Piraten-Wahlprogramm: Informationsfreiheit und Netzneutralität für alle

Die Piratenpartei drängt mit ihrem Wahlprogramm auf eine Pflicht für die Öffentlich-Rechtlichen, ihre Produktionen dauerhaft in offenen Formaten online zu stellen. Zudem sollen Überwachungsgesetze gekippt und Netzneutralität gesetzlich verankert werden.

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Die Piratenpartei drängt mit ihrem Wahlprogramm, das jetzt größtenteils in der abgestimmten Version vorliegt, auf eine Pflicht für die öffentlich-rechtlichen Sender, ihre Produktionen dauerhaft in offenen Formaten online zu stellen. Die derzeitige Vorgabe zum "Depublizieren" von Sendungen nach spätestens sieben Tagen will sie damit quasi umkehren. Generell fordern die Piraten einen freien Zugang zu öffentlichen Inhalten – das soll für alle "Texte, Daten und Medien" gelten, in deren Erzeugung und Aufbereitung die Allgemeinheit jedes Jahr viele Milliarden Euro investiere.

Im Bereich Wissenschaft soll ein zentrales Kriterium bei der Vergabe öffentlicher Fördermittel sein, dass Forschungsergebnisse rasch nach dem Open-Access-Prinzip publiziert werden. Momentan noch im Informationsfreiheitsgesetz des Bundes bestehende "Spielräume zur systematischen Umgehung" der Auskunftspflichten wollen die Piraten beseitigen. Langfristig soll im Internet ein Bürgerinformations-Portal geschaffen werden, in das Behörden öffentliche Daten von sich aus einstellen müssen.

Am Anfang des Programms steht das Kapitel Freiheit und Grundrechte. Die Piraten wollen sich demnach verstärkt für Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung einsetzen. Personenbezogene Informationen sollen sparsam erhoben, zweckgebunden verwendet und allenfalls eingeschränkt weitergegeben werden. Im Sinne der Informationssicherheit soll "die Vertraulichkeit bei Übertragung und Zugriff sowie die Integrität der gespeicherten Daten gewährleistet sein". Die Wirtschaft dürfe Bürger nicht durchleuchten.

Eine verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung lehnt die Partei grundsätzlich ab, sie spricht sich daher deutlich dagegen aus, Überwachungssoftware herzustellen, zu warten, zu betreuen und zu erhalten. Heimliche Eingriffe in IT-Systeme durch Bundes- oder Staatstrojaner für Online-Durchsuchungen oder Quellen-Telekommunikationsüberwachung sieht die Partei als "nicht mit Grundrechten und Rechtsstaat" vereinbar an. Bereits bestehende Befugnisse müssten abgeschafft oder zumindest streng reglementiert und kontrolliert werden. Der Schutz der Privatsphäre vor staatlicher Überwachung soll genauso im Grundgesetz festgeschrieben werden wie das Recht auf freie Meinungsäußerung in digitalen Netzwerken.

Unter dem Punkt Datenschutz hat es auch ein Antrag in das Programm geschafft, wonach Internetprovider, WLAN-Anbieter und Betreiber von Online-Speicherdiensten in Zukunft nicht mehr verpflichtet sein sollen, "Rechtsverletzungen anderer Personen nach Art einer Privatpolizei präventiv zu verhüten".

Im Bereich innere Sicherheit wollen die Piraten mit einem "Freiheitspaket" nicht nur den Bundestrojaner wieder abschaffen, sondern parallel auch eine Reihe "unnötiger und exzessiver Überwachungsgesetze" der vergangenen Jahre. Dazu zählen gemeinsame Datenbanken von Polizei und Geheimdiensten – zum Beispiel die Anti-Terror-Datenbank, die flächendeckende Erhebung und Speicherung biometrischer Daten in RFID-Ausweisen, die lebenslängliche Steuer-Identifikationsnummer, die elektronische Gesundheitskarte und der Identifizierungszwang für Handy- und Internetnutzer. Dafür soll der anonyme Zugang zum Netz gesetzlich garantiert und Nutzern sozialer Netzwerke zumindest ein pseudonymer Zugang gewährt werden.

Im Kapitel Netzpolitik wirbt das Programm auch für ein Aus für den Hackerparagraphen und für "freie, rechtskräftige digitale Signaturen und E-Mail-Verschlüsselung für alle". Dazu soll ein staatlich finanziertes Trustcenter errichtet werden, das es allen Menschen unabhängig vom Einkommen zum Beispiel ermöglicht, Dokumente und E-Mails "für eine abhörsichere Korrespondenz zu verschlüsseln".

Netzpolitisch macht sich die Partei zudem für eine Reform des Urheberrechts im Einklang mit einem Vorschlag der NRW-Piraten vom vergangenen Herbst stark. Ein Nutzungsrecht an Werken soll demnach nur noch maximal für 20 Jahre an Verwerter übertragen werden können, Schutzfristen sollen verkürzt werden. Privatkopien digitaler Inhalte wollen die Piraten unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Vorlage zulassen. Bei gewerblichen Schutzrechten sprechen sie sich ebenfalls für kürzere Laufzeiten sowie gegen Patente auf Software, Geschäftsmethoden und Gensequenzen aus.

Die derzeitige Klausel im Rechtssystem, die bei Veröffentlichungen im Internet eine Klage letztlich an jedem Ort der Republik zulässt, lehnt die Partei ab. Sie will den vor allem bei Urheberrechtsverstößen im Netz greifenden "fliegenden Gerichtsstand" kippen. Laut einem gesonderten Antrag soll zudem die Netzneutralität gesetzlich verankert und die "diskriminierungsfreie Übertragung von Daten" im Internet gewährleistet werden. Eingriffe in die Vermittlungsschicht und das Betrachten durchgeleiteter Daten auf der Transportschicht sollen verboten werden. (jss)