Experten fordern Rechtsanspruch auf digitale Verwaltungsleistungen
Nach dem Scheitern des Onlinezugangsgesetzes hat die Bundesregierung einen Entwurf für ein Nachfolgegesetz vorgelegt. Experten lassen daran kaum ein gutes Haar.
Mit einer Neuauflage des Onlinezugangsgesetzes (OZG) will die Bundesregierung die Digitalisierung der Verwaltung vorantreiben. Ziel sei eine "einfache, moderne und digitale Verfahrensabwicklung", heißt es in dem Gesetzentwurf, den das Bundesinnenministerium Anfang Februar veröffentlichte. Doch aus Sicht zahlreicher Experten fällt der Entwurf viel zu mutlos aus und nimmt Behörden zu wenig in die Pflicht.
Großer Verbesserungsbedarf
So kritisiert zum Beispiel der Nationale Normenkontrollrat (NKR), dass der Gesetzentwurf keinerlei Umsetzungsfrist mehr vorsieht. Zwar habe die Verwaltung die 2022 abgelaufene Umsetzungsfrist des Vorgängergesetzes nicht erfüllt, diese sei aber "ein wichtiger Gradmesser und Motivator" gewesen. Nötig sei nun ein klarer gesetzlicher Auftrag, "was durch Bund, Länder und Kommunen bis wann zu realisieren ist", schreibt der NKR in einem Positionspapier.
Um den Umsetzungsdruck zu erhöhen, fordert der Rat außerdem einen Rechtsanspruch auf digitale Verwaltungsleistungen für Bürger und Unternehmen. Sogar ein Schadensersatzanspruch wie beim Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz sei "grundsätzlich denkbar", schreibt das unabhängige Gremium, das die Bundesregierung beim Bürokratieabbau berät.
Wie viele andere Experten fordert auch der NKR die Einführung von Standards und Schnittstellen für Verwaltungssoftware. Diese müssten deutschlandweit verbindlich vorgegeben werden. Zudem müsse der Bund "verpflichtend zu verwendende Basisinfrastrukturen" bereitstellen, etwa ein Verwaltungsportal, eine Cloud-Betriebsplattform und Bezahlfunktionen. "Auf diesem stabilen Plattformkern können sich Softwarelösungen aller Art sehr frei und agil entwickeln, ohne im Chaos zu enden."
Positiv sieht der NKR, dass es laut dem Gesetzentwurf künftig nur noch ein "Bürgerkonto" für Verwaltungsleistungen geben soll, statt wie bisher geplant 17 von Bund und Ländern parallel entwickelte Konten. Insgesamt ändere der Entwurf jedoch "nichts Maßgebliches" an den grundlegenden Mechanismen und Strukturen der Verwaltungsdigitalisierung.
Industrie unzufrieden
Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) vermisst Standards für die digitale Verwaltung. "Das ist so, als würde man die Entwicklung neuer Züge für ein gemeinsames Schienennetz in Auftrag geben, ohne sich damit zu befassen, dass die Beteiligten unterschiedliche Spurweiten, Bahnsteighöhen und Signaltechniken verwenden", schreibt er in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf.
Verwaltungsleistungen sollten nicht nur online beantragt, sondern auch innerhalb der Behörden digital abgewickelt werden, heißt es beim BDI weiter. Eine solche "Ende-zu-Ende-Digitalisierungspflicht" war in einer früheren Fassung des Gesetzentwurfs noch enthalten, im aktuellen Dokument fehlt sie jedoch.
(cwo)