Nacktscanner auf dem Prüfstand

Seit rund einem Jahr testen mehrere europäische Flughäfen Ganzkörper-Scanner – mit gemischten Bilanzen. Manager des Airport Manchester ziehen ein positives Fazit; das deutsche Innenministerium will nun auch hierzulande der umstrittenen Technik auf den Zahn fühlen.

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Die Ankündigung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière, noch im September einen Test mit zwei Sicherheitsscannern am Hamburger Flughafen zu starten, stand unter keinem guten Stern. Kurz nach der Versicherung des CDU-Politikers, dass die Teilnahme an dem Versuch freiwillig sein solle und statt Nacktbildern nur Strichmännchen der Probanden auf den Bildschirmen der Kontrolleure erschienen, kam Kritik aus einer ganz anderen Ecke: Die „Frankfurter Rundschau“ fand heraus, dass die Mutterfirma des US-Herstellers der beiden Geräte, L-3 Communications aus New York, auch die international geächteten Streubomben im Angebot hat.

Von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Oppositionspolitikern war ein lauter Aufschrei zu hören. Das Innenministerium erklärte zwar ausweichend, dass man die heiße Ware bei einem österreichischen Lieferanten geordert habe und ein Rücktritt von dem Vertrag dem Steuerzahler teuer zu stehen kommen könnte. Trotzdem werde man diesen Schritt prüfen. Das Innenministerium kann aber mittlerweile Erklärungen sowohl von L-3 als auch des österreichischen Lieferanten vorweisen, dass beide keine Streumunition entsprechend der Osloer Konvention über diese Waffengattung erzeugten oder verkauften. Nun gibt es grünes Licht für die Feldstudie. Ein Sprecher de Maizières gab auch zu bedenken: „Es gibt keine anderen Hersteller von Körperscannern, die auch nur annähernd auf dem Entwicklungsstand des Gerätes der Firma L-3 Communications stehen.“

Andreas Kotowski, Technikchef des L-3-Konkurrenten Rapiscan, sieht die Sache naturgemäß anders. Das Flaggschiff der Kalifornier ist der Secure 1000 Single Pose (SP), das mit der Backscatter-Technik arbeitet. Diese Systeme setzen den Körper niedrig dosierten elektromagnetischen Wellen aus und messen die Rückstreuung, um ein zweidimensionales Abbild zu erzeugen. Auf diesen sind sowohl metallische als auch nichtmetallische Gegenstände hochaufgelöst zu erkennen – aber auch anatomische Oberflächendetails, was den Geräten den Ruf des Nacktscanners eingebracht hat.

Bei den Scannern des Typs Secure 1000 Single Pose am Flughafen Manchester muss sich der Passagier mit erhobenen Händen zwischen die beiden Geräteteile stellen.

(Bild: Manchester Airport)

Der ProVision ATD (Automatic Threat Detection) von L-3, der in der Hansestadt zum Zuge kommen soll und auch am Schiphol-Flughafen in Amsterdam testweise im Einsatz ist, setzt dagegen auf nichtionisierende Millimeterwellen. Dabei kommt kurzwellige Strahlung in einem Frequenzbereich von etwa 30 bis 300 GHz zum Einsatz; ein Abbild entsteht anhand der reflektierten Wellen. Die zur automatisierten Bedrohungserkennung (ATD) eingesetzte Software soll zudem eine Auswertung der gelieferten hochauflösenden Bilder und der darauf sichtbaren (nicht)metallischen Objekte durch einen menschlichen Beobachter unnötig machen. Auf dem Monitor werden nur schematische Figuren angezeigt, auf denen die Prüfalgorithmen gegebenenfalls auffällige Gegenstände markieren.

Diese Geräte haben laut Kotowski zwei Nachteile. „Die Bedrohung geht bei der Flugsicherheit von sehr kleinen Gegenständen aus“, meint der Entwickler. Röntgenstrahlen seien nach wie vor am besten geeignet, um diese ausfindig zu machen. „Wir haben 20 Jahre versucht, es anders zu machen“, verweist er auf eigene Experimente mit Millimeterwellen. Diese hätten nicht zu einer vergleichbaren Datenqualität geführt. So würden die „Radarwellen“ teils schon von einem mit Schweiß durchfeuchteten Hemd falsch reflektiert. Die an Flughäfen eingesetzte Röntgenstrahlung gehe dagegen zwei oder drei Millimeter unter die Haut. Ferner seien die Programme zur automatischen Gefahrenerkennung bislang wenig nützlich. Sowohl die Rate des Nichtanschlagens bei einschlägigen Objekten als auch die falscher Alarme sei derzeit nicht akzeptabel. Das Innenministerium räumt ebenfalls ein, dass die Software noch verbesserungswürdig sei.

