MIDI-Entwickler und Sound-Pionier: Dave Smith ist tot

Dave Smith, Gründer der amerikanischen Firma Sequential Circuits und Mitentwickler des MIDI-Standards, ist am 31. Mai 2022 im Alter von 72 Jahren gestorben.

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(Bild: Peter Brown CC BY 2.0 Dave Smith at Sequential Booth)

Lesezeit: 5 Min.
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Er war einer der Großen der elektronisch erzeugten und gespielten Musik. Seine Ideen und Projekte haben die Welt der Klangerzeugung im Studio und auf der Bühne revolutioniert. Mit MIDI veränderte Dave Smith die Art, mit elektronischen Instrumenten Musik zu machen.

Was heute selbstverständlich funktioniert, war Anfang der 1970er-Jahre schiere Utopie: selbst definierbare Klangprogramme an Synthesizern und Keyboards, die Fähigkeit, mehrere Töne auf einmal zu produzieren (also nicht nur eine einstimmige Melodie, sondern Akkorde), und die problemlose Kopplung von Tasteninstrumenten verschiedener Hersteller – völlig undenkbar. Damals stand der Name "Synthesizer" für schwer bedienbare, mit zahllosen Knöpfen ausgestattete Klangbaukästen, denen man nur mit viel Mühe einen Klang entlocken konnte, der den Vorstellungen des Musikers ähnelte. Diesen Klang dann einige Tage später genau so wieder zu erzeugen, misslang mit schöner Regelmäßigkeit.

Solche die Kreativität massiv einschränkenden Faktoren haben Dave Smith gefuchst. Nach seinem Informatik- und Elektrotechnik-Studium trieb er die Entwicklung von bedienbaren Synthesizern stark voran. 1974 gründete er die Firma Sequential Circuits, deren erstes Produkt ein analoger Sequenzer war, gebaut, um kurze Tonfolgen auf Knopfdruck abzuspielen. 1978 kam der Prophet 5 heraus, einer der ersten mehrstimmig spielbaren (polyphon), mikroprozessorgesteuerten Synthesizer. Weitere Klangerzeuger folgten, etwa der bis heute begehrte, einstimmig spielbare Pro-One.

Zwei Granden der Synthesizer-Welt: Dave Smith (links) witzelt mit Dieter Doepfer 2019 auf der Superbooth in Berlin.

(Bild: Hartmut Gieselmann)

Damals war es nicht möglich, etwa mit der Klaviatur eines Keyboards den klangerzeugenden Teil eines anderen Synthesizers quasi fernzusteuern. Das ermöglichte erst die bis heute "unkaputtbare" digitale Schnittstelle für Musikinstrumente, kurz MIDI. Die Idee dazu, das Kürzel MIDI und der Entwurf dieser universellen Verbindung stammten von Dave Smith, der das Konzept dafür 1981 der Audio Engineering Society (AES) vorstellte. Dass sein Konzept funktionierte, zeigte sich 1983 auf der NAMM: Bei der Musikindustrie-Messe wurde ein Sequential Prophet-600 mit einem Jupiter 6 von Roland gekoppelt. Doch den großen Erfolg eines prozessorgesteuerten Synthis, der mit beeindruckenden Sounds und einer vergleichsweise einfachen Bedienung den Markt eroberte, heimste nicht Sequential mit dem Prophet T8 ein, sondern Yamaha mit dem legendären DX 7.

Bei Sequential folgte 1983 mit Drumtraks ein Schlagzeug-Synthesizer, der auf Samples basierte. Der Six-Trak wiederum war 1984 einer der ersten Klangerzeuger, der mehrere unterschiedliche Sounds parallel erzeugen konnte, etwa Klavier, Bass und Streicher auf jeweils einem Drittel der Tastatur. In der Folgezeit war Dave Smith mit seinen Ideen dem Markt und der Musikerwelt oft weit voraus, etwa mit dem Prophet VS, der 1986 herauskam und die sogenannte Vektor-Synthese beherrschte, oder dem Sampler Prophet 3000. Ende 1987 musste Sequential Circuits Insolvenz anmelden.

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Dave Smith wechselte mit seinem Team zu Yamaha und verfolgte dort den Ansatz der Vektor-Klangerzeugung weiter. Dabei werden mehrere Sounds übereinander geblendet oder geschichtet, was das Resultat lebendiger macht. Später zeichnete Smith bei Korg für die Entwicklung der Korg Wavestation mitverantwortlich. Bei Seers Systems wurde unter seiner Regie einer der ersten Software-Synthesizer programmiert: Creative Labs brachte ihn unter der Bezeichnung "Soundblaster AWE 64" heraus – ein Meilenstein der computerbasierten Klangerzeugung, nicht nur für Musiker, sondern auch für Spieleprogrammierer.

Ab dem Jahr 2002 produzierte Dave Smith wieder unter eigenem Namen (DSI, Dave Smith Instruments) und brachte eine Reihe erfolgreicher, preisgünstiger Instrumente heraus. Zusammen mit Roger Linn entwickelte Smith die Drum Machine Tempest; aus einer Zusammenarbeit mit Pioneer entstand etwa der Bass-Synthi Toraiz 1. Mit seinem Freund Tom Oberheim erweckte Smith 2016 den typischen Oberheim-Sound aus den 1970ern wieder zum Leben. Sequential Circuits und Focusrite fusionierten 2021 und brachten den Take 5 heraus, der analoge Klangerzeugung mit digitaler Steuerung kombiniert.

Wie kaum ein zweiter hat Dave Smith die technischen Möglichkeiten geschaffen, raffinierte, typische Sounds mit leistungsfähigen Synthesizern zu erzeugen, die dank digitaler Presets auch live gut zu bedienen waren. Ihm gelang es, analoge und digitale Technik sinnvoll miteinander zu verbinden. Die von ihm konzipierte MIDI-Schnittstelle erlaubt es bis heute, musiktechnische Gerätschaften miteinander zu koppeln, typ- und herstellerübergreifend. MIDI-Recording-Programme wie Steinberg 24 – der Urahn des heutigen Cubase – waren erst mit diesem Standard denkbar. 2013 bekam Dave Smith zusammen mit Ikutaro Kakehashi, dem Chef von Roland und Mitentwickler des MIDI-Standards, den Grammy for Technical Achievement.

Er war seiner Zeit oft voraus. Dave Smith hat Spuren hinterlassen – und wird es weiterhin tun: Seine Verdienste um die elektronisch generierte Musik spiegeln sich hörbar in zahllosen Heim- und Profistudios, auf kleinen wie großen Bühnen. Mit ihm hat die Welt einen ihrer größten Pioniere der Musiktechnik verloren.

(gref)