Wettbewerb anders führen: Südafrika legt Google, Apple & Co an die Kandare

11 Online-Plattformen sollen in Südafrika neue Wege gehen. Die Wettbewerbsbehörde möchte südafrikanische Firmen fördern, speziell schwarze.​

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Schild an Baum: "Walk this way for the best deals in Town!!!"

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 9 Min.
Inhaltsverzeichnis

Auf Online-Plattformen kommen in Südafrika neue Zeiten zu. Apple, Google, booking.com, Uber Eats und andere mehr sollen die Struktur ihrer Angebote und teilweise sogar des Unternehmens selbst umbauen. Denn große Online-Plattformen verzerren oder behindern den Wettbewerb in zahlreichen anderen Branchen.

Das hat Südafrikas Wettbewerbsbehörde CompCom (Competitition Commission South Africa) nach mehr als zwei Jahren Untersuchung festgestellt. Der am Montag veröffentlichte Abschlussbericht enthält eine Reihe von Auflagen für elf betroffene Plattformen sowie Empfehlungen an die Regierung. Damit möchte die Behörde südafrikanischen Firmen, und dabei insbesondere Unternehmen Schwarzer, bessere Chancen im Wettbewerb verschaffen.

Apple und Google verbieten App-Betreibern, im jeweiligen App-Store auf alternative Zahlungswege hinzuweisen. "Das führt zu hohen Gebühren, die entweder wahrscheinlich die App-Preise zum Schaden der Endkunden erhöhen oder die Einnahmen der App-Entwickler senken, was Investitionen und Innovation reduziert." Weil Apple und Google bei ihren App-Stores keinem Wettbewerbsdruck ausgesetzt seien, könnten sie beliebig hohe Gebühren verlangen. Jetzt sollen die beiden Datenkonzerne in Südafrika ihre Einschränkungen abschaffen, die Apps verbieten, auf alternative Zahlungswege zu verweisen Die Umsetzung soll sich ausdrücklich an Maßnahmen orientieren, wie sie im Digital Markets Act der Europäischen Union vorgesehen sind.

Zweitens stört die Behörde, dass Apple und Google mit ihren App-Stores zwar jährlich hunderte Millionen in Südafrika einnehmen, aber örtliche Apps nicht besonders hervorheben. Obwohl lokale Angebote Vorteile für Verbraucher haben könnten, würde Apple und Google vor allem internationale Apps ins Schaufenster stellen. Fortan sollen beide südafrikanische Apps hervorheben und zusätzlich Guthaben für Werbeschaltungen an südafrikanische App-Betreiber verschenken.

Ähnliche Auflagen macht CompCom für Googles Suchmaschine, die mit mehr als 90 Prozent Marktanteil ein Quasi-Monopol in dem Land habe. Dabei würde Google in Suchergebnissen vor allem internationale sowie hauseigene Angebote herausstellen. Große Konzerne könnten es sich zudem leisten, sowohl in den Suchergebnissen als auch der davor eingeblendeten Reklame aufzuscheinen.

Als Gegenmaßnahme wird Google verpflichtet, bei Suchergebnissen ein eigenes, prominent platziertes Segment ("Karussell") zu schaffen, dass auf kleinere, südafrikanische Online-Plattformen verweist. Gebührenfrei, und mit "reichhaltiger" Darstellung. Zusätzlich soll Google Suchergebnisse aus Südafrika durch Einblendung der Fahne des Landes hervorheben; hinzu kommen soll ein Filter, mit dem südafrikanische Nutzer Suchergebnisse auf heimische Angebote beschränken können.

Dem nicht genug, Google muss kostenlose Schulungen für kleine Online-Plattformen anbieten, um sie bei der Nutzung von Googles Werbeplattformen zu unterstützen. Zusätzlich soll der Konzern Guthaben für den Kauf von Reklameplätzen im Wert von umgerechnet gut 8,8 Millionen Euro verschenken. Weitere 7,4 Millionen Euro soll Google in SEO-Schulungen (Search Engine Optimization) für kleine und mittlere Unternehmen sowie schwarze Unternehmer (offiziell historically disadvantaged people genannt) investieren.

