Online-Ausweis und VPN-Verbot: Streit über Anonymität im Netz kocht wieder hoch

In Frankreich und im EU-Parlament gewinnt die Debatte über ein Ende der Online-Anonymität an Fahrt. Auch die geplante europäische eID spielt dabei eine Rolle.

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(Bild: BABAROGA/Shutterstock.com)

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Was offline verboten ist, soll es auch online sein. Dieser hierzulande bei der Internet-Regulierung oft bemühte Ansatz gilt auch als Leitgedanke des Plattformgesetzes der EU, des Digital Services Act (DSA). Politiker und Experten fragen sich momentan erneut, was das für die Zukunft der Anonymität im Internet bedeuten soll, nachdem unerkannte Bewegungsmöglichkeiten auch im öffentlichen Raum schwinden. Die bei den Verhandlungen über den DSA wieder einmal aufgekommene Debatte führt momentan insbesondere auch die französische Nationalversammlung fort. Dort geht es um einen Regierungsentwurf für ein Gesetz, um den "digitalen Raum abzusichern und zu regulieren".

Eine Online-Welt, "in der ein Gefühl weitverbreiteter Straflosigkeit vorherrscht, weil sich jeder anonym glaubt", sei ein Unding. So begründete der Berichterstatter Paul Midy seinen Änderungsantrag, mit dem er ein Ende der Anonymität im Netz forderte. Der Abgeordnete der liberalen Renaissance-Partei habe damit Kapital aus den Unruhen in Frankreich Ende Juni ziehen wollen, schreibt das Magazin Euractiv. Dabei sei es der Polizei schwergefallen, übers Internet agierende Rädelsführer auszumachen. Midy habe seinen Vorschlag aber nach Protesten seiner Fraktion zurückziehen müssen, die sich auf EU-Ebene gegen eine solche Klausel ausgesprochen hatte.

Parallel brachten andere Abgeordnete aus dem liberalen und dem Mitte-Rechts-Lager Anträge ein, um den Einsatz von Virtual Private Networks (VPNs) zum Verschleiern von Online-Spuren einzuschränken beziehungsweise Downloads solcher Programme aus App-Stores zu untersagen. Auch hier lautete das Argument, VPNs hinderten die Justiz, rechtswidrig agierende Social-Media-Nutzer zu identifizieren. Dies führe zu einer Diskrepanz bei der Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit zwischen Offline und Online. Jérôme Notin, Leiter der Opferhilfebehörde Cybermalveillance, hielt dagegen, dass ein solcher Schritt die Cybersicherheit gefährde. Auch der Abgeordnete Philippe Latombe von der Demokratischen Bewegung bezeichnete die Ersuchen als gefährlich und technisch nicht machbar. Zudem gebe es in Frankreich bereits ein System, um illegale Inhalte der Polizei zu melden. Die französische Linke monierte, ein Aus für die Online-Anonymität verstoße gegen die EU-Grundrechtecharta.

Midy und seine Mitstreiter meinen, Pseudonymität sei der bessere und den Verhältnissen in der Offline-Welt eher entsprechende Grundsatz. Der Grüne Aurélien Taché hob gegenüber Euractiv aber hervor, dass damit eine "eine erhebliche Lücke" in den Grundfreiheiten der Bürger verbunden wäre. Die Regierung sollte "nichts, was ihre Bürger tun, in Echtzeit überwachen" können. Mikuláš Peksa, der für die Piratenpartei im EU-Parlament sitzt und an der geplanten Verordnung für eine europäische digitale Identität (EUid) auf Basis von E-Wallets mitarbeitet, bestätigte, Pseudonymisierung könne leicht rückgängig gemacht werden und stelle daher keine Alternative dar. Laut den Positionen der EU-Gesetzgebungsgremien soll der europäische Online-Ausweis ohne ständige Personenkennung auskommen, was aber in den finalen Verhandlungen noch umkämpft ist. Die Ampel-Koalition will das Recht auf Anonymität "sowohl im öffentlichen Raum als auch im Internet" gewährleisten.

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(ll)