Pkw-Verbrauchsdaten: Bundesregierung will Fahrgestellnummer raushalten

Von 2022 an müssen Autos Daten etwa zum Sprit- und Stromverbrauch gebündelt an die EU-Kommission senden, gläsern sollen die Fahrer aber nicht werden.

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(Bild: Wolfilser/Shutterstock.com)

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Die Bundesregierung drängt bei der Übermittlung des Kraftstoff- oder Stromverbrauchs von Kraftfahrzeugen an die EU-Kommission auf einen bestmöglichen Schutz der Privatsphäre der Fahrzeugführer. Berlin schätzt die Konsequenzen für die Persönlichkeitsrechte der Halter und Fahrer zwar als gering sein, meint aber: "Gleichwohl wäre eine Lösung, die die Ziele der Regulierung auch ohne Erfassung der Fahrgestellnummer erreicht, aus Datenschutzsicht vorzugswürdig."

Laut den EU-Vorgaben müssen in den Mitgliedsstaaten neu zugelassene Fahrzeugtypen schon seit Anfang 2020 mit einem Verbrauchsmessgerät in Form eines "On-Board Fuel Consumption Meter" (OBFCM) ausgestattet sein. Dabei werden etwa der Kraftstoffverbrauch, die zurückgelegte Strecke, der Kraftstoffdurchsatz des Wagens und des Motors und die Fahrgeschwindigkeit gespeichert.

Die Auflage gilt seit 1. Januar 2021 auch für alle Neuwagen. Der nach Hause telefonierende Apparat erfasst Fahrzeug-, Motor-, Kraftstoff- oder Stromangaben und sendet diese Daten über eine standardisierte Schnittstelle zunächst an die jeweiligen Hersteller. Bei Plug-in-Hybriden soll zusätzlich die Nutzung der jeweiligen Antriebstechnik erfasst werden.

Im Rahmen eines zunächst bis 2026 angesetzten Pilotprojekts müssen die Verbrauchsdaten des Antriebs vom kommenden Jahr an gebündelt regelmäßig über die Fahrzeugbauer an die Kommission gesendet werden. Um Manipulationen zu verhindern, ist vorgesehen, dass auch technische Prüfstellen wie der TÜV die Messwerte parallel erfassen. Sie sollen dann von der Europäischen Umweltagentur (EUA) ausgewertet werden. Die Details legen die EU-Länder gerade in noch laufenden Verhandlungen mit der Kommission in einem eigenen Durchführungsrechtsakt fest.

Seit über einem Jahr gibt es Befürchtungen, dass das "Fuel Consumption Monitoring" (FCM) zum gläsernen Autofahrer führt. Fest stand aber frühzeitig, dass persönliche Daten zu Fahrzeugeignern wie Namen oder Adresse weder erfasst noch übertragen werden sollen. Der Transfer der Fahrzeug-Identifizierungsnummer sei jedoch vorgesehen, erklärt die Bundesregierung in einer heise online vorliegenden Antwort auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion. Dabei gehe es darum, "die Lücke zwischen offiziellen Angaben und Realverbrauch" genau bestimmen zu können.

Diese Diskrepanz zwischen den Verbrauchsversprechen der Hersteller und etwa dem Spritschlucken auf der Straße ist zwar in den vergangenen Jahren kleiner geworden, aber immer noch beträchtlich. Die Umweltorganisation "International Council on clean Transportation" (ICCT) schätzte 2019, dass der Realverbrauch damals um durchschnittlich 39 Prozent höher lag als die Werksangabe. Mit dem Heranziehen der Fahrgestellnummer sollen daher die erhobenen offiziellen CO2-Angaben und weitere technische Daten zu den OBFCM-Messwerten auch im zeitlichen Verlauf eindeutig zugeordnet werden können.

Die Bundesregierung sieht hier aber keinen Grund zur Aufregung. "Eine Anonymisierung der OBFCM-Daten wird durch die alleinige Übertragung der Fahrzeug-Identifizierungsnummern an die Kommission versucht", meint sie. "Eine zusätzliche Pseudonymisierung ermöglicht jedoch den Verzicht auf die Übertragung" der Fahrgestellnummer, spricht sich das federführende Bundesumweltministerium (BMU) für weitere Schutzmaßnahmen aus. Die Bundesregierung unterstütze "die zeitnahe Einführung eines derartigen Verfahrens".

Eine vollständige Anonymisierung der Verbrauchsinformationen von vornherein würde eine weitere Pseudonymisierung – also das Ersetzen eines Identifikationsmerkmals wie der Fahrzeug-ID etwa durch einen Code – zwar erübrigen. Im Kern wird aber deutlich, dass das BMU im Bereich Datenschutz noch Verbesserungspotenzial bei dem angedachten Verfahren sieht. Sicher ist es sich bereits, dass mit den zu übertragenden Informationen keine Bewegungsprofile erstellt werden könnten. Das Ministerium erwartet auch, dass der einschlägige, noch zu verabschiedende Durchführungsrechtsakt mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vereinbar sein wird.

Schon jetzt sei vorgesehen, dass OBFCM-Daten nur für eine begrenzte Zeit gespeichert werden dürften, führt die Regierung aus. Für die Weitergabe an private Akteure "gibt es weder auf EU-Ebene noch in Deutschland eine gesetzliche Grundlage". Sie gehe zudem davon aus, "dass Fahrzeughalter die Erfassung der OBFCM-Daten ablehnen können". Auslesbar seien sie über Scanner zur On-Board-Diagnose (OBD), Fahrer oder Halter könnten die Messwerte auch selbst verwenden.

"Selbst die Bundesregierung hat Bedenken bezüglich der bisherigen Pläne für Pkw-Verbrauchsdaten", erklärte der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Oliver Luksic, gegenüber heise online. "Bei diesem heiklen Thema braucht es soliden Datenschutz, gerade im Hinblick auf personenbezogene Informationen." Der Liberale appellierte daher an den Bund, "bei der Kommission für eine stärkere Anonymisierung und begrenzte Speicherzeiten" zu werben. Ein "Pkw-Datenkrake" ohne strikte Regeln gefährde dagegen das Vertrauen der Bürger und träfe vor allem die angeschlagene Autoindustrie.

(mho)