Schließlich soll Google auch in Südafrika alle Maßnahmen umsetzen, die es unter dem Digital Markets Act der Europäischen Union umsetzen muss, um die Bevorzugung eigener Angebot zu stoppen. Die CompCom stört ausdrücklich die prominente Platzierung von Googles Angeboten zur Vermittlung von Online-Einkäufen sowie Reisebuchungen (Google Shopping, Google Travel).

Beim Thema Reisebuchungen legt die Behörde auch Marktführer booking.com Zügel an. Das Online-Reisebüro zwingt Beherbergungsbetriebe dazu, alle Zimmer auch über booking.com anzubieten, und das stets zum günstigsten Preis. Das sei grundsätzlich wettbewerbs- und verbraucherfeindlich. In der EU habe booking.com seine Bestpreisklauseln abgeschafft, nun soll auch in Südafrika Schluss mit dieser Wettbewerbsbremse sein.

Außerdem soll booking.com Projekte finanzieren, die kleine und mittlere Unternehmen aufspürt, die Schwarzen gehören oder in Schwarzenvierteln tätig sind. Solchen Unternehmen sollen diese Projekte helfen, sich auf booking.com zu registrieren, dort beworben zu werden und so zu wachsen.

Bestpreisklauseln stören die Behörde auch beim teilstaatlichen Onlinehändler Takelot, der dort Marktführer ist. (Amazon.com unterhält keinen südafrikanischen Online-Shop, Anmerkung). Wie Amazon handelt Takelot sowohl auf eigene Rechnung als auch im Namen unabhängiger Händler. Das führt zu Interessenkonflikten und zahlreichen Beschwerden betroffener Händler. Beispielsweise verbiete Takelot den Händlern, bestimmte Markenprodukte feilzubieten, um sich selbst ein Monopol zu verschaffen.

Takelot weide Daten der Dritthändler zum eigenen Vorteil aus, und übe sogar Druck auf Großhändler aus, die Einkaufspreise der Dritthändler zu erhöhen. Auch beim Herausheben von Angeboten würde sich Takelot selbst bevorzugen. Zudem gibt es Kritik an Takelots Streitschlichtungsverfahren.

Die behördlichen Auflagen haben es in sich: Der Online-Händler soll sich quasi intern spalten; der Handel im eigenen Namen soll unabhängig vom Betrieb der Marktplatzes für Dritthändler betrieben werden. Das soll Interessenkonflikte und Datenmissbrauch hintanhalten. Hinzu kommen neue Bedingungen für das Wohlverhalten der Takelot-Mitarbeiter, zeitliche Fristen für Streitschlichtungsverfahren, und die Neugestaltung der Anzeige der Angebote nach Preis und Liefertempo.

Dazu kommt eine Verpflichtung zur Förderung unterrepräsentierter Händler: Schwarze Händler bei der Anmeldung bei Takelot persönlich an die Hand genommen werden. Grundgebührenfreiheit für die ersten drei Monaten plus Gratisguthaben für Reklamebuchungen sollen ihren Einstieg erleichtern, später sollen Rabatte für schwarze Händler und Werbekampagnen für Angebote schwarzer Händler ihren Erfolg fördern. Zusätzlich soll Takelot schwarzen Händlern, die weiblich oder jugendlich sind, oder in ländlichen Gebieten ansässig sind, durch Mentoring und finanzielle Zuwendungen helfen. Sollte Amazon.com oder ein anderer großer Online-Händler auf den südafrikanischen Markt treten, müsste auch dieser vergleichbare Programme auflegen, unterstreicht die CompCom.

