Mängel beim Whistleblower-Schutz: EU-Kommission zerrt Deutschland vor Gericht

Die Bundesrepublik hat die EU-Richtlinie zum Absichern von Hinweisgebern von 2019 immer noch nicht umgesetzt. Nun hat die EU-Kommission Klage eingereicht.

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(Bild: Maxim Studio/Shutterstock.com)

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Am Freitag ließ der Bundesrat den Gesetzentwurf aus dem Bundestag für einen "besseren Schutz hinweisgebender Personen" auf Betreiben von CDU und CSU durchfallen. Die Quittung dafür haben Bund und Länder postwendend aus Brüssel erhalten: Die EU-Kommission teilte am Mittwoch mit, dass sie Deutschland in der Sache vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Grund: Die Bundesrepublik hat die 2019 im Amtsblatt veröffentlichte EU-Richtlinie zum Absichern von Whistleblowern noch immer nicht umgesetzt. Die Mitgliedstaaten waren bereits bis Ende 2021 verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um den Bestimmungen nachzukommen.

Die Bundesregierung konnte der Kommission keinen Vollzug melden, weil es auch die einstige schwarz-rote Koalition nicht schaffte, sich beim Schutz von Hinweisgebern auf eine gemeinsame Linie zu einigen. Die SPD wollte damals, dass das Gesetz auch bei Verstößen gegen deutsches Recht greift und nicht nur in Bereichen wie Finanzdienstleistungen und Ausschreibungen, Produkt- und Lebensmittelsicherheit, Datenschutz, Umwelt sowie Gesundheit, die bereits EU-weit geregelt sind. CDU und CSU waren dagegen. Den aktuellen Anlauf des Ampel-Bündnisses verhinderten die Konservativen, weil sie damit zu hohe Kosten und zusätzliche Bürokratie verknüpft sahen. Ferner störte sie, dass zuständige Stellen auch anonymen Hinweisen nachgehen sollten.

Die Kommission hat Deutschland in der Auseinandersetzung zugleich eine "mit Gründen versehene Stellungnahme" zugesandt. Das ist die zweite von drei möglichen Stufe in dem vor einem Jahr eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren. Die Bundesregierung hat nun zwei Monate Zeit, sich zu rechtfertigen. Neben Deutschland verklagt die Brüsseler Regierungsinstitution auch Tschechien, Estland, Spanien, Italien, Luxemburg, Ungarn und Polen wegen mangelndem Hinweisgeberschutz.

Juristische Personen wie Firmen, Behörden und andere Rechtsträger mit mehr als 50 Mitarbeitern sowie alle Unternehmen aus dem Bereich der Finanzdienstleistungen müssen gemäß den EU-Vorschriften prinzipiell ein internes Hinweisgebersystem bereitstellen und einen speziellen Beauftragten als Ansprechpartner vorsehen. Ausnahmen können lediglich für Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern gemacht werden. Anders als von der deutschen Rechtsprechung bislang vorgegeben, muss ein Whistleblower einen Missstand nicht mehr zunächst intern in der eigenen Firma oder Behörde melden.

Trotz der verzögerten Richtlinienumsetzung können die EU-Normen seit Dezember 2021 zumindest gegenüber dem Staat bereits größtenteils direkt geltend gemacht werden. Sind keine internen Meldekanäle vorhanden, bleibt es Hinweisgebern schon jetzt vorbehalten, sich an externe Stellen zu wenden. Experten hoffen, dass der dräuende Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag rasch eine Lösung findet. Die im Bundesrat vorgetragenen Argumente gegen das Ampel-Gesetz "sind der ewig gleiche alte Wein in neuen Schläuchen", moniert Annegret Falter vom Whistleblower-Netzwerk. Die Schutzbestimmungen hälfen, auch Risiken innerhalb von Unternehmen frühzeitig zu erkennen.

(mho)