Maestro-Aus: Neue Zweitzahlungssysteme auf Kombikarten kommen in Mode

Gibt es ein Leben nach Maestro, fragt sich die Kreditwirtschaft. Nach Sparkassen kombiniert die Degussa-Bank die Girocard mit Mastercard Debit.

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Ein ungeordneter Stapel mit Kreditkarten und Girokarten von verschiedenen Zahlungsdienstleistern wie Mastercard oder Visa.

(Bild: Tatiana_Kuzmina/Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
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Das Aus für Maestro-Karten in Europa hat die Gemüter erregt. Der Debitkartendienst des US-Konzerns ist bislang in der Regel Zweitfunktion der Girokarten deutscher Banken und Sparkassen. Maestro ermöglicht, die "EC-Karte" auch im Ausland als Zahlungsmittel und an Geldautomaten einzusetzen. Die Einstellung des Dienstes sei ein Riesenproblem für die Girocard, ist oft zu hören.

Ab Samstag dürfen Banken und Sparkassen keine Karten mit der Maestro-Zusatzfunktion mehr ausgeben. Gültige Girocards mit dem entsprechenden Logo funktionieren bis zu ihrem Ablaufdatum weiterhin im Ausland – bei vierjähriger Laufzeit bestenfalls also bis Mitte 2027. Andreas Martin aus dem Vorstand des Bundesverbands der deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) kritisiert, welch "merkwürdige Öffentlichkeitswirkungen" das Thema "Maestro-Aus" ausgelöst habe. Dabei handle es sich ausdrücklich nicht um ein Problem der Girocard oder ihrer Nutzer, betonte er am Dienstag auf einem Infotag der Deutschen Kreditwirtschaft in Berlin. Mastercard habe das "für sich autonom entschieden" und "alle Marktteilnehmer frühzeitig informiert".

Die naheliegende Anschlusslösung für die nationalen Banken und Sparkassen lautet für Martin, "schlichtweg ein neues Co-Badging" aufzubauen. Der neudeutsche Branchenbegriff steht dafür, einem Zahlungsinstrument mehr als eine Bezahlvariante zuzuordnen. Bei der Girocard war das zweite Element bislang Maestro, künftig wird es neben V Pay vielfach insbesondere Debit Mastercard (DMC) sein. Wie bei Maestro und der Girocard handelt es sich dabei um einen Debitkartenservice, bei dem das kartenausgebende Kreditinstitut den Betrag direkt dem Girokonto des Inhabers belastet und ihn spätestens nach ein paar Tagen abrechnet. Der jüngere Debitdienst von Mastercard funktioniert in vielen Läden und an Geldautomaten weltweit, außerdem im Online-Handel. Zugleich lässt er sich mit Wallet-Ansätzen wie Apple Pay verknüpfen.

Ein Zweitsystem durch ein anderes auszutauschen, hört sich einfach an. Der Bank-Verlag hat dafür – zugeschnitten auf die Girocard – sogar eine "ComboCard" als anpassbare Blankotechnik herausgebracht. "Bei einer reinen Girocard fehlt die internationale Akzeptanz", begründet Oliver Stappert von dem Kölner IT-Service-Unternehmen der privaten Banken diesen Schritt. Eine Zwei-Karten-Strategie mit einer zusätzlichen Kreditkarte sei dagegen vielen zu teuer. Ganz auf die Girocard zu verzichten, trauen sich viele Kunden auch nicht, da einige Händler hierzulande für Kartenzahlungen nur dieses – für sie vergleichsweise kostengünstige – Mittel zulassen. Eine neue Kombination ist laut Stappert daher gefragt, die zugleich Dienstmerkmale einer Kreditkarte bringe.

Die ComboCard der Degussa Bank

(Bild: Stefan Krempl)

Während Sparkassen und Genossenschaftsbanken mit einem neuen Co-Badge bereits seit Längerem auch mit Blick auf Zahlungen im Internet experimentieren, taten sich die Privatbanken damit zunächst schwer. Eine musste es vormachen, erläutert Stappert. Erste sei dann die Frankfurter Degussa-Bank geworden. André Lauhoff, der dort für das Umstellungsprojekt zuständig ist, berichtet, dass die Mastercard-Ankündigung das Finanzhaus im Herbst 2021 "kalt erwischt" habe. Bis dahin hätten anderthalb Jahre Vorlauf für den Austausch von Karten als unerlässlich gegolten.

