Europas schnellstes kommerzielles KI-Rechenzentrum feierlich in Berlin eröffnet

Dr. Anna Christmann (BMWK) hat in Berlin symbolisch den Startknopf gedrückt: alpha ONE gilt als leistungsfähigstes kommerzielles KI-Rechenzentrum in Europa.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 34 Kommentare lesen

Eröffnung des Rechenzentrums alpha ONE unter dem Motto "Shaping Europe's Digital Future"

(Bild: Aleph Alpha)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Silke Hahn
Inhaltsverzeichnis

Am 16. September 2022 ist am GovTech Campus Berlin Europas derzeit wohl leistungsfähigstes kommerzielles KI-Rechenzentrum eröffnet worden. Die Feierlichkeiten fanden nur symbolisch in der Bundeshauptstadt statt, denn physisch steht alpha ONE, wie das Zentrum heißt, im Raum Bayreuth in Bayern. Hinter dem Hochleistungsrechenzentrum steht als privater Betreiber die oberfränkische Alpha Layers GTS, eine hundertprozentige Tochter des Heidelberger KI-Start-ups Aleph Alpha.

Dr. Anna Christmann vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) drückte den symbolischen Startknopf und würdigte in der Eröffnungsrede die rein privat finanzierte Initiative, die ohne öffentliche Gelder ausgekommen war, aber der öffentlichen Hand, Forschungseinrichtungen und Unternehmen nun eine Alternative zu Angeboten aus den USA und China biete. Im neuen Rechenzentrum wird ihr zufolge eine Stärkung des Industriestandorts greifbar durch eigene Infrastruktur, die auch der Klimaschutzforschung und dafür nötigen Technologie zugute komme.

Dr. Anna Christmann (BMWK) bei der Einweihung des Rechenzentrums: Gemeinsam mit Jonas Andrulis (CEO Aleph Alpha) ermutigte sie zum privaten Gründen und Investieren in Deutschland.

(Bild: Silke Hahn)

Die Koordinatorin der Deutschen Luft- und Raumfahrt und Beauftragte für die Digitale Wirtschaft warb im Rahmen der Feierlichkeiten für Deutschland als Standort für Investitionen und Gründungen. Weitere Vertreter der Bundesregierung, des Landes Baden-Württemberg und der Oberbürgermeister der Stadt Heidelberg waren bei der Eröffnung zugegen, zudem Vertreter aus Industrie und Forschung sowie von Behörden. Im Rahmen der Veranstaltung moderierte Gastgeber Lars Zimmermann vom GovTech Campus eine Podiumsdiskussion und gab bekannt, dass das Rechenzentrum künftig den Infrastrukturkern des neuen Programms "AI for Government" bilden werde. Use Cases sollen sich dann am Campus entwickeln und real testen lassen. Zimmermann hob die Bedeutung "demokratieaffiner KI-Technik" hervor.

Wirtschaftsingenieur Jonas Andrulis (Firmenmitgründer und CEO Aleph Alpha), dessen Team das Rechenzentrum gemeinsam mit den Partnern HPE und NVIDIA aufgebaut hat, betonte die europäische Ausrichtung des Projekts. Die Finanzierung stamme komplett von deutschen und europäischen Investoren. Zurzeit bilde sein Unternehmen als einziges in Europa die gesamte KI-Wertschöpfungskette ab – von der Forschung und Entwicklung über die Operationalisierung von KI-Software bis hin zur Nutzung des selbst aufgebauten Hochleistungsrechenzentrums. Dessen Kapazitäten sollen offenbar auch für Forschungsprojekte und gemeinnützige Anliegen nutzbar werden.

Vom Rechenzentrum zum Frontend: Aufbauend auf alpha ONE kann das Start-up sein Modell Luminous weitertrainieren und per API für Anwendungen zugänglich machen.

(Bild: Aleph Alpha)

Zugänglichkeit zu Informationen in europäischen Sprachen und auch für Menschen mit gebrochenen Sprachkenntnissen ist eines der Ziele, die sich mit eigenen KI-Modellen umsetzen lassen. Die Basistechnologie sei Grundlage für Softwareanwendungen: zur Auswertung und Aufbereitung großer Datenmengen, aber auch zur Nutzung virtueller Assistenten, die komplexe Fragen beantworten. Im Kleinen wie im Großen gehe es um Souveränität.

Dass Deutschland in ökonomischer Hinsicht nicht der idealste Standort zum Gründen ist, brachte Andrulis bei einem von Lars Zimmermann moderierten Diskussionspanel mit dem Heidelberger Oberbürgermeister Prof. Eckart Würzner (parteilos) zur Sprache. Dennoch sei es wichtig, lokal zu investieren. "Wir brauchen autonome Strukturen", so Würzner, denn alles andere würde den Standort schwächen. Beispielsweise würde er seine Stadtwerke nie aufgeben. In der aktuellen Energiekrise stehe seine Stadt vergleichsweise gut da. Bei Einkaufsentscheidungen und Ausschreibungen werde es künftig verstärkt um den Aspekt der Autonomie von Kommunen gehen, um ungünstige Abhängigkeiten zu vermeiden. Hierbei möchte er als "Frontrunner" für andere Städte wirken.

