What remains of Edith Finch gespielt: Familie, Liebe, Tod

What remains of Edith Finch ist eine Spurensuche der besonderen Art: Entwickler Giant Sparrow hat ein außergewöhnliches, aufwühlendes Spielerlebnis geschaffen, das mehr sein will als bloße Unterhaltung.

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What remains of Edith Finch angespielt: Familie, Liebe, Tod
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Andreas Müller
Inhaltsverzeichnis

Ein Wald liegt nahezu unberührt vor mir. Die Blätter rauschen im Wind, ein Hirsch schreckt auf – und dann bin ich endlich angekommen: in der alten Heimat. Aber wo gerade noch alles voller Leben strotzte, rottet nun eine verlassene Villa düster vor sich hin.Hier ragt ein merkwürdiger Turm in die Höhe, dort liegen noch ein paar Trümmer eines riesigen Holzdrachens. Alte Fahndungszettel erinnern an das traurige Schicksal meines Bruders. Was ist hier nur passiert?

What remains of Edith Finch erzählt von einer Bilderbuchfamilie, die von allen denkbaren Tragödien heimgesucht wird. Die Rückkehr ins frühere Zuhause mutiert zu einer emotionalen Reise in die Vergangenheit einer verfluchten Sippe.

Mein Familienstammbaum ist ein einziges Enigma: Wieso verschwand meine Großmutter? Warum sperrte sich mein Onkel im Keller ein? Wieso nahm sich eines meiner Geschwister das Leben? Was bleibt übrig von Edith Finch?

Um all das herauszufinden, durchsuche ich das finstere Anwesen, wühle in Tagebüchern und entdecke Geheimgänge. So lerne ich meine Familiengeschichte kennen, vom frühen Vorfahr bis zu meiner Mutter.

What Remains of Edith Finch gespielt (5 Bilder)

Lesestoff. Alles beginnt mit einem Tagebuch.

Interaktive Geschichten werden manchmal als schnöde Walking-Simulationen abgetan, bei denen man nur ein paar Knöpfe drücken muss. Entwicklerstudio Giant Sparrow macht es im Prinzip ähnlich wie die Konkurrenz, die Spiele wie Gone Home oder The Vanishing of Ethan Carter hervorgebracht hat. Trotzdem überrascht What remains of Edith Finch mit originellen Einfällen.

Einmal schlüpfe ich in die Rolle einer Eule, später erwecke als Baby meine Spielsachen zum Leben oder mache mich als Ex-Horrorfilmstar auf Killerjagd. Das bringt zwar Abwechslung, aber kaum spielerische Herausforderung. Eigentlich muss ich immer nur die nächsten Hinweise suchen, um ein weiteres Kapitel im Familiendrama zu erleben.

Die teilweise skurrilen und emotionalen Schicksale machen diesen Mangel an Spielwitz aber leicht vergessen. Hätten die Entwickler ein paar Rätsel einbauen können? Oder ein paar Geschicklichkeitseinlagen, wenn ich über das Dach klettere? Ein bisschen mehr Horror, wenn ich im dunklen Keller umherirre? Sicherlich, aber das hätte auch von der fesselnden Geschichte abgelenkt.

Das Schicksal der Familie Finch ist kein technisches Meisterwerk, aber dennoch visuell beeindruckend. Der Anblick des Familiensitzes oder ein Comic, der zum Leben erwacht – Entwickler Giant Sparrow hat eine eigentümliche Bilderwelt erschaffen, die mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Dazu kommt die hervorragende Stimme des Erzählers. Originell: Die Untertitel werden in der Umgebung eingeblendet. Wenn ich sie berühre, zerspringen sie vor meinen Augen.

Giant Sparrow ist mit What Remains of Edith Finch ein außergewöhnliches Spielerlebnis gelungen. Die originelle Story kann mit ihren zahlreichen Schicksalsschlägen schon mal zu Tränen rühren. Allerdings funktioniert das nur, wenn ich mich als Spieler darauf einlasse. Die behandelten Themen sind keine leichte Kost für einen unterhaltsamen Spieleabend.

Manchmal hatte ich sogar den Eindruck, dass anhand einer makaberen Strichliste Tragödien wie Selbstmord und Depression schlicht abgehakt werden. Außerdem ist das Spiel mit knapp zwei Stunden Spielzeit sehr kurz. Am positiven Gesamteindruck ändert das aber wenig. Wer Spiele wie Gone Home, The Vanishing of Ethan Carter oder Firewatch verschlungen hat, wird auch dieses Kleinod lieben.

What remains of Edith Finch ist seit dem 25. April für PC und Playstation 4 erhältlich. Für unseren Test haben wir es auf dem PC gespielt. (dahe)