Whistleblower: Bundesregierung will Hinweisgeber besser schützen

Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf gebilligt, mit dem Repressalien gegen Whistleblower untersagt werden sollen. Ein Snowden wäre nicht geschützt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 3 Kommentare lesen
Hacker,Commits,Computer,Crime,Online

(Bild: Daniel Beckemeier/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Hinweisgeber, die in Firmen oder in der öffentlichen Verwaltung auf Missstände aufmerksam machen, sollen stärker vor Vergeltungsmaßnahmen wie Kündigung oder anderen Benachteiligungen bewahrt werden. Das Bundeskabinett hat dazu am Mittwoch einen Gesetzentwurf zum besseren Schutz von Hinweisgebern auf den Weg gebracht. Damit will die Bundesregierung klarstellen: "Gegen hinweisgebende Personen gerichtete Repressalien sind verboten." Dies gelte auch für entsprechende Androhungen und Versuche. Bei Zuwiderhandlungen drohen Geldbußen und Schadensersatzansprüche.

Kern des Schutzsystems sind laut dem Regierungsentwurf interne und externe Meldestellen, die Whistleblower für eine Meldung von Verstößen zur Verfügung stehen. Hinweisgeber sollen frei wählen können, ob sie innerhalb des Unternehmens oder der Behörde oder bei einer unabhängigen Stelle Alarm schlagen wollen. Die internen und externen Meldeinstanzen müssen die eingegangenen Hinweise prüfen und erforderliche Folgemaßnahmen ergreifen.

Die Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen betrifft sowohl die Privatwirtschaft als auch den gesamten öffentlichen Sektor, sofern in einer Firma oder einem Amt in der Regel mindestens 50 Personen beschäftigt sind. Für Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten ist eine Übergangsfrist bis Mitte Dezember 2023 vorgesehen. Sie sollen zudem mit anderen Firmen zusammen eine gemeinsame Meldestelle betreiben können. Auch Dritte oder die Konzernmutter können beauftragt werden.

Eine zentrale externe Meldestelle für Bund und Länder inklusive Beratungsfunktion ist beim Bundesamt für Justiz (BfJ) geplant. Daneben sollen die bestehenden Meldesysteme bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sowie beim Bundeskartellamt mit Sonderzuständigkeiten weitergeführt werden. Den Ländern steht es frei, auch für Kommunen eigene externe Meldestellen einzurichten. An solche Einrichtungen können sich auch Whistleblower wenden, die sich nicht "mit Zuständigkeitsfragen auseinandersetzen" wollen oder kein Vertrauen in die Meldekanäle ihres Unternehmens haben.

Hinweisgeber, die nicht diese offiziellen Meldekanäle nutzen, sondern direkt an die Öffentlichkeit gehen, sollen nur unter bestimmten Bedingungen vor Konsequenzen geschützt werden. Dazu gehört der hinreichende Grund zu der Annahme, dass der von ihnen öffentlich gemachte Missstand "eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann". Dies könnte etwa der Fall sein, wenn ein Unternehmen plant, giftige Stoffe in einem Fluss zu entsorgen. Allein die Kosten für die Einrichtung der Meldestellen schätzt die Regierung für die Wirtschaft und die öffentliche Hand auf insgesamt rund 260 Millionen Euro.

Die Identitäten der hinweisgebenden und sämtlicher von einer Meldung betroffenen Personen sollen wirksam geschützt werden, um die Akzeptanz des Systems zu sichern. Die Daten dürfen nur Ausnahmefällen etwa in Strafverfahren herausgegeben werden.

Den umstrittenen Referentenentwurf aus dem Justizministerium besserte das Bundeskabinett noch an einigen Punkten nach. So sollen nun größtenteils auch anonyme Hinweise verfolgt werden. Dadurch darf aber die vorrangige Bearbeitung nichtanonymer Meldungen nicht gefährdet werden, um das System nicht zu überlasten.

Meldungen von Hinweisgebern sind dem Regierungspapier zufolge zudem möglich, wenn die zugrundeliegenden Dokumente von Behörden als vertrauliche Verschlusssachen mit der Stufe "nur für den Dienstgebrauch" (VS-NfD) eingestuft wurden. Ein deutscher Edward Snowden wäre aber nach wie vor nicht geschützt: Laut Paragraf 5 haben bei Informationen von Geheimdiensten Sicherheitsinteressen sowie Verschwiegenheitspflichten Vorrang. Der Begründung nach ist der Hinweisgeberschutz hier schon "aufgabenadäquat" im Gesetz für das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) geregelt.

Mit dem Entwurf, der noch durch den Bundesrat und den Bundestag muss, will die Bundesregierung prinzipiell die Whistleblower-Richtlinie der EU umsetzen. Deutschland ist dabei in Verzug. Die EU-Kommission hat deswegen im Februar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet. Die Vorgaben stehen seit November 2019 im EU-Amtsblatt, im Dezember 2021 traten sie in Kraft.

Im Frühjahr 2021 war die einstige große Koalition an einem Umsetzungsgesetz gescheitert. Die SPD wollte, dass der Schutz auch bei Verstößen gegen deutsches Recht gilt und nicht nur in Bereichen wie Finanzdienstleistungen und Ausschreibungen, Produkt- und Lebensmittelsicherheit, Datenschutz, Umwelt sowie Gesundheit, die bereits EU-weit geregelt sind. CDU und CSU waren dagegen. Trotz der verpassten Einigung können die Normen seit einem guten halben Jahr zumindest gegenüber dem Staat bereits größtenteils direkt geltend gemacht werden.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Till Steffen lobte nun, dass die Bundesregierung endlich das "lang ersehnte Gesetz" vorgelegt habe. Trotz einiger Korrekturen gebe es noch Luft nach oben. So wäre etwa die Aufdeckung rechtsextremer Chats von Polizeibeamten nicht ausreichend geschützt, "obwohl diese Meldungen gerade zum Schutz unserer Demokratie wichtig sind". Ebenfalls nicht erfasst seien Enthüllungen wie von Frances Haugen zu Facebook. Der Rechtspolitiker zeigte sich zuversichtlich, dass das Parlament hier zu guten Lösungen kommen werde.

(mho)