Spekulationen über ARM-Technik bei AMD

Heute will der neue AMD-Chef Rory Read die eigene Belegschaft über seine Strategie aufklären; dazu könnten auch ARM- statt x86-Kerne zählen.

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Zwar hat AMD im letzten Quartal schwarze Zahlen geschrieben, doch die Firma befindet sich in schwerem Fahrwasser: Der als High-End-Prozessor entwickelte FX mit Bulldozer-Kernen enttäuschte bei seinem verspäteten Erscheinen, die neue Mittelklasse der Serie A kämpft mit schwacher CPU-Performance und Lieferengpässen. Der Zulieferer Globalfoundries, die ehemalige AMD-Fertigungsabteilung, kann bisher nicht so viele Prozessoren mit 32-Nanometer-Technik produzieren wie AMD verkaufen könnte. Der seit August amtierende CEO Rory Read, ein ehemaliger Lenovo-Mann, verpasst seiner Firma eine Rosskur: Rund 1400 Mitarbeiter mussten gehen, vor allem im Marketing. US-Medien berichten, dass sie keinen ihrer üblichen Ansprechpartner mehr erreichen. Außerdem hat Read das Unternehmen umstrukturiert und neue Abteilungen wie die Commercial Business Division – für Server- und Embedded-Systems-Prozessoren sowie Profi-GPUs – sowie die Technology and Engineering Group geschaffen.

Möglicherweise setzt Read stärker auf das OEM-Geschäft, also vergleichsweise wenige Großkunden. Heute will er der AMD-Belegschaft in einem "Worldcast" Details seiner Strategie erläutern, sofern ein im Internet anonym veröffentlicher Text tatsächlich aus der E-Mail stammt, die Read aus Anlass der Entlassungen verschickte. Darin heißt es, die Angriffsstrategie ziele auf "sparsame Geräte, neue Märkte und die Cloud".

Sicherlich hat die AMD-Führung erwogen, ob Prozessorkerne der britischen Entwicklerfirma ARM eine Alternative oder Ergänzung zur x86- beziehungsweise x64-Technik sein können. Vermutlich würden Lizenzzahlungen an ARM sogar niedriger ausfallen als an Intel. Doch mit Android und Windows 8 dürfte einerseits zwar ein breiterer Markt für sparsame ARM-SoCs für Tablets und vielleicht sogar Notebooks entstehen, andererseits lauern hier aber noch mehr etablierte Konkurrenten als im x86-Bereich: Etwa Qualcomm, Samsung, Texas Instruments oder auch Nvidia. Der Preiskampf dürfte also noch härter toben. AMD könnte auch bei Server-SoCs mit künftigen A64-Cores punkten: Hier stehen zwar mit Appliedmicro, Calxeda oder Marvell ebenfalls schon Konkurrenten in den Startlöchern, denen AMD aber bereits eine Dekade an Erfahrung mit Serverprozessoren voraus hat. Doch wie groß das Marktpotenzial für ARM-Server überhaupt ist, darüber streiten sich Experten noch heftig.

Mit den Atom-Konkurrenten C-50/C-60 (Ontario) beziehungsweise E-350/E-450 (Zacate) hat AMD jedenfalls einen Treffer gelandet. Diese Chips produziert der weltgrrößte Auftragsfertiger TSMC mit 40-Nanometer-Technik, anscheinend ohne Lieferschwierigkeiten: Sofern die in einem Investorenforum veröffentlichten Zahlen der Marktforschungsfirma Mercury Research stimmen, beträgt der Anteil der TSMC-CPUs schon fast 40 Prozent der gesamten Stückzahl der von AMD verkauften Prozessoren. Die absolute Zahl der aus Dresden zugekauften Chips ist demnach im Jahresverlauf erheblich gesunken; auch das hat dazu beigetragen, dass AMD – wie Intel nun schon länger – mehr Mobil- als Desktop-Prozessoren verkaufen konnte.

Mobilprozessoren (und auch Serverprozessoren) werden praktisch ausschließlich an große PC-Hersteller verkauft. Für dieses Geschäft braucht man keine große Marketingabteilung. Wichtiger ist, dass man gute Preise anbietet und jederzeit zuverlässig liefert. Möglicherweise ist es in Zukunft auch nicht mehr so wichtig, ob der Chip nun x86- oder ARM-Rechenwerke besitzt. Einen ordentlichen Grafikprozessor hat AMD ja schon; man munkelt allerdings, dass der im Januar entlassene AMD-CEO Dirk Meyer auch darüber stolperte, dass er in finanzieller Not ausgerechnet die ehemalige Smartphone-GPU-Sparte von ATI an Qualcomm verkaufte – die Basis der Adreno-GPUs, die wohl ab 2012 in Windows-Tablets mit Qualcomm-SoCs werkeln werden. Anders als Smartphones, wo es auf jedes Hundertstelwatt ankommt, dürften Windows-8-Tablets aber auch mit einem vergleichsweise kräftigeren Radeon-HD-Kern noch recht lange durchhalten.

Es wird also spannend: Will Rory Read mit AMD in das Haifischbecken der ARM-SoC-Entwickler springen oder hat er gute Argumente, um weiter im x86-Markt gegen Intel zu ackern, wo der Profit pro Chip bislang deutlich höher liegt? Reads Personalpolitik verrät bisher nichts Konkretes, obwohl einige x86-Verantwortliche wie Rick Bergman gehen mussten und er stattdessen SoC- und Mobilspezialisten wie Mark Papermaster und Paul Struhsaker anheuerte. (ciw)