Gesetzentwurf: Smart Meter sollen für Nutzer billiger werden

Smart Meter rechnen sich aus Verbrauchersicht kaum. Ein Gesetzentwurf von Wirtschaftsminister Robert Habeck soll die Kosten senken – zumindest vordergründig.

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(Bild: Netze BW / Markus Born)

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Anfang Dezember überraschte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die Öffentlichkeit mit einem verfrühten Weihnachtsgeschenk: Die Beamten von Minister Robert Habeck (Grüne) verschickten einen Entwurf für ein "Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende". Dem komplexen Regelwerk zufolge zahlen private Haushalte künftig deutlich weniger für Smart Meter (offiziell: "intelligente Messsysteme"), und zwar 20 oder 50 Euro im Jahr statt 23 bis 100 Euro wie bisher. "Black Friday beim BMWK – intelligente Messsysteme zum Schnäppchenpreis" kommentierte die Unternehmensberatung m2g-Consult bei LinkedIn.

Bislang rechnet sich ein Smart Meter – also die Kombination aus einem elektronischen Stromzähler und einem Smart-Meter-Gateway – nur für wenige Nutzer. Bei einem Stromverbrauch von 3000 kWh pro Jahr dürfen die Messstellenbetreiber laut Gesetz aktuell 40 Euro im Jahr verlangen, bei 6000 kWh gar 100 Euro. Im Gegenzug erhält man aktuelle Verbrauchsdaten, die vielleicht zum Energiesparen motivieren. Doch es ist ein sportliches Unterfangen, die Zählerkosten so wieder hereinzuholen. "Ein direkter finanzieller Nutzen, der die zusätzlichen jährlichen Kosten aufwiegt, ist für Sie als Verbraucher nicht zu erwarten", urteilen die Verbraucherzentralen. Meist rechnet sich ein Smart Meter nur im Zusammenspiel mit einem variablen Stromtarif und einem E-Auto oder wenn man hausgemachten Solarstrom an einen Direktvermarkter verkauft.

Hält Habeck an seinen Plänen fest, werden die vernetzten Zähler attraktiver. Dem Entwurf zufolge zahlen die meisten Haushalte künftig nur noch 20 Euro im Jahr. Exakt so viel muss man für einen nicht-vernetzten elektronischen Zähler, der bis 2032 Pflicht ist, sowieso berappen. Das Smart Meter gäbe es also ohne Aufpreis dazu. 50 Euro jährlich sollen es sein, wenn man eine "steuerbare Verbrauchseinrichtung" hat, also zum Beispiel eine Wärmepumpe im Keller oder eine Wallbox in der Garage (samt einem speziellen Stromtarif mit reduzierten Netzentgelten).

Wenn der Nutzer entlastet wird, muss freilich jemand anders die Zähler-Zeche zahlen. Laut dem BMWK-Entwurf sind das die Stromnetzbetreiber: Die Messstellenbetreiber sollen ihnen künftig jährlich 40 bis 80 Euro abknöpfen.

Die neue Kostenteilung ist aus Sicht von Habecks Beamten "zukunftsfest und gerechter". Es seien die Netzbetreiber, die in erster Linie von Smart Metern profitieren. Sie könnten mithilfe der Geräte die Auslastung ihrer Netze besser überwachen, den Ausbau gezielter planen und zur besseren Auslastung der vorhandenen Infrastruktur zum Beispiel Wallboxen oder PV-Anlagen steuern. Laut dem Entwurf sollen die Netzbetreiber künftig deshalb im Viertelstundentakt Smart-Meter-Daten erhalten, bei Bedarf sogar minütlich – was die alte Debatte um den Datenschutz bei Smart Metern wieder befeuern könnte.

Die Netzbetreiber werden ihre Smart-Meter-Kosten wohl auf die Netzentgelte draufschlagen. Diese sind Bestandteil des Preises, den jeder normale Stromkunde für jede Kilowattstunde zahlt. Die Smart-Meter-Kosten werden also vergesellschaftet – wer so ein System im Keller hat, zahlt weniger als vorher, die Allgemeinheit aber mehr.

Unter dem Strich könnte die Allgemeinheit aber profitieren, wenn Smart Meter weit verbreitet sind. Die meisten Experten glauben, dass die Systeme langfristig gegen steigende Netzentgelte wirken, weil die Netzbetreiber ihre Leitungen besser auslasten und zielgerichteter ausbauen.

Auch Verbraucherschützer sehen diese Chance: Mehr Flexibilität auf der Verbrauchsseite und eine verbesserte Datengrundlage könnten "zu erheblichen Kosteneinsparungen im Bereich der Stromnetze führen", sagte ein Sprecher des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV) gegenüber c’t.

