Datenweitergabe an Schufa: Mobilfunkanbietern droht Klagewelle

Mobilfunkanbietern drohen massenweise Klagen, weil sie Vertragsdaten an die Schufa weitergegeben haben. Der Auskunftei selbst dräut auch rechtliches Ungemach.

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(Bild: nitpicker/Shutterstock.com)

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Auf deutsche Mobilfunkanbieter könnte schon bald eine Klagewelle zurollen, weil sie im großen Stil Vertragsdaten von Handy-Kunden ohne deren Einwilligung an Wirtschaftsauskunfteien wie die Schufa weiterleiten und so zur Auswertung und Profilbildung freigeben. "Wir haben mittlerweile die Datenschutzbestimmungen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen aller gängigen Mobilfunkbetreiber in Deutschland überprüft", erklärte Rechtsanwalt Christian Solmecke von der Kölner Kanzlei WBS am Freitag. Es sei erschreckend, dass kaum einer der Anbieter wie Deutsche Telekom, Vodafone, Telefónica mit O2, Drillisch, Freenet oder Mobilcom-Debitel seine Übermittlungspraxis angepasst habe. Betroffene könnten sich aber rechtlich dagegen wehren, wobei ihnen bis zu 5000 Euro Schadensersatz zustehe.

"Das sind Schadensersatzzahlungen, die etliche Gerichte in der Vergangenheit bei illegalen Schufa-Einträgen auch genau so ausgeurteilt haben", erläutert Solmecke. Gemeinsam mit der ebenfalls in Köln verankerten Rechtsberatungsplattform Legalbird will WBS Klagewillige unterstützen und sieht dabei "große Parallelen zu den Facebook-Datenleck-Fällen". Das Interesse ist groß: "Bislang haben sich rund 100.000 Verbraucher bei uns gemeldet", berichtet Andreas Quauke von Legalbird. "Wir prüfen jetzt in jedem Einzelfall, ob ein Vorgehen sinnvoll ist." Zunächst arbeite man mit Klagewilligen, die eine Rechtsschutzversicherung haben, da die Rechtslage noch nicht zu 100 Prozent geklärt sei und man das Kostenrisiko für die Mandanten gering halten wolle. In einem weiteren Schritt wolle man dann "auch ein Modell für alle anderen finden". Die ersten Klagen seien raus. Tausende weitere Verfahren "an allen Landgerichten Deutschlands" folgten in den nächsten Monaten.

"Wir haben bereits über 15.000 Schufa-Auszüge für unsere Mandanten angefordert und nach den ersten 3500 Datensätzen festgestellt, dass jeder dritte Mobilfunkvertrag tatsächlich auch betroffen ist", konstatiert Quauke. "Entsprechend viele illegale Einträge gibt es deshalb bei der Schufa." Spitzenreiter sei Vodafone mit 35 Prozent, gefolgt von Telefónica und der Telekom (26 beziehungsweise 17 Prozent). In dem Streit geht es um sogenannte Positivdaten. Das sind Informationen wie die Anzahl laufender und alter Verträge mit verschiedenen Anbietern oder zu bezahlten Rechnungen. Auch diese vermeintlich neutralen Informationen lassen WBS zufolge negative Rückschlüsse etwa auf Anbieter-Hopping zu. Die Datenschutzkonferenz von Bund und Ländern hält für die Verarbeitung solcher Daten eine "wirksame Einwilligung" für nötig.

Verbraucherschutzzentralen zogen wegen der umkämpften Klauseln zur Datenweitergabe bereits vor Gericht. Das Landgericht München I urteilte im April 2023 in einem Verfahren gegen Telefónica, dass der Konzern eine freiwilliges Opt-in zum Datentransfer hätte nachweisen müssen (Az.: 33 O 5976/22). Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Eine weitere Klage gegen die Telekom wies das Landgericht Köln zwar aus prozessualen Gründen in erster Instanz ab (Az.: 33 O 376/22). Inhaltlich vertrat es aber eine ähnliche Ansicht wie die Kollegen in München. Hier läuft das Berufungsverfahren. Eine Schufa-Sprecherin betonte gegenüber heise online, dass die Auskunftei für ihre Wahrscheinlichkeitswerte ("Scores") über die Bonität der Bürger schon seit März 2022 "keine neuen Vertragsdaten mehr aus dem Telekommunikationsbereich" nutze. Man prüfe, auch einschlägige Alt-Informationen nicht mehr zu verwenden.

Auch die Schufa selbst könnte aber bald von einer Klagewelle erfasst werden, weiß der NDR. Derzeit bringe sich dafür der bayerische Prozessfinanzierer EuGD im Vorfeld eines für den Herbst erwarteten Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Stellung, um im Namen von Verbrauchern gegen das Wiesbadener Unternehmen vorzugehen. EuGH-Generalanwalt Priit Pikamäe geht davon aus, dass die automatisch erstellten Scores der Auskunftei nicht mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vereinbar sind. Die Schufa spielt ihre Bedeutung dabei mittlerweile herunter. Trotzdem bietet EuGD schon eine Prüfung von Ansprüchen Betroffener gegen das Unternehmen an. Schadenersatz soll dann mit Spirit Legal aus Leipzig erfochten werden. Aufgrund vergleichbarer Urteile sei mit bis zu 2500 Euro pro Fall zu rechnen.

(olb)