US-Höchstgericht: Nummernschild ist staatliche Meinungsäußerung

KFZ-Kennzeichen sind eine Äußerung des Staates, nicht des Fahrzeughalters. Dieser hat daher kein Recht auf freie Meinungsäußerung. Das hat der US Supreme Court mit 5:4 Stimmen entschieden.

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Der US Supreme Court hat in einer denkbar knappen Entscheidung die Freiheit der Meinungsäußerung stärker eingeschränkt, als es auf den ersten Blick scheint. Fünf der neun Richter erkannten im Design von Fahrzeug-Kennzeichen eine Meinungsäußerung des ausgebenden Staates, nicht des Fahrzeughalters. Ein Staat, der bestimmte Layouts zulässt, andere aber nicht, verstößt daher nicht gegen das in der US-Verfassung garantierte Bürgerrecht auf freie Meinungsäußerung. In dem Fall ging es nicht um individuelle Buchstaben und Ziffern, sondern um die Bilder und Sprüche darum herum.

Texas unterstützt auch rivalisierende Sportteams von Unis anderer Staaten.

(Bild: Texas)

Mehrere US-Staaten bieten zahlreiche Designs für Nummernschilder mit unterschiedlichen Bildern, Logos und Sprüchen an. Gegen eine zusätzliche Gebühr können sie statt des Standardlayouts gewählt werden. Texas hat über 400 verschiedene Varianten genehmigt, lehnte aber einen bestimmten Vorschlag ab, weil er andere Bürger stören könnte. Der Fall landete vor Gericht. Die vorschlagende Organisation gewann zwar in der Berufung, hat aber vor dem Supreme Court verloren. Der Fall heißt Walker v. Texas Division, Sons of Confederate Veterans.

Die von fünf Richtern getragene Urteilsbegründung stellt auf drei Elemente ab: Erstens würden Nummernschilder schon lange von den Staaten als Sprachrohr genutzt. Zweitens seien sie Eigentum des Staates und dienten als staatliches Ausweisdokument. Und drittens erfolge die Genehmigung der Layouts unter der direkten Kontrolle des Staates.

Die Blechstücke seien gerade kein öffentliches Forum, wie es eine Straße oder ein öffentlicher Park sind. Also handle es sich bei der Gestaltung der Blechtafeln um eine Meinungsäußerung des Staates. Und dieser könne sagen, was er wolle. "Diese Freiheit spiegelt die Tatsache wider, dass es der demokratische Wahlvorgang ist, der zuvorderst eine Kontrolle über die Meinungsäußerung des Staates gewährt", schreiben die fünf Richter.

"Leider ordnet das Gericht private Meinungsäußerung als staatliche Meinungsäußerung ein und beraubt sie jeglichen Schutzes", beklagt indes die abweichenden Meinung, die von den übrigen vier Richtern getragen wird. Wer an einer texanischen Straße sitze, sehe Tafeln mit dem Namen von Schulen, der Freimaurer, katholischer Laien-Orden, einer stark gezuckerten Limonade, eines Schnellrestaurants oder eines Rennfahrers vorbeifahren.

"Ich wäre lieber Golf spielen", sagt Texas.

(Bild: Texas)

"Würden Sie wirklich denken, dass [das] die Meinung des Staates Texas widerspiegelt und nicht jene der Eigentümer der Fahrzeuge?", schreibt die Minderheit, "Wenn ein Auto mit einem Nummernschild, das sagt 'Ich wäre lieber Golf spielen' Montagmorgen 8:30 Uhr vorbeifährt, würden Sie denken 'Das ist die offizielle Politik des Staates – besser Golf zu spielen als zu arbeiten?"

Die Richterminderheit sorgt sich vor allem über zukünftige Auswirkungen des Urteils. Der Staat könne ja auch große Werbetafeln aufstellen, um seine Botschaften zu verbreiten, und diese Flächen dann auch an Dritte vermieten. Das aktuelle Urteil erlaube dem Staat womöglich, nur ihm genehme Inhalte zuzulassen. Auch staatliche Bildungseinrichtungen könnten vielleicht die Inhalte auf ihren Anschlagstafeln bestimmen. Das wäre ein starker Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung, das in den USA sehr hoch gehalten wird.

In North Carolina ist ein ähnlicher Fall anhängig. Dieser Staat gibt Nummernschilder aus, die sich gegen Abtreibungen aussprechen. Schilder mit einem Slogan für das Recht auf Abtreibung wurden hingegen nicht genehmigt.

Unabhängig vom allgemeinen Design der Schilder darf der einzelne Bürger auch eine bevorzugte Kombination aus Buchstaben und/oder Ziffern beantragen. Auch diese individuellen "Vanity Plates" kosten extra. Ob damit der beantragende Kraftfahrer oder die ausstellende Behörde ihre Meinung kundtun, haben die Höchstrichter nicht thematisiert. Andere US-Gerichte haben in Konfliktfällen auch schon für den Bürger entschieden.

Anwalt John T. Mitchell kämpft um sein Recht auf freie Meinungsäußerung.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

In Maryland ist ein kurioser Fall anhängig. Der Anwalt John Mitchell hatte für sein Fahrzeug die Buchstabenreihe MIERDA beantragt und auch erhalten. Nach mehreren Jahren wollte die Behörde das Kennzeichen plötzlich wieder zurückhaben. Mitchell kämpft nun darum, weiter mit dem spanischen Wort für Scheiße herumfahren zu dürfen. Er anerkennt, dass es kein verbrieftes Recht auf selbst gewählte Nummern gibt. Wenn der Staat sie aber anbietet, schaffe er damit ein öffentliches Forum. In diesem gelte das Recht auf freie Rede.

Das aktuelle Urteil des US Supreme Court, auch wenn es nicht auf die Nummern selbst eingeht, unterstützt Mitchells Argumentation nicht. Denn die Mehrheit der Richter erkannte in den Nummernschildern gerade kein öffentliches Forum. In Deutschland stehen bestimmte Kombinationen von Autokennzeichen auf einer schwarzen Liste, und in Österreich wurde gerade ähnliche Bestimmungen für KFZ-Kennzeichen beschlossen.

(ds)