Heidelbergs Oberbürgermeister Prof. Eckart Würzner sieht Städte als Partner von Start-ups und Unternehmen, die voneinander profitieren können.

(Bild: Silke Hahn)

Würzner ist zugleich stellvertretender Präsident des Deutschen Städtetages. Beim Thema Digitalisierung kann er auf erfolgreiche Implementierung der in Heidelberg entwickelten KI-Modelle in der städtischen Verwaltung verweisen, die ihm und den Bediensteten sowie den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt den Austausch von Informationen erleichtern. Seine Rolle sieht er als "Enabler" neuer Technik, und zum Stand der Digitalisierung in deutschen Städten und Kommunen resümierte er: "Wir sind lernende Organismen, kein starrer Supertanker."

Heidelberg hat ihm zufolge eine Vorreiterrolle, da die Stadt gut aufgestellt ist mit Technologieunternehmen, starker Forschung und unter anderem auch das größte Unversitätskrankenhaus mit Forschungseinheiten in Deutschland beheimate. Insgesamt ist auffällig, dass Baden-Württemberg sich zu einer Art "Mekka der KI-Forschung" in Deutschland entwickelt hat (O-Ton Zimmermann), mit zahlreichen Initiativen wie dem Cyber Valley Tübingen, dem KI-Schwerpunkt in Heilbronn und weiteren Standorten.

Europäisches Rechenzentrum und digitale Souveränität
KI-Hochleistungsrechenzentrum alpha ONE

KI-Hochleistungs-Rechenzentrum alpha ONE

(Bild: Aleph Alpha)

Die aktuelle technische Entwicklung wird durch eine neuartige Generation Künstlicher Intelligenz (KI) vorangetrieben. Zurzeit konsolidiert sich das Wissen um KI-Technologie in den USA und in China – wie bereits zuvor bei zahlreichen Entwicklungen des 21. Jahrhunderts. Deutschland kann bei entsprechender Ausrichtung die sich abzeichnende KI-Revolution aktiv gestalten.

Von herausragender Bedeutung dürfte hierbei der Aufbau einer eigenen KI-Anwendungslandschaft in Staat, Wirtschaft und Verwaltung sowie Forschung sein. Gelingt es, ein solches Ökosystem für Forschung und Anwendung zu etablieren, dann könnten Deutschland und Europa führende Anbieter souveräner KI-Lösungen werden.

Das KI-Start-up Aleph Alpha aus Heidelberg will mit seinem Rechenzentrum einen substanziellen Beitrag zur Sicherung der digitalen Souveränität Europas zu leisten, ist dem Infofolder zur Eröffnung von alpha ONE zu entnehmen.

Das KI-Rechenzentrum verfügt über 512 GPUs vom Typ NVIDIA A100 – Hochleistungsgrafikkarten zu je 80 Gigabyte – und soll beim Zusammenschluss aller 64 verfügbaren Server eine Clusterleistung von bis zu 7,625 Petaflops liefern sowie über 15 Petabyte Speicherkapazität verfügen (das entspricht 15.000 Terabyte). Damit belegt alpha ONE Platz 72 der Top-500-Liste der schnellsten Supercomputer weltweit, wie bei der Eröffnung zu vernehmen war.

Rein rechnerisch kann das Cluster 7,625 Billiarden Rechenoperationen pro Sekunde ausführen – eine Billiarde sind 1.000 Billionen Gleitkommaoperationen pro Sekunde, in englischer Sprache ausgedrückt "Floating Point Operations per Second" (FLOPS). Das Rechenzentrum wird ausschließlich mit Ökostrom aus erneuerbaren Energien betrieben. Das Team um Geschäftsführer Andy Lippert hat nach eigenen Auskünften rund 7,5 Kilometer Glasfaserkabel verlegt, um das Rechenzentrum startklar zu machen.

Team Rechenzentrum: Jonas Andrulis mit Alpha-Layer-Geschäftsführer Andy Lippert (r.) und Team

(Bild: Silke Hahn)

Details zu dem im Rechenzentrum verbauten Hochleistungssystem für Machine Learning von HPE lassen sich einer Heise-Meldung aus April entnehmen. Weitere Informationen zur technischen Seite stehen auf der Website von Aleph Alpha. Mehr zur Start-up-Strategie ist auf den Seiten der Bundesregierung zu finden. Über die Eröffnung des GovTech Campus in Berlin hatte Heise im Frühjahr 2022 berichtet.

(sih)