Gentherapie: Geld-zurück-Garantie bei erfolgloser Behandlung

Über eine halbe Million Euro kostet eine Einmalbehandlung mit Strimvelis. Doch die Therapie gegen die oft tödliche Krankheit ADA-SCID ist mit einem besonderen Geschäftsmodell auf dem Markt.

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Einzigartiges Konzept für Gentherapie: Keine Wirkung – kein Geld
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Antonio Regalado
Inhaltsverzeichnis

Der Film "Bubble Boy" hat die seltene, oft tödliche Krankheit namens ADA-SCID bekannt gemacht. Das Immunsystem des Jungen war so schwach, dass ihn Raumanzüge von der Außenwelt abschirmen mussten. Mit Strimvelis gibt es eine Gentherapie gegen diesen Gendefekt. Sie kostet 594.000 Euro und ist eine der teuersten Einmalbehandlungen, die auf dem Markt sind. Doch das ist nicht die einzige Besonderheit: Bei der Behandlung gibt es eine Geld-zurück-Garantie bei Misserfolg, berichtet Technology Review in seiner aktuellen Dezember-Ausgabe (jetzt im Handel und im heise shop erhältlich). "Das Medikament hat sein Wort zu halten, sonst zahlen wir nicht“, sagt Luca Pani, Generaldirektor der italienischen Zulassungsbehörde und Arzneimittelagentur L’Agenzia italiana del farmaco.

Entwickelt hat Strimvelis das Mailänder San Raffaele Telethon Institut. Die Therapie nutzt einen Virus, um das fehlende Gen in das Knochenmark der kranken Kinder zu transportieren. 2010 erwarb der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline daran die Rechte und bietet die seit diesem Jahr in Europa zugelassene Therapie nun ausschließlich in Mailand an. In einer Studie konnten 15 von 18 Patienten vollständig geheilt werden. Die vollständige Heilung bei einmaliger Behandlung, das ist das Ziel der Gentherapien. Die bisher einzige andere Möglichkeit dazu ist bei ADA-SCID eine Knochenmarktransplantation, sie aber kostet leicht eine Million Dollar. Andere Patienten erhalten für 250.000 Dollar im Jahr Injektionen.

Die italienische Arzneimittelagentur ist bekannt für ihre eigenwilligen Kostenmodelle. Im Falle einiger Krebsmedikamente hat sie durch die Überprüfung der Wirksamkeit bereits mehr als 250 Millionen Euro an Erstattungen eingesammelt. Bei Strimvelis ist aufgrund der Studie zu erwarten, dass eine von sechs Behandlungen zurückerstattet werden muss.

Die große Frage ist aber nicht, ob Gentherapien zu teuer sind. Die Frage ist, ob Firmen daran etwas verdienen können, vor allem, wenn es sich um äußerst seltene Krankheiten handelt. In Europa werden zum Beispiel nur rund ein Dutzend Kinder jährlich mit ADA-SCID geboren. Würden alle Strimvelis erhalten, brächte dies GlaxoSmithKline rund acht Millionen Dollar ein: kein großes Geschäft für einen Konzern, der im Jahr Medikamente für mehr als 30 Milliarden Dollar verkauft.

GlaxoSmithKline jedenfalls geht nicht davon aus, viel Geld mit Strimvelis zu verdienen. Ihre Firma sehe ein, dass man einen Preis für Medikamente ansetzen müsse, der auch aufgebracht werden könne, sagt Anna Padula, Sprecherin der Sparte für seltene Krankheiten. Einstweilen betrachte der Konzern die Behandlung als Möglichkeit, Patienten zu helfen und Erfahrungen mit Gentherapien zu sammeln: "Wir hoffen, dass Strimvelis das erste von einer ganzen Zahl von innovativen Gentherapie-Medikamenten sein wird."

Das kann sich allerdings nur ein großer Konzern leisten. Die kleine holländische Firma uniQure hat schon 2012 die Zulassung für Glybera erhalten – die erste Gentherapie zur Behandlung der seltenen Erbkrankheit Lipoproteinlipasedefizienz, bei der die Betroffenen Fettmoleküle nicht abbauen können. Glybera ist erst im Vorjahr einmal eingesetzt worden. Eine Million Euro hat uniQure dafür verlangt. Trotzdem besteht die Gefahr, dass Glybera wegen fehlender Nachfrage in Europa und Zulassungsschwierigkeiten in den USA am Ende ganz vom Markt verschwindet.

Diesen und weitere Artikel finden Sie in der Dezember-Ausgabe von Technology Review (jetzt im gut sortierten Zeitschriftenhandel und im heise shop erhältlich). (jle)