Englische Großflughäfen setzen auf die Röntgentechnik. Im Rahmen eines von der EU unterstützten Probebetriebs von Ganzkörper-Scannern in Manchester, der seit einem halben Jahr läuft, sind mittlerweile rund 210 000 Passagiere durchleuchtet worden. „Nur zwei Frauen haben einen Scan verweigert“, berichtet Alan Kemp, Chef des Sicherheitsteams am Flughafen der Metropole. Die Pakistani hätten aus religiösen beziehungsweise gesundheitlichen Gründen eine Körperbestrahlung abgelehnt. Eine echte Alternative gibt es in Großbritannien nicht: Wer für eine Durchleuchtung ausgewählt ist, muss sich bestrahlen lassen. Die Skeptikerinnen in Manchester durften also ihren Flug nicht antreten. Man habe sie aber später eingeladen, die Scanner selbst unter die Lupe zu nehmen, beeilt sich ein Airport-Sprecher hinzuzufügen: „Wir wollen ja nicht, dass Leute sich dafür entscheiden, nicht zu fliegen.“

In Manchester sind derzeit drei Rapiscan-Apparate an zwei Terminals im Einsatz. Die Scanner benötigen etwa sieben Sekunden für einen Durchgang, bei dem sich der Passagier mit erhobenen Händen zwischen die beiden Geräteteile stellen muss. Im Anschluss werden derzeit die Schuhe der Reisenden extra durchleuchtet, was künftig aber entfallen soll. Noch sind die Ganzkörper-Scanner an gesonderten „Smart Gates“ als Zusatzmaßnahme im Einsatz: Der Passagier geht dabei zunächst durch einen der gebräuchlichen Metall-Detektoren. Schlägt dieser an, wird der somit Verdächtige automatisch zum Scanner geleitet. Darüber hinaus werden einige Reisende an den entsprechenden Kontrollpunkten per Zufallsgenerator für eine Bestrahlung ausgewählt.

Die „Nacktbilder“ werden in einem von den Sicherheitsschleusen rund 50 Meter entfernten Kontrollraum an zwei Rechnern begutachtet. Das Mitführen von Handys oder Kameras ist hier verboten. Der bullige Security-Chef hat sich bei der Vorführung selbst als Versuchskaninchen zur Verfügung gestellt. Am Bildschirm des Begutachters deutlich erkennbar ist neben einem Speckring die Gürtelschnalle, der Metallhalter seines Sicherheitsausweises sowie dunkle Stellen auf Höhe der hinteren und vorderen Hosentasche. Der Inspekteur kann die Schwarzweiß-Aufnahme in ein Negativbild umwandeln, sodass Metallteile fast leuchtend hell erscheinen. Verdächtige Stellen werden von ihm markiert und ein Kontrollbild an den Monitor am Scanner zurückgeschickt. Finden sich keine Besonderheiten auf den Fotos, erteilt er eine Freigabe.

Hält ein Begutachter eine zusätzliche Durchsuchung für nötig, erscheint am Scanner ein cartoonähnliches Bild mit roten Vierecken an den von ihm per Mausklick ausgewählten Positionen. Der Mitarbeiter am Röntgengerät untersucht nun gezielt diese Stellen mit einem Hand-Scanner. Ein Abtasten des ganzen Körpers ist im Unterschied zu einem Alarm bei einem Metall-Detektor nicht nötig.

Drei von c’t nach einer Durchleuchtung am Flughafen in Manchester befragte Reisende hatten keine Einwände. „Die suchen nach Bomben, nicht nach Brüsten“, meinte eine 33-jährige Engländerin. Umständlich sei allein das An- und Ausziehen der Stiefel. „Ich denke da gar nicht drüber nach“, sagte ein 34-jähriger Engländer. Auch ein 40-jähriger Spanienreisender hält die Scanner für „eine gute Idee“. Sorgen um eine Strahlenbelastung mache er sich nicht: „Die gibt es überall, wir nutzen ja auch Mobiltelefone.“ Nach Herstellerangaben setzt man sich schon beim Verzehr einer Banane aufgrund des darin enthaltenen Kaliums einem viermal höheren Strahlenwert aus als bei einem Ganzkörper-Scan mit der aktuellen Gerätegeneration.

Dass die Apparate offenbar kaum noch Verunsicherung auslösen, ist laut Mike Fazackerley, dem Kundendienstleiter des Flughafens, auch ein Ergebnis der transparenten Herangehensweise. Es habe anfangs einige unvollständige Medienberichte über die Scanner gegeben. Inzwischen habe man viele Journalisten und Interessenvertreter von Behinderten-, Kinderschutz- oder Transsexuellenverbänden herumgeführt. Zudem habe der Flughafen Aufklärungsbroschüren und ein Einführungsvideo veröffentlicht sowie Informationsplakate ausgehängt.

