Smartphone-Daten sollen helfen, den Brücken-Zustand zu bewerten

Bei Autofahrten über Brücken erfassen Smartphones Vibrationen. Diese wollen Forscher nutzen, um frühzeitige Hinweise auf den Brückenzustand zu liefern.

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Brücke

4.000 Autobahnbrücken in Deutschland müssen dringend saniert werden.

(Bild: Shutterstock/Ulf Wittrock)

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Mit Hilfe von per Smartphone erfassten Daten könnte die Sicherheit von Brücken viel schneller und kostengünstiger überwacht werden, als dies derzeit möglich ist. Das ist der Kern der Idee einer Forschergruppe. Im besten Falle könnten Ingenieure im Vorfeld Daten zur Reparatur zur Verfügung stehen, bevor die Brücken gefährlich instabil werden.

Bislang erfolgt das Brücken-Monitoring auf zwei Arten: Entweder begehen Ingenieure die Bauwerke vor Ort und schauen nach Rissen oder anderen Fehlern oder an den Brücken angebrachte Sensoren erfassen Daten über Vibrationen und Bewegungen. Die neue Methode soll nun beides überflüssig machen. Verwendet werden Beschleunigungsdaten von Smartphones, während diese mitsamt ihren Besitzerinnen und Besitzern in Autos über die Brücken fahren.

Als Testobjekte dienten den Forschern die Golden Gate Bridge in San Francisco und eine Stahlbetonbrücke in Italien. Für die Datensammlung auf der Golden Gate Bridge fuhren die Forscher 102 Mal mit den Smartphones über die Brücke. Des Weiteren bezog man Daten von 72 Fahrten von Uber-Fahrern mit aktivierten Telefonen mit ein. Anschließend verglich das Team die gewonnenen Daten mit denen einer Gruppe von 240 Sensoren, die drei Monate lang an der Golden Gate Bridge angebracht worden waren. Im Ergebnis zeichneten die Daten der Telefone dieselben Daten der Brückensensoren auf. Dabei handelte es sich vor allem um auftretende Vibrationen.

Die Forscher stellten zudem fest, dass Daten von nur zwei Smartphones reichten, um eine ähnliche Genauigkeit wie 240 stationäre Sensoren zu liefern. Durch die Smartphone-Daten sei eine kontinuierliche Überwachung der strukturellen Veränderungen innerhalb einer bestimmten Zeitspanne möglich, so die Forscher, zu denen auch Carlo Ratti vom MIT Senseable City Laboratory gehört. Ihre Forschungsarbeit wird in einer Studie in "Communications Engineering" beschrieben.

Die Forscher schätzen, dass – auf Basis des Konzepts Crowdsourcing – die Überwachung dieser Art von Smartphone-Daten während der gesamten Lebensdauer einer Brücke die Nutzung des Bauwerks um bis zu 14 Jahre verlängern könnte. Vorausgesetzt, Wartungsteams erledigen die anfallenden Reparaturen rechtzeitig.

Dass zahlreiche Brücken in Deutschland in schlechtem Zustand sind, ist kein Geheimnis. Für fast 40.000 Brücken an Autobahnen und Bundesfernstraßen ist der Bund zuständig. Auf dem sogenannten "Brückengipfel" im März dieses Jahres kamen Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Vertreter der Bauwirtschaft, von Behörden sowie von Natur- und Umweltschutzverbänden zusammen. Dabei kam heraus: 4.000 Autobahnbrücken müssen dringend saniert werden. In der Vergangenheit sei zu wenig in die Sanierung investiert worden, so Wissing. Ab 2026 sollen die Bundesmittel zur Brückensanierung auf 2,5 Milliarden Euro pro Jahr erhöht werden. Dies sei eine Milliarde Euro mehr als heute.

Bei den bereits bekannten Brücken-"Notfällen" kann das neue Konzept der Forscher also erstmal nichts ausrichten. Wohl aber bei einer weitsichtigeren Planung, um es gar nicht erst zu einem Investitionsstau kommen zu lassen.

Trotzdem fehlt noch einiges, um diese Technik in die Praxis umzusetzen, sagt Ahmet Emin Aktan, Professor für Bau-, Architektur- und Umwelttechnik an der Drexel University, der nicht an der Studie beteiligt war. Er glaubt, dass es noch lange dauern wird, bis die Technik auf breiter Front eingesetzt werden kann.

Aktan geht davon aus, dass Begehungen in den nächsten 10 bis 20 Jahren die wichtigste Methode zur Überwachung von Brücken bleiben werden. Denn sowohl an den Brücken angebrachte Sensoren als auch die Daten von Smartphones sind schwieriger zu interpretieren als das, was Ingenieure mit ihren eigenen Augen sehen. Selbst so gewöhnliche Dinge wie das Wetter oder Schwankungen in der Verkehrsbelastung können das Verhalten und die Bewegung von Bauwerken beeinflussen, was sich wiederum auf die Daten auswirken kann. Zum Beispiel werden sie bei kälterem Wetter steifer.

Aber irgendwann, so glaubt er, wird die Industrie wahrscheinlich eine Kombination aus Inspektion und den von Smartphones gesammelten Daten nutzen wollen.

(jle)