Konferenz CHI: Virtuelle Realität – realistische digitale Welten

Interaktion und Feedback – virtuelle Realitäten sollen in Zukunft realer und immersiver sein. Entsprechende Forschungsarbeiten wurden auf der CHI vorgestellt.

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(Bild: khoamartin/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Karola Marky
Inhaltsverzeichnis

In den letzten Jahren haben digital (erweiterte) Realitäten mehr und mehr Einzug in den Alltag vieler Menschen gefunden. Dies bezieht sich vorwiegend auf Virtual-Reality-(VR-)Spielekonsolen wie HTC Vive oder Oculus Quest. Allerdings gibt es noch deutlich wahrnehmbare Unterschiede zwischen der virtuellen und echten Realität, sodass beide noch recht einfach unterscheidbar sind. Oft kann die virtuelle Umgebung lediglich visuell erkundet werden, haptisches Feedback beschränkt sich oft auf vibrierende Controller. Diese Einschränkungen können in Übelkeit bei Nutzern resultieren, weil die Wahrnehmung der verschiedenen Sinne nicht zueinander passt und der Körper denkt, er sei vergiftet. Sitzt man aktuell beispielsweise in einem virtuellen Zug und nimmt optisch eine Bewegung wahr, entsteht eine solche Abweichung, weil der Körper in Ruhe ist.

Um virtuelle Realitäten in der Zukunft realer und immersiver zu gestalten, gab es bereits einige Forschungsarbeiten, die zuletzt auf der internationalen CHI-Konferenz vorgestellt wurden. Hierbei ging es vor allem um neuartige Interaktionsmöglichkeiten und die Vermittlung von Feedback. Für den letzteren Aspekt können ebenfalls die im vorherigen Artikel beschriebenen Tangibles herangezogen werden. Deutsche Forscher verschiedener Universitäten untersuchten gemeinsam die Nutzung von Tangibles im Kontext von medizinischem Training. Hierfür wurden Tangibles in der Form von menschlichen Organen genutzt, um möglichst realistisches Feedback zu ermöglichen. Dies kann beispielsweise beim Training bestimmter Operationsprozeduren genutzt werden. Allerdings gibt es auch universellere Methoden zur Ermöglichung von Feedback in der virtuellen Realität, weil die Bereitstellung von konkreten Objekten schlecht skaliert. Tangibles sind kleine physische Objekte, mit deren Hilfe Nutzer digitale Daten manipulieren können

Eine bereits weit verbreitete Technik zum Bereitstellen von Feedback ist die Nutzung von VR-Controllern, die zur Navigation eingesetzt werden. Forscher aus Taiwan und Japan stellten eine Controllererweiterung vor, die durch komprimierte Luft Widerstände und Rückstöße simulieren kann. So können beispielsweise Trainingsszenarien mit Geräten realistischer gestaltet werden.

Ebenfalls aus Taiwan kommt ein weiterer Controller, der taktiles Feedback bezüglich der Rauheit von Oberflächen ermöglicht. Hierfür wurde ein Borstenpinsel so im Controller verbaut, dass Winkel, Dichte und Höhe der Borsten manipuliert werden können, um verschiedene Oberflächen zu simulieren.

Feedback ist jedoch ebenfalls ohne Controller möglich. Japanische Forscher entwickelten ein System, das ein leichtes elektrostatisches Feld erzeugt, um die implizite Anwesenheit einer anderen Person zu simulieren. Auch tragbare Geräte wie Armbänder können für Feedback genutzt werden. Forscher aus Asien haben hierfür eine Armkonstruktion entwickelt, die ein Armband über drei verschiedene Motoren bewegen kann. Durch die Konstruktion erhalten Nutzer Hinweise darüber, in welche Richtungen sie ihre Arme bewegen sollen, was beispielsweise im Trainingskontext genutzt werden kann.

Neuartige Controller können ebenfalls dafür genutzt werden, um Interaktionen zu erkennen und auf die virtuelle Realität zu übertragen. Controller können hierfür bereits verschiedene einfache Handpositionen und Fingergesten erkennen. Koreanische Forscher haben nun einen 3D-gedruckten Controller vorgestellt, der präzise feststellen kann, ob Nutzer die Finger einer Hand berühren, wie es beispielsweise bei einer Okay-Geste der Fall wäre. Dadurch könnten die Avatare visuell angepasst werden oder die Gesten können genutzt werden, um die Welt zu steuern oder zu manipulieren. Das System CASSIE unterstützt das Anfertigen von 3D-Gittermodellen in VR durch automatische Strichoptimierung. Der Nutzer kann zunächst ein einfaches Modell mit der freien Hand zeichnen und anschließend mit Hilfe von CASSIE eine glatte zusammenhängende 3D-Struktur erstellen.

Eine weitere Herausforderung in virtuellen Realitäten ist Blickkontakt mit Anderen. Forscher aus Australien untersuchten hierbei die Blickvisualisierung durch einen Strahl, der die Augen eines Avatars mit angeschauten Gegenständen verbindet. Im Kontext der Remote Collaboration, in der zwei Nutzer in der gleichen Umgebung eine Aufgabe lösen, zeigte sich dies als wirkungsvoll – allerdings ist der direkte Blickkontakt so lediglich schwierig zu visualisieren.

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Zu guter Letzt wurden virtuelle Realitäten – vor allem im Kontext der aktuellen Pandemie – ebenfalls zu Evaluationszwecken verwendet. Hierfür wurden Szenarien der echten Welt in virtuelle Realitäten übertragen. Dies bietet den Vorteil einer komplett kontrollierbaren Versuchsumgebung, in der identische Bedingungen für alle Versuchspersonen angeboten werden können. Allerdings eignet sich die virtuelle Realität aufgrund ihrer aktuell noch vorhandenen Limitationen noch nicht für beliebige Evaluationsszenarien.

Virtuelle Realitäten im Kontext der aktuellen Pandemie – Vorteil: eine komplett kontrollierbaren Versuchsumgebung

(Bild: Florian Mathis)

Auch wenn digitale Welten Schritt-für-Schritt realer werden, bleibt noch ein sehr weiter Weg bis Szenarien wie in den Filmen Ready Player One (2018) oder gar Matrix (1999) möglich sein werden, da weder die Erfassung von Nutzern noch Feedback abseits des visuellen und auditiven Kanals ausgereift genug ist. Für bestimmte konkrete Einsatzgebiete wie das Training von Fachkräften oder auch Computerspiele ist VR bereits geeignet und kann hier auch Kosten senken und Szenarien ermöglichen, die in der realen Welt nur schwer bereitgestellt werden können.

In diesem Artikel bieten wir lediglich einen kleinen Auszug der neuesten Entwicklungen der CHI-Konferenz, die über 1000 Beiträge beinhaltet. Aufgrund der aktuellen Pandemie sind Videos aller Beiträge kostenlos auf dem Youtube-Kanal der Konferenz verfügbar.

(bme)