Der VZBV begrüßt außerdem die Pläne zur Absenkung der Preisobergrenzen. Nötig seien darüber hinaus ein flächendeckendes Angebot von dynamischen Stromtarifen sowie zeitvariable Netzentgelte. "Dieses Zusammenspiel würde Smart Meter für Verbraucherinnen und Verbraucher finanziell attraktiver machen und somit die Akzeptanz des Rollouts erhöhen", sagte der Sprecher.

Spannend aus Verbrauchersicht ist auch § 34 Absatz 2 des Entwurfs. Diesem zufolge müssen Messstellenbetreiber künftig auf Verlangen zum Beispiel des Anschlussnutzers innerhalb von vier Monaten ein Smart Meter installieren – wobei sie einen Aufpreis verlangen dürfen. Bislang konnten die Betreiber solche Wünsche einfach ablehnen, eine Einbaupflicht gibt es erst ab 6000 kWh/Jahr.

"Wir freuen uns, dass die Bundesregierung die Bedeutung der Digitalisierung für eine erfolgreiche Energiewende erkannt hat – und ein Recht auf Smart Meter plant", sagte Marion Nöldgen, Deutschlandchefin des Stromanbieters Tibber, gegenüber c’t. In Kombination mit dynamischen Tarifen könnten Kunden dadurch endlich Strom dann verbrauchen, wenn er grün und günstig ist. "Die Bundesregierung treibt damit einen echten Smart-Meter-Rollout von Verbraucherseite voran", lobte Nöldgen. Die Kostensenkung auf 20 Euro wirke als zusätzlicher Anreiz.

Tibber ist bislang einer der wenigen Anbieter flexibler Stromtarife, bei denen sich die Preise stündlich je nach Angebot und Nachfrage ändern. Laut dem BMWK-Entwurf muss ab 2026 jeder Stromanbieter solch einen Tarif anbieten, große Unternehmen mit mehr als 50.000 Kunden müssen das schon ab 2025. Ziel ist, dass Verbraucher ihren Strombezug in "kostengünstigere Zeiten" verlegen, wie es im Entwurf heißt, und zum Beispiel ihr E-Auto nachts laden statt zur Tagesschau-Zeit. Damit die flexiblen Tarife zwischen Netzbetreiber und Stromanbieter korrekt abgerechnet werden, ist ein Smart Meter nötig.

Hinter all dem steht die Energiewende: 2030 soll nach den Plänen der Bundesregierung 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Außerdem sollen zur Dekarbonisierung von Verkehr und Wärme über 20 Millionen "steuerbare Verbrauchseinrichtungen" ans Netz gehen – Wärmepumpen, Wallboxen, Speicher. Diese Herausforderungen können die Netzbetreiber laut dem Habeck-Entwurf "nur mit einer umfassenden Digitalisierung des Netzbetriebs sowie einer datenbasierten vorausschauenden Netzausbauplanung bewältigen", also mit Smart Metern.

Das BMWK will deshalb auch durch den Abbau bürokratischer Hürden den Smart-Meter-Rollout beschleunigen. Der hinkt den ursprünglichen Projektionen meilenweit hinterher, bislang sind nach Angaben des Smart-Meter-Herstellers PPC erst etwa 300.000 der Systeme installiert.

Laut dem Entwurf sollen Hersteller und Betreiber zum Beispiel nicht mehr auf "Marktanalysen" und "Markterklärungen" des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik warten müssen. Außerdem soll es nicht mehr zwingend Smart Meter mit gleichem Funktionsumfang von drei unterschiedlichen Herstellern geben müssen. "So wird das Tempo zukünftig vom innovativsten Hersteller bestimmt", heißt es im Entwurf.

Auch die berüchtigte "sichere Lieferkette" soll vereinfacht werden, indem der "massengeschäftstaugliche Postversand" zugelassen wird. Smart-Meter-Gateways dürfen zudem Zähler mehrerer Kunden bündeln, sodass weniger der teuren Geräte eingebaut werden müssen.

Aus Sicht des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft bleibt der Habeck-Entwurf dennoch hinter den Erwartungen zurück. "Wir hätten uns gewünscht, dass die Zertifizierung der Geräte sehr viel einfacher wird und dadurch die Kosten noch stärker sinken", sagte ein Sprecher. Die vorgeschriebene Zertifizierung durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik sei "um ein Vielfaches teurer als das Gerät selbst", und das geplante Gesetz ändere daran nichts. "Dieser deutsche Sonderweg verhindert somit auch weiterhin, dass die Geräte wirklich günstig und schnell verfügbar werden."

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(cwo)