Da die Zeit drängte, entschied sich die Degussa für die ComboCard des Bank-Verlags und behielt den Namen bei. Den Schwerpunkt habe Degussa auf "reibungslosen Austausch", Kundennutzen und -bindung sowie "Akzeptanz und nicht reine Ertragsoptimierung" gelegt, führte Lauhoff aus. Eine Vorstudie sei im 1. Quartal 2022 fertig gewesen, die erste Pilotkarte Ende September 2022. Die reguläre Auslieferung der ComboCard lief Mitte November an. Wenig später fügte die Bank die Freischaltung des Online-Bankings inklusive 3-D-Secure-Aktivierung (3-D-S) hinzu, allerdings nur mit zugehöriger Online-Banking-App und biometrischem Prüfverfahren.

Die Nachfrage nach der E-Commerce-Funktion ist weniger groß als erwartet. Trotzdem gebe es damit "mehr Betrugsfälle", ließ Lauhoff durchblicken. Bisher hätten zwei Sachbearbeiter für fünf einschlägige Vorkommen im Monat gereicht, jetzt müsse die Bank aufstocken. Debit Mastercard im Ausland habe anfangs auch "ein bisschen eine Herausforderung" bedeutet. Bei eigenen Tests in Italien sei er teils abgewiesen worden, und einige Geldautomaten in Asien könnten mit kombinierten Kartenfunktionen noch nichts anfangen. Irgendwie habe es Mastercard aber inzwischen hinbekommen.

Auch sonst verwies Lauhoff auf einige "Kinderkrankheiten", die inzwischen weitgehend "geheilt" seien. So sei das Parken bei manchen Supermärkten nicht mehr möglich gewesen, da auf dem Magnetstreifen nun die Kreditkartennummer aufgebracht sei und die Lesesysteme nicht so schnell hätten umprogrammiert werden können. Ferner gäbe es Geldautomaten, die noch die Offline-PIN der Geldkarte verwendeten. Die Kontostandabfrage sei dort nicht mehr möglich, die Software müsste ausgetauscht werden.

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Insgesamt sind die Rückmeldungen der Kunden Lauhoff zufolge gut. Sie freuten sich, "weniger Plastik im Portemonnaie" zu haben. Beschwerden darüber, dass das statische Reservierlimit bei DMC für das Bestellen von Mietwagen oder Hotelzimmern nicht ausreiche, habe es bislang keine gegeben. Wer für vier Wochen etwa in die USA reise, müsse halt eine eigene Kreditkarte nehmen. Die Kombi-Girocard sei in einigen Kontomodellen ohne Aufpreis enthalten, sonst koste sie 10 Euro. Bestehende Visa-Debit-Karten laufen bei Degussa weiter.

Beim ersten Anlauf habe die Degussa die "komplette Personalisierung" mit Kartennummer und Sicherheitscode auf die Rückseite gepackt, räumt der Bankmitarbeiter einen Missstand ein. Wenn diese nur einmal abfotografiert würde, sei "Polen offen". So werde man es bei der nächsten Auflage nicht mehr machen.

"Wir wollen unsere Kunden nicht in eine Situation bringen, wo sie mit einer neuen Karte weniger können als mit ihrer alten", warb Martin prinzipiell für Kombi-Systeme. Um den "unbestrittenen Marktführer im stationären Handel" an das sich ändernde Einkaufs- und Bezahl-Verhalten anzupassen, habe die Kreditwirtschaft die Initiative "Girocard 4.0" ins Leben gerufen.

Rewe testet in Berlin einen kassenlosen Supermarkt, in dem nur mit Karte bezahlt werden kann, brachte Stefan Genth vom Handelsverband Deutschland (HDE) ein Beispiel. Künftig müssten Bezahlvorgänge "unsichtbar, instant und einfach" sein. Die deutsche Kreditwirtschaft dürfe dieses Feld nicht Big Techs wie Apple oder Google überlassen, die auf die anfallenden Daten schielten. Die Girocard müsse daher auf mobiles Zahlen ausgerichtet werden und einfacher in Apps integriert werden können. Parallel dürfe Bargeld nicht unter den Tisch fallen.

Neue Co-Badging-Verfahren mit Debitverfahren der internationalen Kartenorganisationen bezeichnete Oliver Hommel, Geschäftsführer des Zahlungsdienstleisters Euro-Kartensysteme, auch als "Herausforderung". Letztlich würden damit zwei Wettbewerber auf einer Karte zusammengeführt. Da die European Payments Initiative (EPI) sich nicht um ein harmonisiertes Kartenzahlungsverfahren kümmere und sich auf Konto-zu-Konto-Zahlungen konzentriere, müsse die deutsche Kreditwirtschaft einen eigenen Entwicklungsweg gehen. Geplant sei, dass die Girocard den digitalen Kassenbon besser unterstütze, neue Marktsegmente wie Hotels und Gastronomie durch neue Funktionen erschließe und als "Schmelztiegel" für In-App-Käufe fungiere.

(ds)