FTC verklagt Amazon, weil es Prime-Abo aufdrängt

Dark Patterns sollen Kunden zu Prime-Abos verleiten, zeiht die FTC Amazon. Dazu kämen ein Kündigung-Irrgarten und Behinderung der behördlichen Untersuchung.​

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Ein dunkelgrauer Amazon-Lieferwagen mit Aufdruck "Prime" steht auf einem Grasstreifen, dahinter Wohngebäude

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Amazon.com dränge Kunden sein kostenpflichtiges Prime-Abonnement mit unlauteren Methoden auf. Diesen Vorwurf erhebt die US-Handelsbehörde FTC (Federal Trade Commission) in einer neuen Klage gegen den Online-Händler. "Amazon hat wissentlich Millionen Verbraucher dazu übertölpelt, unwissentlich ein Amazon Prime Abo abzuschließen", sagt die Behörde. Dazu setze Amazon "manipulatives, nötigendes und irreführendes User-Interface-Design, bekannt als 'Dark Patterns'" ein.

Gleichzeitig habe Amazon die Kündigung der Prime-Abos bewusst verkompliziert. "Der primäre Zweck des Stornosystems war nicht, Kunden Stornierungen zu ermöglichen, sondern sie davon abzuhalten." Das Management habe Vereinfachungen verzögert oder ganz abgelehnt, weil das den Konzerngewinn gesenkt hätte.

Die Dark Patterns, um Kunden ein Abo aufzudrängen, seien mehrfach illegal. Es handle sich um unlauteren Wettbewerb und außerdem dreifachen Verstoß gegen das Verbraucherschutzgesetz ROSCA (Restore Online Shoppers’ Confidence Act): Abo ohne wirksame Zustimmung, fehlen einer einfachen Kündigungsmethode und inadäquate Offenlegung: Der Klage beigefügte Screenshots zeigen, dass Amazon das Prime-Abo als gebührenfrei für 30 Tage anpreist. Dass danach aber Kosten anfallen, und wie hoch diese sind, ist nicht erkennbar, ohne weiteres Scrollen und den Aufruf anderer Webseiten. Damit würde aber der vom Kunden gewünschte Abschluss der Bestellung unterbrochen.

Die Kündigung des Prime-Abos fasst die FTC-Klage als "Vier Seiten, sechs Klicks, fünfzehn Optionen"-Irrlauf zusammen. Solche Methoden hätten nicht nur Kunden viel Geld gekostet, sondern auch legal agierenden Mitbewerbern geschadet. Intern nennt Amazon sein Kündigungsverfahren übrigens "Illiad": Eine epische altgriechische Sage über den Trojanischen Krieg, die sich über 24 Bände zieht.

Erst nachdem Amazon über die laufende FTC-Untersuchung unterrichtet worden war, habe es den Kündigungsprozess ein bisschen vereinfacht. Er sei aber immer noch nicht rechtskonform, meint die Behörde. Begonnen hat Amazon Prime als jährliche Versandpauschale 2007 in Deutschland beziehungsweise 2005 in den USA. Inzwischen umfasst das Abonnement eine Reihe weiterer Angebote.

Besondere Kritik übt die FTC am Verhalten Amazons während der FTC-Untersuchung. Den ersten Herausgabebefehl (CID, Civil Investigative Demand) hat die Behörde demnach am 16. März 2021 an Amazon übermittelt. In der Folge habe sich ein Katz-und-Maus-Spiel entwickelt, mit dem Amazon die Untersuchung habe behindern und hinauszögern wollen.

Eigene Erfahrung

Auch dem Autor dieser Zeilen hat Amazon es irgendwann geschafft, ein ungewolltes Prime-Abonnement unterzujubeln. Dabei passe ich da auf, wie ein Haftlmacher. Was ich da falsch geklickt habe, weiß ich bis heute nicht. Es reichte auch nur ein einzelner Klick – und das, bevor ich die wirklich gewünschte Bestellung überhaupt abgeschlossen hatte.

Als ich dieses ungewollte Abo sofort kündigen wollte, stellte sich heraus, dass es dazu während der gebührenfreien Einführungsphase offenbar keine Möglichkeit gab. Zumindest konnte ich ihn auf der Webseite des Online-Shops nicht finden. Ich musste das Storno über einen Chat mit einem Amazon-Mitarbeiter aushandeln.

Ein Jahr nach dem Herausgabebefehl veröffentlichte Business Insider interne Unterlagen Amazons. Da erkannte die FTC den Angaben der Klageschrift zufolge, dass Amazon die Anordnung unterlaufen und nicht alle erforderlichen Unterlagen übermittelt hatte. Also stellte die FTC am 30. Juni 2022 einen zweiten Herausgabebefehl aus.

Doch auch diesem habe Amazon nicht umfänglich Folge geleistet, selbst nachdem die FTC einen Antrag auf Aufhebung abgelehnt hatte. Amazon habe nur sehr wenige Dokumente vorgelegt, und auch das erst im Oktober 2022. Die übliche Frist sind 20 Tage. Selbst kleine Unternehmen würden regelmäßig viel größere Aktenbestände übermitteln.

Nicht nur habe Amazon Unterlagen unterdrückt, es habe auch bewusst falsche Angaben gemacht, um die Untersuchung zu behindern und hinauszuzögern. Amazon hingegen stellt alle Vorwürfe in Abrede und zeigt sich unglücklich, nicht länger mit der FTC verhandeln zu können.

"Die Behauptungen der FTC sind falsch hinsichtlich der Fakten und der Rechtslage", reagierte ein Konzernsprecher gegenüber heise online auf die Klage. "Unsere Besorgnis erregt auch, dass die FTC die Klage ohne Vorwarnung an uns erhoben hat, mitten in unseren Diskussionen mit FTC-Mitarbeitern, um sicherzustellen, dass sie die Fakten, den Kontext und die rechtlichen Probleme verstehen, und bevor wir einen Dialog mit den FTC-Kommissaren haben konnten." Anspruch auf Vorwarnungen oder persönliche Audienzen gibt es keinen, laut Amazon ist das aber üblich.

Der Amazon-Sprecher sagte außerdem, dass seine Kunden Prime lieben würden. Abschluss und Kündigung von Prime-Abonnements seien "klar und einfach", und "wir suchen immer nach Wegen, die Customer Experience zu verbessern". Jetzt freue sich Amazon auf das Gerichtsverfahren.

Die FTC bedauert die Schwärzungen in der veröffentlichten Klageschrift, und hat bei Gericht die Freigabe der verborgenen Informationen angeregt. Das Verfahren heißt Federal Trade Commission v. Amazon.com und ist am US-Bundesbezirksgericht für das westliche Washington unter dem Az. 2:23-cv-00932 anhängig.

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(ds)