Kommunikation in Meetings und Präsentationen: "Wer nur argumentiert, geht unter"

Selbst die besten Argumente ziehen bei einem Manager nicht, der auf Macht setzt. Das ist keine Frage der Hierarchie, sondern unterschiedlicher Sprachsysteme.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 79 Kommentare lesen

(Bild: baranq/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Peter Ilg

Während die einen Menschen in Gruppen zuerst die Rangordnung festlegen müssen, tauschen andere auf Anhieb ihre Argumente aus. Problematisch wird es dann, wenn die Vertreter solcher Verhaltensweisen aufeinandertreffen – das ist der Alltag. Deshalb gibt es nach Meetings oder Präsentationen meist Gewinner und Verlierer anstatt zielführender Gespräche.

"Der Grund dafür ist, dass Menschen auf unterschiedlichen Ebenen miteinander kommunizieren und sich deshalb nicht verstehen", sagt Dr. Peter Modler, 66. Er hat langjährige Führungspraxis als Manager, Sanierer und Unternehmer. Seit gut 20 Jahren ist er selbständiger Unternehmensberater und Bestseller-Autor. Sein neuestes Werk trägt den Titel 'Mit Ignoranten sprechen'.

heise jobs – der IT-Stellenmarkt

Zu Arbeitsplätzen und Stellenangeboten in der IT-Branche siehe auch den Stellenmarkt auf heise online:

Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie Menschen auf einer Sprachebene miteinander kommunizieren können, so dass jeder seine Ziele erreicht. Danach war klar, dass dabei das gesprochen Wort nur teilweise beiträgt.

heise online: Herr Modler, Ihr neues Buch 'Mit Ignoranten sprechen' trägt den Untertitel ‚Wer nur argumentiert, verliert‘. Und wer gewinnt?

Dr. Peter Modler: Die Leute, die nicht nur argumentieren können, sind die Gewinner in Gesprächen, weil sie mehr kommunikative Werkzeuge beherrschen als Argumente. Die Betonung im Untertitel liegt auf dem unscheinbaren Wörtchen 'nur'. Argumentative Kommunikation funktioniert, wenn beide Seiten sich mit Argumenten austauschen. Wenn aber nur einer argumentiert, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er damit untergeht. Die Erweiterung seiner Sprachmöglichkeiten schützt ihn davor.

heise online: Welche anderen Formen der Sprachführung sind das?

Dr. Peter Modler

Dr. Peter Modler: Grundsätzlich wird zwischen verbaler Sprache und Gebärdensprache unterschieden. Beide haben dieselbe Bedeutung und das wird oft unterschätzt. Mit Gebärden lassen sich Argumente leicht abwerten. Stellen Sie sich eine Videokonferenz vor, in der einer gut vorbereitet und brillant sein Thema vier Leuten präsentiert. Davon einer aus dem Vorstand, ein Geschäftsführer und zwei Kollegen. Während des Vortrags rollt der Geschäftsführer auf seinem Bürostuhl aus dem Bild heraus. Damit drückt er deutlich aus, dass er wenig von der Person hält, die Präsentation verzichtbar findet und ihm die Argumente sowieso egal sind. Und das ohne ein einziges Wort zu sagen. Das ist vernichtende nonverbale Kommunikation.

heise online: Sie unterscheiden in Ihrem Buch zwischen horizontalem und vertikalem Sprachsystem. Wie funktioniert und wirkt das eine, wie das andere?

Dr. Peter Modler: Vorher möchte ich klarstellen, dass Sprechen mehr ist als Reden. Mimik gehört zum Sprechen ebenfalls dazu wie Körperbewegungen, Sprachgeschwindigkeit und Sprachlautstärke. Das alles macht Sprechen ebenfalls aus. "Horizontales" und "vertikales" Kommunizieren hat die amerikanische Soziolinguistin Deborah Tannen erfunden. Sie wollte Anfang der 1990er Jahre herausfinden, wie Kinder beim Spielen kommunizieren und hat dabei bahnbrechende Entdeckungen gemacht: Die einen Gruppen mussten zunächst die Rangordnung klären, um gemeinsam spielen zu können. Wenn das gelang, kommunizierten sie vertikal: von oben nach unten und von unten nach oben. Die anderen Gruppen konnten sofort ins Spiel einsteigen, ohne Rang-Positionen zu definieren. Sie tauschten Informationen aus und achteten auf wechselseitige Gesichtswahrung. Das ist der unausgesprochene Deal einer horizontalen Kommunikation.

