Sorge um "Doppelgebühr" durch Verschlüsselung des Digital-TVs

Angesichts der Konvergenz der Medien und dem Aufkommen von IPTV planen Regulierer den Abschied vom traditionellen Rundfunkbegriff und streiten über Themen wie Grundverschlüsselung, Werberichtlinien und Zugangsrechte.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 145 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Angesichts der fortschreitenden Konvergenz der Medien planen Regulierer und Politiker den Abschied vom traditionellen Rundfunkbegriff und streiten mit Anbietern über Themen wie Grundverschlüsselung, Werberichtlinien und Zugangsrechte. "Mit der Digitalisierung steht unser duales Rundfunksystem vor der größten Herausforderung seiner Geschichte", erklärte der nordrheinwestfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers Anfang der Woche bei der Eröffnung des Medienforums NRW in Köln. Das werde insbesondere am Streitthema der Verschlüsselung von TV-Inhalten deutlich, wie diese etwa im Satellitenbereich bereits praktiziert werde. Technisch sei das kein Problem, auch den Wunsch der Anbieter, "die übertragenen Inhalte zu verschlüsseln und sich die Entschlüsselung bezahlen zu lassen", hält der CDU-Politiker für "berechtigt". Die Gebührenzahler dürften aber nicht gezwungen werden, aufgrund der Verschlüsselung eine "Doppelgebühr" zu bezahlen.

Lösungsvorschläge für die neuen Herausforderungen für die Regulierer sind noch Mangelware. "Manche Kritiker sagen, dass mit der Digitalisierung der Wilde Westen in die Medienwelt Einzug gehalten hat", veranschaulichte Rüttgers die Misere. Andere würden die konsequente Ausarbeitung einer neuen Medienordnung fordern. Eine erste Antwort in Form des Versuchs der EU-Kommission zur Novelle der Fernsehrichtlinie ist jedoch heftig umstritten. Das fängt bereits bei der geplanten Ausweitung medienrechtlicher Bestimmungen für allgemeine Programmgrundsätze, Jugendschutz oder Werbung und Sponsoring auf alle audiovisuellen Bewegtbilder unabhängig von der genutzten Plattform oder dem verwendeten Netz an. Man müsse auch künftig etwa bei IPTV unterscheiden, ob das über das Internet verbreitete TV-Angebot ein "Abruf- oder ein Rundfunkdienst" sei, fordert der Direktor der Niedersächsische Landesmedienanstalt, Reinhold Albert. "Strukturelle Fragen" dürften hier nicht aus den Augen verloren werden.

Hauptstreitpunkt sind die Brüsseler Pläne zur Regulierung der Werbung in AV-Diensten. Ex-RTL-Chef Helmut Thoma bezeichnete sie auf dem Medienforum als "absurd und völlig sinnlos", weil die Auflagen praktisch dauernd unterlaufen würden. Die Freigabe sämtlicher Werbeformen im Rundfunkbereich hält der Münsteraner Rechtsprofessor Bernd Holznagel aber für problematisch. Er erinnerte daran, dass das Gebot zur Trennung von Werbung und Programm ein auch vom Bundesgerichtshof hochgehaltener "hehrer Grundsatz" hierzulande sei. Wenn sich die Rundfunkanbieter dafür entscheiden würden, ihr Angebot nicht mehr als Kulturgut, sondern nur noch als Ware und Dienstleistung aufzufassen, dürften für sie verfassungsrechtlich garantierte Schutzrechte nicht mehr gelten. "Das war's dann mit dem Rundfunk", erklärte Holznagel. Die bisher beanspruchten Funkspektren müssten wie im Mobilfunk versteigert werden, insgesamt würde das Telekommunikationsrecht gelten.

In dieser Hinsicht hält Holznagel die von der EU-Kommission angekündigte Überprüfung der Telekommunikationsrichtlinien für wichtiger als die Revision der Fernsehdirektive. Dabei werde diskutiert, IPTV völlig aus der Regulierung etwa von Zugangsverpflichtungen oder Regeln zum Anbieten gewisser Programme herauszunehmen. Die vor allem von Microsoft forcierte Form der Fernsehübertragung hätte damit "einen viel besseren ökonomischen Rahmen als das Kabelfernsehen". Gleichzeitig würde den Redmondern die Standardsetzung auch für Endgeräte überlassen, sodass viele Verbraucher sich neue Fernseher oder Set-Top-Boxen anschaffen müssten.

Ganz von der Regulierung verabschieden wollen sich daher auch Verfechter der Interessen großer privater TV-Sender nicht. Sie fürchten die Konkurrenz der Telekommunikationsanbieter im Bereich der Vermarktung von Inhalten. Telcos würden Milliarden in Frequenzen und den Ausbau ihrer Leitungen für das viel beschworene, auf TV-Inhalte ausgerichtete Gesamtangebot Triple Play investieren, was sich letztlich nur über den Verkauf von Content refinanziere, weiß Thoma. Hier hält er eine "gewisse europaweite Abklärung" für wichtig, wer was mit welchen Mitteln übertragen dürfe. Gleichzeitig tat er die Aufwendungen der Telcos für IPTV als "völlig sinnlos" ab. Die Zuschauer würden sich schließlich "keine Megabytes anschauen, sondern Programme". Allein die Inhalte würden zählen, wobei die klassischen TV-Anbieter ihre Kompetenz ausspielen und bei ihren angestammten Übertragungswegen bleiben könnten. (Stefan Krempl) / (pmz)