Dass sich eine Anschaffung der rund 150 000 US-Dollar teuren Geräte statt der mit 10 000 US-Dollar zu Buche schlagenden gängigen Detektoren mittelfristig rechnet, steht für Fazackerley außer Zweifel. Mitarbeiter könnten zwar nicht eingespart werden. Letztlich verbessere sich aber das Gefühl der Reisenden, da sie etwa ihre Jacken anbehalten und weniger konfrontative Durchsuchungen über sich ergehen lassen müssten. Der geringere Stress führe dazu, dass die Passagiere mehr Geld beim Shopping oder Kaffeetrinken ausgäben. Den Sicherheitsaspekt hält der Manager fast schon für sekundär. Die Scanner seien aber „auf jeden Fall besser als das, was wir derzeit haben“. Waffen oder Sprengstoff sind mit den Geräten in Manchester bislang nicht zutage gefördert worden. Dafür flog auf, dass eine Reisende 18 000 Pfund unter ihrer Kleidung versteckt außer Landes schmuggeln wollte.

Anders als in den USA, wo bereits rund 200 Körperscanner bei Sicherheitskontrollen an Flughäfen als Zusatzmaßnahme eingesetzt werden, sind die Apparate in der EU noch nicht allgemein zugelassen. Neben Manchester haben Flughäfen wie Heathrow, Schiphol, Helsinki Vantaa und einige Airports in Italien und Frankreich eine Sondergenehmigung für Tests. Die EU-Kommission hat auf Basis von Berichten der Mitgliedsstaaten den Einsatz der Geräte als „gangbare Alternative zu derzeit praktizierten Kontrollverfahren“ bezeichnet, was die erfolgreiche Erkennung von Gegenständen unterschiedlichen Materials, den verbesserten Fluggastdurchsatz, die allgemeine Akzeptanz durch die Fluggäste und die Bedienbarkeit durch das Kontrollpersonal angehe.

Testlauf am Flughafen Manchester: Die eigentlichen „Nacktbilder“ werden in einem speziellen Kontrollraum begutachtet.

(Bild: Manchester Airport)

Im Resümee hält die Kommission fest, dass „der Einsatz von Sicherheitsscannern insbesondere auf Großflughäfen einen Zugewinn an Flexibilität und eine weitere Verbesserung der Luftsicherheit ermöglichen könnte“. Gemeinsame EU-Standards müssten gewährleisten, „dass die Grundrechte und die Gesundheit auf einheitlichem Niveau geschützt werden“. Die langfristigen Auswirkungen der Exposition seien regelmäßig zu überwachen und neue wissenschaftliche Entwicklungen zu berücksichtigen.

Verdächtige Stellen auf den Scannerbildern werden vom Kontrolleur markiert und dann als cartoonähnliches Kontrollbild an den Monitor am Scanner zurückgeschickt.

(Bild: Manchester Airport)

Die Proteste gegen die Bestrahlung, die im Innern des Körpers versteckte Gegenstände nicht erfassen kann, sind noch immer groß. „Der Missbrauch ist unvermeidbar“, moniert Alex Deane von der britischen Datenschutzorganisation Big Brother Watch. Das Electronic Privacy Information Center (EPIC) will mit einer Klage erreichen, dass der Einsatz aller Geräte in den USA sofort beendet wird. Diese griffen massiv in die Privatsphäre ein und verletzten religiöse Freiheiten. Bestätigt fühlen sich die Bürgerrechtler mit dem Befund, dass US-Marshals rund 35 000 Bilder einer Sicherheitsschleuse in einem Gerichtsgebäude in Florida abspeicherten. Zuvor hatte die Sicherheitsbehörde Transportation Security Administration (TSA) zugeben müssen, entgegen früheren Beteuerungen rund 2000 von Nacktscannern gefertigte Fotos nicht gelöscht zu haben.

Deutsche Datenschützer machen sich ebenfalls Sorgen um die Menschenwürde. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar fordert, dass körperliche Behinderungen und Krankheiten von Reisenden wie Inkontinenz-Leiden verborgen bleiben müssten. Auch dürften Passagiere, die sich gegen eine Scanner-Kontrolle entschieden, nicht intensiver vom Personal überprüft werden als bislang üblich. Schaars Hamburger Kollege Johannes Caspar gibt zu erwägen, dass durch die Scanner „nur das subjektive Sicherheitsgefühl gestärkt“ werde. Er bezweifle, ob dies den weiteren Ausbau einer digitalen Überwachung rechtfertige. Auch die Technik spielt noch nicht immer mit: Tests mit Körperscannern auf italienischen Flughäfen sind vorerst gescheitert, berichten italienische Medien. Die Geräte seien den Produzenten zurückgegeben worden. Grund: Die Bilder der Passagiere seien zu unscharf gewesen und hätten die notwendigen Sicherheitsstandards bei den Kontrollen nicht garantiert. Neue Apparate sollen Besserung bringen. (jk)