heise online: Wahrscheinlich ist es wenig zielführend fürs miteinander Sprechen, wenn Vertreter dieser beiden Systeme aufeinandertreffen …

Dr. Peter Modler: … dann potenzieren sich die Missverständnisse. Der Grund dafür: im vertikalen System wirken zunächst zwei Achsen. Die eine ist der Rang, die andere das Revier. Diese Determinanten müssen in diesem Kommunikationssystem geklärt sein, bevor es inhaltlich werden kann. Im horizontalen System gibt es ebenfalls zwei Achsen. Der einen geht es um Zugehörigkeitsbotschaften, der anderen um inhaltliche Herausforderungen. Wenn nun Vertreter beider Gruppen in einem Meeting sitzen und die eine Fraktion damit beginnt, Rangordnungen zu klären, während die andere vom Start an im Inhaltsmodus ist, sprechen die aneinander vorbei. Effektiv geht anders.

heise online: Sind technisch ausgebildete Menschen eher die Vertreter der horizontalen und damit inhaltlichen und Manager die vertikalen und damit hierarchisch orientierten Menschen?

Dr. Peter Modler: Eindeutig ist das nicht, aber es gibt Tendenzen, die diese Vermutung belegen und die ist zudem branchenabhängig. Je mehr es in Richtung soziale Tätigkeit geht, umso horizontaler wird kommuniziert. Je weiter man Richtung Maschinenbau vordringt, umso vertikaler sprechen die Menschen miteinander. Unter den Technikern gibt es wie in allen anderen Berufen auch Vertreter beider Richtungen.

heise online: Werden Menschen aufgrund ihrer Professionalisierung zum vertikalen oder horizontalen Kommunikator oder ist dieses Verhalten mit den Genen in die Wiege gelegt?

Dr. Peter Modler: Ich vermute, dass der angelernte Anteil sehr hoch ist. Unstrittig ist aber, dass beide Systeme Stärken und Schwächen haben. Wenn deren Vertreter dies erkennen, können aus solchen unterschiedlichen Gruppen Dreamteams werden. Ein Scheitern ist wahrscheinlich, wenn alle in ihrer Position verharren.

heise online: Wie kann sich beispielsweise ein Ingenieur oder Informatiker in dem von Betriebswirten dominierten Management Gehör verschaffen?

Peter Modler, Mit Ignoranten sprechen. Wer nur argumentiert, verliert – ISBN 978-3-593-51080-4

Dr. Peter Modler: Technisch affine Menschen sollten zunächst herausfinden, ob die Führungskraft horizontal oder vertikal kommuniziert. Wenn sie erkennbar horizontal auftritt, können sie sofort ihre Argumente auspacken und Zugehörigkeitsbotschaften aussenden. Wenn sie aber schon etwa an der Körperhaltung eines Managers oder an dessen Statussymbolen erkennen, oder wenn diese Person schon bei der Vorstellung den eigenen Rang ausspricht, dann geht es zunächst um etwas anderes als Argumente. In diesem Fall ist ein Wechsel in sein System angebracht, sonst hört der Manager nicht zu. Umgekehrt gilt dasselbe. Fach- und Führungskraft sollten in der Lage sein, das Sprachsystem zu wechseln.

heise online: Die meisten Menschen sprechen intuitiv, nur wenige strategisch. Das scheint aber die bessere Variante zu sein.

Dr. Peter Modler: In jedem Fall. Deshalb rate ich zum Kommunikationstraining. Damit schafft man es leichter, seine eigenen Ideen in Gremien besser durchzubringen. Denn entscheidend ist, wie man kommuniziert.

(bme)