Online Safety Bill in Großbritannien: Threema will trotzdem bleiben

Der Schweizer Messenger-Dienst Threema will weiter in Großbritannien bleiben, auch wenn dort ein Gesetz zur Chatkontrolle in Kraft tritt.

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Threema, Schweiz

(Bild: Threema)

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Lesezeit: 3 Min.

Der Schweizer Messenger-Dienst Threema will trotz des Gesetzesvorhabens "Online Safety Bill" in Großbritannien bleiben. Andere Messenger-Dienste hatten bereits angekündigt, das Land zu verlassen, sobald der Gesetzentwurf vom Parlament abgesegnet wird. Sollte das Gesetz in Kraft treten, könnte sämtliche Kommunikation aller Provider – egal, ob verschlüsselt oder unverschlüsselt – eingesehen werden, wenn es entsprechende Durchsuchungsbefehle gibt. Im Falle verschlüsselter Nachrichten müssen die Provider für jede Konversation über eine Art Generalschlüssel verfügen.

Daran will Threema sich, wie zuerst das Portal Netzpolitik berichtet hat, allerdings nicht beteiligen. "Die aktuellen Gesetzesentwürfe der Online Safety Bill und der Chatkontrolle sehen Modifikationen an allen betroffenen Apps vor. Wir sind nicht bereit, solche Schnittstellen für ausländische Behörden einzubauen. Nicht zuletzt auch, weil wir uns damit in der Schweiz strafbar machen würden", sagte der Dienst gegenüber heise online. Außerdem ist Threema quelloffen und die offiziellen Builds reproduzierbar. Es stehe "außer Frage, Abstriche bei Sicherheit und Datenschutz zu machen oder gar aktiv anlasslose Massenüberwachung zu unterstützen."

Der vom ehemaligen britischen Premierminister Boris Johnson eingebrachte Gesetzentwurf sieht vor, dass die britische Regulierungsbehörde Ofcom Anbieter von Messenger-Apps dazu verpflichten kann, die Kommunikation ihrer Nutzer zu scannen, wenn diese sich beschweren. Beschwerden würden dann über Ofcom und nicht vor Gericht verhandelt.

Vor Kurzem hatten die Messenger-Dienste Signal und Whatsapp angekündigt, den britischen Markt zu verlassen, falls das Gesetz in Kraft tritt. Das US-Parlament befasst sich derweil mit dem "Kids Online Safety Act" (KOSA). Damit soll es möglich werden, alle von Kindern genutzten soziale Netzwerke, Messenger- und Video-Streamingdienste sowie Lernplattformen einer permanenten Überwachungspflicht durch die jeweiligen Provider zu unterziehen. In Australien ist bereits seit 2019 ein "Assistance and Access Act" in Kraft, der Provider bei Verdacht auf schwere Verbrechen dazu verpflichtet, ihre Netze so umzubauen, dass eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ausgehebelt werden kann.

Innenministerin Nancy Faeser hatte sich kürzlich gegen die Chatkontrolle auf Endgeräten ausgesprochen. Sie betonte in einem Interview mit dem Tagesspiegel, dass die geplanten Vorschriften mit dem Grundrecht auf Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation und der Privatsphäre im Einklang sein müssen.

Mitte Januar dieses Jahres hatte die EU-Kommission ihren heftig kritisierten Verordnungsentwurf zur Online-Überwachung verteidigt – die Chatkontrolle diene vor allem dem Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch. Mit dem umkämpften Vorhaben sollen auch Anbieter durchgängig verschlüsselter Messaging- und anderer Kommunikationsdienste wie WhatsApp, Apple, Signal und Threema über behördliche Anordnungen dazu verpflichtet werden können, Fotos und Videos von Kindesmissbrauch in den Nachrichten ihrer Nutzer ausfindig zu machen.

Der Bundesrat führte jedoch "schwerwiegende grundrechtliche Bedenken" an. Laut EU-Kommission dient die Chatkontrolle als letzte Möglichkeit zur Aufdeckung von Taten. Dabei müsse abgewogen werden, ob es sich um eine wirksame Chatkontrolle handelt, bei der lediglich eine Technik zum Einsatz kommt und zunächst kein Mensch die privaten Nachrichten und Bilder sichtet. Die Erkennungstechnologie soll die Nachrichten weder verstehen noch Daten sammeln können.

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Weitere Aussagen von Threema ergänzt.

(mack)