Erfolg für Google in Kartellverfahren: Wichtige Fakten bleiben geheim​

Geschwärzte Dokumente und Zeugenaussagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit – für Google ist das ein Teilerfolg im US-Kartellverfahren.​

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Die Eingabemaske der Google-Suchmaschine

(Bild: Google/Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.
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Googles Gewinnspanne bei Werbung ist außergewöhnlich hoch. Wie hoch genau, das ist in der öffentlichen Version einer Eingabe des US-Justizministeriums bei Gericht geschwärzt. Das Unternehmen zahlt Netzbetreibern jedes Jahr viel Geld, damit der Chrome-Browser auf den von den Netzbetreibern vertriebenen Smartphones vorinstalliert ist – und damit die Suchmaschine Googles. Wie viel? Das hat Verizon-Manager Brian Higgins im Zeugenstand nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit preisgegeben.

Oder vielleicht hat er es auch nicht preisgegeben, weil er gar nicht danach gefragt wurde. Erfahren wird die Öffentlichkeit das wohl nie. Nur die erste halbe Stunde seiner Befragung war öffentlich, danach musste Higgins zwei Stunden hinter verschlossenen Türen Rede und Antwort stehen. Auch bei Erörterungen über Googles Werbepreise war die Öffentlichkeit am Montag ausgeschlossen.

Google muss sich vor einem US-Bundesbezirksgericht gegen wettbewerbsrechtliche Vorwürfe verteidigen. Das US-Justizministerium und fast alle US-Bundesstaaten erheben den Vorwurf, Google habe seine Marktmacht missbraucht, um sein Geschäft mit Online-Werbung, speziell rund um Suchergebnisse, illegal zu fördern. Damit habe es den Wettbewerb geschädigt.


Nach jahrelangen Einsichtnahmen in Dokumente und diversen Gerichtsanträgen ist das Verfahren jetzt in die Gerichtssaalphase eingetreten und hat die zweite von vorgesehenen zehn Verhandlungswochen erreicht. Im Vorfeld des Verfahrens hat das Justizministerium Google vorgeworfen, interne Mitteilungen und damit Beweise gelöscht zu haben. Erkennbare Folgen hat das für den Datenkonzern bislang keine.

Vielmehr hat der Richter Googles Anträgen auf Geheimhaltung und Ausschluss der Öffentlichkeit mehrfach stattgegeben. Das ist durchaus üblich; Geschäftsgeheimnisse werden auch in Kartellverfahren regelmäßig geschützt. Selten ist das umstritten.

Anders in diesem Fall. Das Justizministerium argumentiert, es sei entscheidend, relevante Fakten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nur so könne sie sich ein korrektes Bild über Googles Verhalten machen, nur so könne das Volk verstehen, warum Googles Argument, sich allein durch bessere Leistungen ein Monopol erarbeitet zu haben, nicht stichhaltig sei.

Vergebens. Der Richter schloss sich Googles Vorbringen an, wonach es den Geschäften des Konzerns schaden könnte, würden bestimmte Daten bekannt. Aus Googles Sicht reicht es aus, wenn der Richter die Fakten kennt. Geschworene gibt es in diesem Verfahren nicht.

Ganz allgemein hat der Richter gegen größtmögliche Öffentlichkeit des Prozesses entschieden: Aufgrund der Coronavirus-Pandemie wurden Verhandlungen im Vorfeld nicht in einem Gerichtssaal sondern über öffentliche Telefonkonferenzen abgehalten. Das American Economic Liberties Project wollte dieses Prozedere auch für die Hauptverhandlung fortführen, um möglichst vielen Menschen Gelegenheit zu Information aus erster Hand zu geben. Diesen Wunsch beschied der Richter abschlägig, weil die Gefahr zu groß sei, dass Dritte Zeugenaussagen aufzeichnen könnten. Das ist verboten. Der Verhandlungssaal hat aber naturgemäß kaum Platz für interessierte Bürger.

Auch diese Entscheidung entspricht der Tradition; die berühmten Liveübertragungen aus US-Gerichtssälen sind Gerichten der US-Bundesstaaten vorbehalten. In Bundesgerichten gibt es sie grosso modo nicht; ein Pilotprojekt mit Audiostreams von Zivilverfahren vor ausgewählten US-Bundesgerichten ist nach drei Jahren Ende März ausgelaufen.

Der Supreme Court, wo es in den meisten Verfahren keine Zeugenaussagen gibt, hat ebenfalls mit der Coronavirus-Pandemie damit begonnen, den Ton seiner mündlichen Verhandlungen online zu streamen. Mehr als 60 US-Presseorganisationen haben den obersten US-Gerichtshof erst vorige Woche dazu aufgerufen, diese Praxis dauerhaft zu verankern. Während der Supreme Court nur 50 Bürger in seinen Verhandlungssaal einlässt, wurden die Audiostreams millionenfach abgerufen.

Für Google sind die Einschränkungen im laufenden Wettbewerbsverfahren nicht bloß ein symbolischer Erfolg, sondern wichtig für Public Relations: Es kann die pikanten Details seines Geschäftsgebarens geheim halten und zumindest öffentlich weiter argumentieren, dass es sich allein durch bessere Leistungen den Marktanteil von über 90 Prozent bei allgemeinen Online-Suchen redlich erarbeitet habe. Viele Amerikaner werden sich denken, dass die Wahrheit in der Mitte liege. Tatsächlich lässt sich das von außen kaum beurteilen.

Das Verfahren heißt USA et al v Google et al und ist am US-Bundesbezirksgericht für den Hauptstadtbezirk District of Columbia anhängig (Az. 1:20-cv-03010). Dass Google über 90 Prozent Marktanteil bei generellen Suchmaschinen hat, ist weder umstritten noch verpönt. Die Frage ist, wie sich der Datenkonzern dieses Monopol über viele Jahre erhalten hat

(ds)