Urheberrecht: Foto von Fototapete landet beim Bundesgerichtshof

Er möchte bei Webseiten mit Fotos von Fototapeten Urheberrechts-Tantiemen kassieren. Deutsche Gerichte sind sich uneins. Nun zieht er vor den BGH.​

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Skupltur eines tief in gedanken versunkenen Mannes

(Bild: Hung Chung Chih / Shutterstock.com, Skulptur: Auguste Rodin, Der Denker)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Wegen eines Stückes Papier an der Wand verhandelt der Bundesgerichtshof am 27. Juni drei Urheberrechtsfälle. Den Anlass dazu gibt der deutsche Fotograf Stefan Böhme. Er verschickt teure Abmahnungen und führt Prozesse gegen Menschen, die Bilder oder Videos online gestellt haben, in denen im Hintergrund eine tapezierte Wand zu sehen ist. Tapeziert mit einer korrekt gekauften, legalen Fototapete, auf der ein Motiv zu sehen ist, das Böhme aufgenommen hat oder von einer Böhme-Fotografie inspiriert wurde. Damit wird man schnell zum Rechtsbrecher, zumindest wenn man vor dem Landgericht Köln landet, obwohl Böhme seine Bilder für die Tapeten lizenziert hat.

Am LG Köln wurde die Vermieterin einer Ferienwohnung 2022 wegen Verletzung des Urheberrechts des Fototapeten-Fotografen zu einer Schadenersatzzahlung verurteilt (Az. 14 O 350/21). Die Frau hatte ihre Ferienwohnung online mit Fotos beworben. Im Bildhintergrund pickte eine Tapete mit aufgemalter Tulpe an einer Wand. Die Tulpenmalerei war einem Foto nachgeahmt, für das Böhme als Urheber gilt. Der Fotograf hat den Abdruck auf der Tapete zwar genehmigt, nicht aber die Vervielfältigung der Abbildung durch die Ferienwohnungsvermieterin. Für die Frau wurde das teuer. Denn sie hat nach Auffassung des LG Köln die gemalte Tulpe rechtswidrig vervielfältigt und online zugänglich gemacht.

Dabei kann sich das Gericht auf bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) stützen, der vor zehn Jahren eine Leitentscheidung zum Urheberrecht gefällt hat: Im Fall "Möbelkatalog" (Az. I ZR 177/13) legte der BGH die Ausnahme für "unwesentliche Beiwerke" im Urheberrechtsgesetz eng aus. In einem Bild einer Sitzgruppe in einem Möbelkatalog war im Hintergrund ein an der Wand hängendes Gemälde zu sehen. Dessen Maler klagte; Landgericht und Oberlandesgericht Köln stuften das Gemälde als unwesentliches Beiwerk ein, doch der BGH entschied gegenteilig. Das kam den Möbelhändler – und Jahre später die Vermieterin der tapezierten Ferienwohnung – teuer.

In Düsseldorf haben die Richter ähnliche Fototapeten-Fälle anders angefasst. Da der Fotograf bewusst Fotos für Fototapeten an seine eigene Firma lizenziert und dann über diese in Verkehr gebracht hat, sei objektiv zu erkennen, dass er mit der Nutzung seiner Bilder auf Wänden und deren Veröffentlichung im Internet einverstanden ist. Selbst wenn dem nicht so wäre, sei die Urheberrechtsklage ein Missbrauch deutschen Rechts. Ob es sich bei dem Motiv auf der Fototapete um unwesentliches Beiwerk handle, sei unerheblich.

Drei Entscheidungen aus Düsseldorf hat der Bundesgerichtshof nun zur Revision angenommen. Im Verfahren I ZR 139/23 geht es um auf Facebook gepostete Videobeiträge, bei denen im Hintergrund eine fototapezierte Wand zu sehen ist. Das Verfahren I ZR 141/23 erinnert an den Kölner Fall: Eine fototapezierte Wand war auf Fotos auf Hotelbuchungswebseiten zu sehen. Richtig meta geht es im Fall I ZR 140/23 zu: Eine Frau hat einen Screenshot einer Webseite eines Tenniscenters online gestellt; die dokumentierte Webseite enthält auch ein Lichtbild des Gastraumes des Tenniscenters, dessen Wand eine Fototapete ver(un)ziert, auf der ein Bildmotiv wiedergegeben ist, an dem der Fotograf über seine in Kanada registrierte Firma Rechte beansprucht.

