Weltraumtourismus: Debatten über Sex im Weltraum gefordert

Eine Forschungsgruppe fordert, dass sich die Raumfahrtbranche mit der Frage beschäftigt, wie mit Sex und möglicher Empfängnis im All umgegangen werden soll.

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(Bild: OrbitalReef.com)

Lesezeit: 4 Min.

Angesichts der anbrechenden Ära von Weltraumtourismus muss sich die Industrie und Forschung endlich damit beschäftigen, wie mit Sex im Weltraum umgegangen werden soll. Das fordert eine Forschungsgruppe um den Astrobiologen David Cullen von der britischen Universität Cranfield in einem Forschungsartikel. Obwohl im kommenden Jahrzehnt mehr und mehr Menschen mit ganz anderen Motivationen ins All fliegen dürften, als die bisherigen Astronauten sowie Astronautinnen, hätten sich die beteiligten Akteure bislang nicht öffentlich mit den Risiken "unkontrollierter menschlicher Empfängnis" im All auseinandergesetzt. Das müsse sich ändern.

Mit dem Paper "Sex in Space: Consideration of uncontrolled human conception in emerging space tourism" will die Forschungsgruppe nach eigener Aussage die geforderte Diskussion anregen und gleichzeitig auch schon dazu beitragen. Angesichts der sich verändernden Bedingungen in der Raumfahrt müsse das Thema auf die Tagesordnung. Diese Einschätzung begründen sie damit, dass bislang Aspekte wie der Auswahlprozess, die Karrieremöglichkeit, die Arbeitskultur und eine Art Gruppenzwang dafür gesorgt haben, dass es zu keinem Fall einer dokumentierten Empfängnis im All gekommen ist. Mit dem Weltraumtourismus werde sich das ändern.

Diese Einschätzung begründen sie unter anderem mit der Art von Mensch, die den Anfang dieser neuen Ära prägen dürfte und privat ins All fliegt. Dabei dürfte es sich um Menschen handeln, die häufiger Risiken eingehen und das Neue suchen. Es könne davon ausgegangen werden, dass solche Menschen auch Regeln, Vorgaben und soziale Normen ignorieren werden. Das könne man auf die Bereitschaft zu sexuellen Aktivitäten im All übertragen. Interessanterweise scheint diese Charakterisierung auch auf die aktuell wohl wichtigste Person der privaten Raumfahrtindustrie zutreffen: SpaceX-Chef Elon Musk hat immerhin bereits neun Kinder.

Diskutiert werden müsse das Thema vor allem wegen der biologischen Risiken, schreibt das Team. Aktuell wüssten wir zu wenig darüber, was die Schwerelosigkeit und die Strahlung im All mit einem menschlichen Keim anstellen. Die wenigen verfügbaren Studien legten nahe, dass die Umgebung "signifikante Folgen" in vielen Teilen des Reproduktionsprozesses haben kann. Vorstellbar seien sogar Risiken bei einer Empfängnis in der ersten Zeit nach einer Rückkehr. Wenn bisherige Raumfahrerinnen auf der Erde schwanger geworden sind, dann immer deutlich später. Wie gut existierende Verhütungsmethoden im All funktionieren, müsse ebenfalls noch erforscht werden.

In der Studie wird auf verschiedene andere Aspekte hingewiesen. So könnten Debatten zu dieser Frage bereits bei der Entwicklung von Raumschiffen sowie Raumstationen geführt werden, vor dem Hintergrund, dass mögliche Rückzugsräume die Häufigkeit sexueller Aktivitäten beeinflussen könnten. Die Forschungsgruppe weist außerdem auf die Erfahrungen hin, die etwa bei Polarforschungsstationen oder auf Unterseebooten mit diesem Themenkomplex gesammelt wurden. Schließlich meint sie, dass es bald auch erste pornografische Filme aus dem All geben dürfte, in der Branche gebe es aber immerhin Erfahrung mit der Verhinderung einer Empfängnis.

Insgesamt macht das Papier deutlich, dass die geforderte Debatte nötig ist, etwa um sich auf Vorkehrungen zu einigen. So könnten Privatpersonen vor einem Flug ins All auf die geschilderten Risiken hingewiesen und zur Unterzeichnung von Verzichtserklärungen verpflichtet werden. Das könnte nicht nur für Trips ins All, sondern auch bereits in die Stratosphäre nötig werden, bei den geplanten Angeboten gebe es immerhin schon "anekdotisch" Hinweise auf ein Interesse an "privaten romantischen Flügen". Wer sich ihrer Meinung nach alles mit dem Thema beschäftigen müsse, hat die Gruppe ebenfalls aufgelistet.

(mho)