Strom aufrüsseln: Matrix Charging günstiger als Induktion

Ein konduktives Verbindungssystem soll das Laden von Elektroautos günstiger als mit induktiven Alternativen automatisierbar machen.

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Ein Kasten im Asphalt auf einer Parklücke, über den ein Auto fährt, kann Laden von E-Autos automatisieren.

Konduktives Laden soll eine Möglichkeit sein, E-Autos günstiger und automatisiert zu laden.

(Bild: Easelink)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Clemens Gleich

Ein wichtiges Feature künftiger Fahrzeugflotten wird das Lademanagement werden. Elektrofahrzeuge sollten auf dem eigenen Platz, an Taxiständen oder in automatisierten Parkhäusern größtenteils automatisiert laden können. Dazu gibt es verschiedene Ansätze. Manche Robotik-Experten testen Roboter-Arme, die kamerageführt ein normales Ladekabel in die Ladedose des Autos stecken. Das ist jedoch relativ teuer und fehleranfällig, weil zum Beispiel die Öffnung der Ladeklappe nicht standardisiert ist. Woher soll der Roboter wissen, wie die jeweils aufgeht? Selbst der Mensch muss beim Markenwechsel oft erst einmal herumfummeln. Die technisch elegante Lösung heißt Induktion: Spulen im Boden übertragen Energie auf Spulen im Fahrzeug. Diese Lösung benötigt jedoch vergleichsweise viel Kupfer und Platz am Fahrzeug. Das treibt die Kosten in die Höhe.

Die Firma Easelink aus Graz in Österreich will mit ihrem "Matrix Charging" Induktion bei Kosten, Gewicht und Bauraum am Fahrzeug deutlich schlagen und beim Komfort gleichziehen. Die Lösung setzt auf Konduktion, also leitende Kontakte. Die Leistung liegt bei bis zu 22 kW AC oder 50 kW DC und kann in beide Richtungen übertragen werden. Eine so ausgestattete Fahrzeugflotte kann damit Regelenergie bereitstellen. Die Kosten hat Easelink auf etwa ein Drittel einer funktional gleichwertigen Induktionslösung benchmarken lassen. Der Kostenvorteil entsteht hauptsächlich daraus, dass die konduktive Lösung weder teure Spulen noch zusätzliche Leistungselektronik benötigt. Es entsteht ein weiterer (kleiner) Kostenvorteil im Betrieb durch die im Vergleich zu Induktion wesentlich geringeren Übertragungsverluste.

OEM vs. Nachrüstung (2 Bilder)

Die Nachrüstlösung, wie sie auch bei eTaxi Austria zum Einsatz kommt, trennt Ladebuchse und Matrix Charger über einen Verteiler. Zusätzlich erhält das Fahrzeug ein kleines Anzeige- und Bedienelement, mit dem man das Auto positionieren und den Ladevorgang starten kann.
(Bild: Easelink)

Die namensgebende Matrix des Systems besteht aus runden Kontakten auf einem Pad, das entweder auf dem Boden liegt (Garage, Firmenparkplätze) oder bündig in den Boden eingelassen wird (öffentliche Wege mit gemischten Verkehrsteilnehmern). Am Fahrzeugboden wird ein kleiner Kasten installiert. Beim Anfahren hilft ein Ultrabreitband-Funksystem vom Halbleiterhersteller NXP, das Fahrzeug über die Kontaktplatte zu positionieren. Bei einem menschlichen Fahrer zeigt das System Pfeile an, die Daten könnten jedoch auch an ein automatisches Parksystem geschickt werden.

Passt die Position und die restlichen Fahrzeugparameter (z. B. Fahrbereitschaft aus), öffnet sich eine Klappe im kleinen Kasten am Fahrzeugboden und ein Faltenbalg-Rüssel senkt sich mit einer leichten Drehung auf die Ladeplatte. Dabei reinigen kleine Wischer die Kontakte von eventuellen Verunreinigungen. Magnete rasten den Rüssel in der richtigen Position ein. Jetzt findet der Datenaustausch statt, zum Beispiel über Plug and Charge nach ISO 15118. Nach erfolgreichen Verhandlungen schaltet die Platte die benutzten Leistungskontakte unter Spannung und die Ladung beginnt.

Da der Strom so hineinkommt wie beim Stecker auch, läuft er über den vorhandenen Onboard-Charger. Bei der Nachrüstlösung kommt für die zwei Anschlüsse von Ladesteckdose und Matrix Charger ein Verteiler zum Einsatz, der beide Systeme elektrisch sicher trennt. Für die Erstausrüstung soll der Onboard-Charger beide Kabel aufnehmen, im Prinzip wie bei einer zweiten Ladebuchse am Fahrzeug.

Der Faltenbalg gewährleistet den primären Berührungsschutz der Leistungskontakte. Easelink hat jedoch auch an den Fall gedacht, in dem jemand unter das Auto kriecht und den Faltenbalg wegschiebt. Das muss kein Mensch sein, sondern so etwas kann zum Beispiel ein interessierter Marder oder eine Hauskatze tun. Die Geometrie der Matrix fällt so aus, dass der Schutzleiter immer den ersten und letzten Kontakt hat. Zuletzt verbinden sich die Datenkontakte, und dort bricht bei Bewegungen auch als Erstes der Kontakt ab. Die Leistungsleiter werden dann in unter 100 ms spannungsfrei geschaltet. Auch das ähnelt den Auslegungen des Typ-2-Steckers. Easelink erhielt für die Verbindungsbox am Fahrzeug die Zertifizierung ASIL B, in der nach der Norm ISO 26262 sonst am E-Auto auch der Onboard-Charger eingeordnet wird.

Anwendungen Matrix Charging (6 Bilder)

In Wien wird das System zum Laden elektrischer Taxis eingesetzt.
(Bild: Easelink)

Außer wischen kann der Rüssel auch pusten und so zum Beispiel stehendes Wasser von den Kontakten entfernen. Laut Easelink kommt das System so mit den meisten Verschmutzungen im Straßenverkehr zurecht, vor allem mit stehendem Salzwasser im Winterbetrieb. Damit sich kein Eispanzer bilden kann, enthält die Platte einen Heizdraht. An Wartung soll es reichen, das System im Rahmen der regulären Fahrzeugwartung einer Sicht- und Funktionsprüfung zu unterziehen. Es reinigt sich ansonsten selbst.

Für 2027/2028 sind laut Easelink Automodelle mit dem System in der Erstausrüstung in Planung. Das Nachrüstsystem wird es erst einmal weiterhin nur für Projekte wie Taxiflotten geben. Sowohl für die Nachrüstung als auch die Erstausrüstung gibt es noch keine offiziellen Preise, nur die Ansage des deutlichen Preisvorteils gegenüber Induktion. Vielleicht motiviert das ja die Hersteller der induktiven Systeme, auf diese Herausforderung zu antworten.

(cgl)