern, doch das Europäische Patentamt warnt vor mehr Rechtsunsicherheit und Bürokratie.

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Europäisches Patentamt in München

(Bild: dpa, Frank Leonhardt)

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Der Präsident des Europäischen Patentamts (EPA), António Campinos, warnt vor der von der EU-Kommission geplanten Verordnung zum Vermeiden weiterer massiver Streitigkeiten über standardessenzielle Patente (SEP). "Die vorgeschlagenen Maßnahmen können einen unverhältnismäßigen Regelungsaufwand verursachen und den Zugang zum Recht erschweren und verzögern", schreibt der Portugiese in einem heise online vorliegenden Brief an den federführenden Rechtsausschuss des EU-Parlaments. Damit würde sich ihm zufolge die Rechtunsicherheit nicht nur für Patentinhaber erhöhen, sondern auch für Dritte, die die betreffenden Gesetzesnormen anwenden.

SEP spielen unter anderem für Mobilfunktechnologien mit 5G, WLAN und NFC, Audio- und Videokompression, Datenformate wie JPEG sowie die Interoperabilität von Audio- und Videoanwendungen eine wichtige Rolle. Die Kommission will mit ihrer Initiative Probleme beheben, die oft bei der Lizenzierung solcher elementarer gewerblicher Rechtsansprüche etwa rund um vernetzte Autos auftreten und zu regelrechten Patentkriegen geführt haben. So soll etwa ein SEP-Register eingerichtet werden. Darin eingetragene Schlüsselpatente sollen einer Prüfung unterzogen werden, ob sie wirklich entscheidend für einen Standard sind. Ferner will die Kommission feste Gebührensätze und einen Streitbeilegungsmechanismus einführen.

Die erklärten Ziele des Entwurfs wie die Reduzierung von Transaktionskosten im Zusammenhang mit der SEP-Lizenzierung und mehr Transparenz sind Campinos zufolge zwar "wichtig und lobenswert". Die Kommission habe aber nicht hinreichend begründet, wieso die von ihr vorgesehene breite Intervention nötig sei. Dies habe auch der mitberatende Industrieausschuss des Parlaments bereits treffend angemerkt. "Darüber hinaus halten wir es für entscheidend sicherzustellen, dass alle vorgeschlagenen Maßnahmen mit dem WTO-Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) im Einklang stehen", gibt der Chef der Münchner Behörde zu bedenken. Ferner sei es ständige Praxis im europäischen Recht, so weit wie möglich "auf bestehende, etablierte und gut funktionierende Institutionen und Strukturen in ihrem jeweiligen Fachgebiet und Kompetenzbereich zurückzugreifen", anstatt solche zu duplizieren.

Unter diesem Gesichtspunkt hält es Campinos etwa für fraglich, ein neues und spezifisches SEP-Register zu erstellen. Die EPA-Datenbank biete Nutzern schon gratis "die umfassendsten und aktuellsten Informationen zu europäischen Patenten". Ferner berücksichtige die Kommission offenbar nicht das Potenzial des neuen Einheitlichen Patentgerichts, alle SEP-relevanten Herausforderungen effizient anzugehen. Leider habe die Brüsseler Regierungsinstitution es nicht für nötig befunden, das EPA vorab zu konsultieren. Die Abgeordneten stünden nun vor der "anspruchsvollen Aufgabe", geeignete Lösungen zu finden, "um die unterschiedlichen Interessen auszugleichen", den technologischen Fortschritt zu fördern sowie die legitimen Interessen der Rechteinhaber und ihre Investitionen in neue Erfindungen zu schützen. Die Fair Standards Alliance, die unter anderem Auto- und App-Entwickler vertritt, moniert dagegen, dass die Kommission ihr Vorhaben schon selbst verwässert habe.

(akn)