Der Kläger hat in erster und zweiter Instanz verloren und möchte das vom BGH umdrehen lassen, wie der Gerichtshof am Mittwoch bekanntgegeben hat. Wahrscheinlich ist, dass beim BGH noch weitere Revisionsanträge für Prozesse des selben Klägers liegen oder noch eintreffen werden, und die Richter anhand der drei nun ausgesuchten Fälle Musterentscheidungen fällen möchten.

Im April 2023 hat der Kläger einen weiteren Fototapeten-Prozess gegen ein Hotel in zweiter Instanz verloren, diesmal beim Oberlandesgericht Düsseldorf (Az. I-20 U 56/23), weil der Streitwert über 5.000 Euro liegt, nämlich bei 22.000 Euro. Das OLG hat zusätzlich festgehalten, dass Böhme auch auf sein Recht auf Anbringung der Urheberbezeichnung durch schlüssiges Verhalten verzichtet hat. Auch dieses Urteil möchte der Kläger vom BGH umkehren lassen, was bislang aber nicht auf der Tagesordnung für 27. Juni steht.

Vom Landgericht Stuttgart ist ein erfrischend kurz gehaltenes Urteil erster Instanz aus dem Oktober 2022 bekannt (Az. 17 O 39/22). Unerheblich ist demnach nicht nur die Frage nach dem unwesentlichen Beiwerk, sondern auch, ob der Fotograf (konkludent) eine Lizenz eingeräumt hat. Denn nach Treu und Glauben sei der Urheber sowieso verpflichtet, in die bestimmungsgemäße Nutzung der legal erworbenen Fototapete einzuwilligen.

Dieses Jahr wird der BGH entscheiden, ob er diese Auslegung bestätigt, oder ob er seine Möbelkatalog-Entscheidung aus 2014 auch auf Fototapeten anwendet. Voraussichtlich wird er auch die Frage klären, ob die Beklagten bei jeder Ablichtung ihrer Räumlichkeiten den Namen Stefan Böhme als Urheberangabe hätten beifügen müssen. Um nähere Details zu ergründen, hat heise online die Veröffentlichung der drei angefochtenen Urteile des LG Düsseldorf beantragt.

Wenig Trost gibt es für jene Betroffenen, die ihren Prozess verloren haben und sich die Rechtsmittel nicht leisten konnten, oder die sich das Prozessrisiko nicht leisten konnten und die Abmahnung bezahlen mussten. Das ist sicherlich die größte Gruppe. Zu ihr zählt Anders Markus Hawner, Betreiber der Whiskytruhe im Ort Schmelz im Saarland. Er hatte eine Wand seines Ladens mit einer Fototapete beklebt und dann vor der Wand abgestellte Ware online hergezeigt. Die Tapete war mit im Bild. In mehreren Youtubevideos schildert er seinen Schock und Unmut über die Abmahnung.

Anfang des Jahres erinnerte der Whiskyhändler in einem neuen Video an Fotograf Böhme: "Ich erzähl' mal wieder davon, dass man nicht vergisst, dass es Menschen gibt, die unlauter durch Lücken im Gesetz einfach mal so teilweise Leute finanziell ruinieren." Er, Hawner, sei zwar nicht ruiniert, habe aber tausende Euro zahlen müssen. Doch andere Leute riskierten noch viel mehr Geld vor Gericht, teilweise mit Streitwerten über 22.000 Euro: "Wegen einem Stück Papier an der Wand."

[Update 23:16 Uhr]: Im siebten Absatz Oberlandesgericht Köln durch Oberlandesgericht Düsseldorf ersetzt und den Revisionsantrag an den BGH erwähnt. [/Update]

(ds)