Unterversorgung: Regulierer hat noch keinen Provider zum Anschluss verpflichtet

Das vielbeschworene Recht auf "schnelles" Internet greift bislang nicht: Die Bundesnetzagentur hätte eigentlich schon Anordnungen an Telcos erlassen müssen.

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(Bild: ThomBal/Shutterstock.com)

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Haushalte in Flächenländern, die bisher von der Online-Welt größtenteils abgeschnitten sind, müssen trotz des bestehenden Rechts auf "schnelles" Internet weiter auf einen Anschluss zur Mindestversorgung warten. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) kam zwar bis Ende März in zwölf Fällen zu dem Ergebnis, dass eine Unterversorgung mit Telekommunikationsdiensten nach dem Telekommunikationsgesetz (TKG) besteht. Obwohl die Einstufungen teils bereits über ein Dreivierteljahr zurückliegen, erteilte die Regulierungsbehörde bislang aber innerhalb des vorgesehenen Zeitrahmens keine Aufträge an Provider, die Missstände zu beheben.

Dies geht aus einer jetzt veröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Verordnung über die Mindestanforderungen für das Recht auf Versorgung mit Telekommunikationsdiensten (TKMV) hervor. Zwischen Juni 2022 und Mitte April 2023 erreichten die BNetzA demzufolge 2384 Eingaben über "behauptete Unterversorgungen". Die Mehrheit stammt aus Niedersachsen (492), Nordrhein-Westfalen (445) und Bayern (415). Aus Baden-Württemberg erfolgten 302, aus Rheinland-Pfalz 152 entsprechende Eingaben.

Schon vor dem Inkrafttreten der TKMV seien Meldungen zu Unterversorgungen bei der Bonner Behörde eingegangen, heißt es weiter. Zwischen 1. Dezember 2021 und 31. Mai 2022 habe sich deren Zahl auf 1037 belaufen. Dazu gekommen seien während des gesamten Zeitraums 160 einschlägige Eingaben, die aufgrund unzureichender Adressangaben keinem Bundesland zugeordnet werden konnten.

Zwischen Dezember 2021 und 30. März 2023 hat die BNetzA laut der Auskunft 1966 der insgesamt 3438 Meldungen "unter Einbindung von Telekommunikationsunternehmen abschließend" und verbindlich mit dem Ergebnis bearbeitet, dass sie eine Unterversorgung nicht habe feststellen können, 1472 Eingaben hätten sich Ende März noch in der Bearbeitung befunden. Nur in dem Dutzend Fälle habe das Ergebnis gelautet, dass kein Provider einen angemessenen Internetanschluss zur Verfügung stellen konnte. Diese betreffen insgesamt 29 Flurstücke. Die Einschätzung soll sich in keinem Fall allein auf eine zu geringe Upload-Datenrate beziehungsweise zu hohe Verzögerung (Latenz) bezogen haben.

Bislang habe kein in Frage kommendes Unternehmen wie die Deutsche Telekom freiwillig eine Verpflichtungszusage eingereicht, um die Ansprüche der Betroffenen zu erfüllen, schreibt das federführende Bundesdigitalministerium. Die Regulierungsbehörde habe auch noch keinen Provider im zweiten Gang zum Erfüllen des Anspruchs auf schnelles Netz verdonnert. Das überrascht, denn die BNetzA hatte schon im September bekannt gegeben, sie habe in mehreren niedersächsischen Gegenden im Umfeld von Bremen, Bremerhaven und Hamburg erstmals offiziell bei mehreren Haushalten eine Unterversorgung ausgemacht. Behördenchef Klaus Müller sagte damals zu, es werde nun darum gehen, die benötigten Anschlüsse "so schnell wie möglich herzustellen".

Die Fristen dazu sind gesetzlich eigentlich klar geregelt: Telekommunikationsanbieter können sich innerhalb eines Monats gegenüber der BNetzA zunächst freiwillig zur Versorgung der betroffenen Haushalte melden. Macht kein Unternehmen ein Angebot, soll die Behörde innerhalb von spätestens vier Monaten einen oder mehrere Provider dazu verpflichten, die betroffenen Haushalte mit einem Telekommunikationsanschluss zu versehen und zugehörige Dienste anzubieten. Insofern hätte der Regulierer spätestens Anfang März die ersten entsprechenden Anweisungen erteilen müssen. Die Regierung erklärt dazu nur vage: "Die Verfahren, bei denen eine Unterversorgung bereits festgestellt worden ist, werden zügig fortgeführt."

Laut der im Juni in Kraft getretenen TKMV muss die bereitgestellte Geschwindigkeit mindestens 10 MBit/s im Download und 1,7 MBit/s beim Upload bei einer Latenz von maximal 150 Millisekunden (ms) betragen. Diese Werte sollen jährlich überprüft und angepasst werden. Die Bandbreite muss laut dem Gesetzgeber ausreichen, um ein Mindestangebot an Sprachkommunikation, also Telefon, und zu einem Internetzugangsdienst für eine angemessene soziale und wirtschaftliche Teilhabe zur Verfügung zu stellen. Verpflichtete Anbieter sind gehalten, spätestens nach drei Monaten die Voraussetzungen für die Anbindung zu schaffen. In der Regel sollte das Mindestangebot dann innerhalb von weiteren drei Monaten zur Verfügung stehen. Die konkrete Dauer bis zum begehrten Anschluss hängt laut BNetzA aber etwa davon ab, "ob erhebliche Baumaßnahmen erforderlich sind".

Auch weitere Zusagen gegenüber dem Bundesrat kann beziehungsweise konnte die Exekutive nicht einhalten. "Die Bundesregierung will bereits Mitte 2023 die Mindestbandbreite im Download auf mindestens 15 Megabit pro Sekunde und die Mindestbandbreite im Upload anheben", lautete eine Zusicherung von Anfang Juni. Dazu sollte unter anderem "zum Nutzungsverhalten von Mehrpersonenhaushalten ein weiteres Gutachten in Auftrag" gegeben werden, "damit dessen Ergebnisse bereits bei der ersten Evaluierung der TKMV bis Ende 2022 Berücksichtigung finden können".

Die BNetzA hat laut der Antwort inzwischen zwar "verschiedene Gutachten" ausgeschrieben. Die Ergebnisse lägen aber noch nicht vor. Erst auf deren Basis könne die Regulierungsbehörde eine "rechtssichere Evaluierung" der TKMV durchführen, die Festlegungen zu den Anforderungen an den Internetzugangsdienst im Wege eines Verordnungsverfahrens auf TKG-Basis anpassen sowie sämtliche Anforderungen der TKMV auf den Prüfstand stellen. Hier hinkt die BNetzA dem Zeitplan also bereits Monate hinterher.

(bme)