Kleinanzeigen-Plattformen nimmt sich die Behörde ebenfalls vor, namentlich Autotrader, cars.co.za für Kraftfahrzeug-Annoncen sowie Property24 und Private Property für Immobilienhandel. Sie würden kleinere Makler und Autoverkäufer durch exzessive Gebühren benachteiligen; sie müssten bis zu vier Mal so viel zahlen, wie größere Firmen. Das sei ungerechtfertigt, meint CompCom, und erschwere den Markteintritt neu gegründeter Immobilienmakler und Autohändler. Das wiederum benachteilige insbesondere Schwarze. Die Behörde verlangt drastische Gebührensenkungen für kleine Händler und zusätzliche Rabatte für Neueinsteiger.

Die beiden Immobilien-Anzeigenfirmen dürfen überhaupt keine Gebühren für eingestellte Anzeigen mehr erheben. Beide haben Verträge mit Immobilienmaklern für mehrere Jahre abgeschlossenen, dürfen diese Verträge aber nicht mehr anwenden. Dem nicht genug: Ein Verein von Immobilienunternehmern namens Rebosa hält Anteile an der zweitgrößten Immobilien-Webseite Private Property und empfiehlt seinen Mitgliedern deren Nutzung. Das muss aufhören. Die Behörde geht sogar zu Gericht, um Rebosa dazu zu zwingen, seine Private-Property-Anteile zu verkaufen. Außerdem müssen Property24 und die beiden Kfz-Börsen umfangreiche Programme mit Schulungen und Rabatten zur Förderung schwarzer Anbieter auflegen.

Im Argen läge auch der Markt für Zustelldienste für Restaurants. In Südafrika dominieren Uber Eats und Mr D Food. Sie hatten Bestpreisklauseln, die Restaurants verboten, ihre Speisen und Getränke über andere Vertriebskanäle günstiger anzubieten. Diese Klauseln sind gefallen, jetzt müssen Uber und Mr D Food die Wirte aber auch über diese Änderungen informieren. Der kleinere Anbieter Bolt Food, Teil der internationalen Bolt-Gruppe, muss seine Bestpreisbedingungen abschaffen.

Außerdem verspricht die Behörde, ein strenges Auge auf die drei Dienste zu werfen was Dumpingpreise in neu erschlossenen Gebieten angeht. Denn diese würden lokale Zustelldienste ruinieren, was langfristig Verbrauchern und dem Wettbewerb schade.

Uber Eats und Mr D Food verlangen von südafrikanischen Restaurantketten deutlich niedrigere Zustellgebühren, als von unabhängigen Gaststätten. Auch hier schreibt die Behörde eingreifende Änderungen vor. Restaurantketten selbst würden ihren Franchisenehmern bisweilen untersagen, andere Zustelldienste zu nutzen. Das muss aufhören.

Allen Online-Plattformen schreibt die CompCom vor, Reklame sowie bezahlte Einträge in "Suchergebnissen" entsprechend zu kennzeichnen. Außerdem müssen sich die Betreiber Regeln für verantwortungsbewusste Werbung unterwerfen.

Schließlich widmet sich der CompCom-Bericht auch den anhaltenden Nachwirkungen der Apartheid. Südafrika und Namibia litten fast das gesamte 20. Jahrhundert unter staatlich erzwungener Rassentrennung mit umfassender Benachteiligung von und Gewalt gegen Nicht-Weiße. Praktisch keine schwarzen Familien konnten sich legal Vermögen erwirtschaften. Das wirkt bis heute nach: Schwarze hätten kaum Zugang zu Finanzierung von Startups bevor diese namhafte Einnahmen erzielen. Und selbst schwarze Startups mit Einnahmen hätten es schwer, weil die Wagniskapitalbranche in Südafrika klein sei.

Daher empfiehlt die Behörde der Regierung, mehr Risiko auf sich zu nehmen und Mittel zur Förderung digitaler Startups schwarzer Firmengründer sowie für Inkubatoren und Startup-Beschleuniger bereitzustellen. Das werde private Wagniskapitalinvestitionen nach sich ziehen, hofft die Wettbewerbsbehörde.

(ds)