Ärzteschaft fordert Änderungen bei elektronischer Gesundheitskarte

Einschneidende Änderungen im Systemdesign sowie einen kompletten Neustart bei der Arzneimitteldokumentation und der elektronischen Patientenakte fordert die Ärzteschaft im Vorfeld des 111. Deutschen Ärztetages in Ulm.

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Von
  • Detlef Borchers

Im Vorfeld des 111. Deutschen Ärztetages zu Ulm (20. bis 23. Mai) hat die Bundesärztekammer eine Sonderausgabe ihres Magazins IT Kompakt zum Download als PDF-Datei freigegeben, in der sie ihre Position zur Gesundheitskarte erläutert. Grundsätzlich bejaht die Ärztekammer die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte, fordert aber einschneidende Änderungen im Systemdesign sowie einen kompletten Neustart bei der Arzneimitteldokumentation und der elektronischen Patientenakte. Während das elektronische Rezept als Pflichtanwendung der Gesundheitskarte nicht eingesetzt werden soll, solange keine Komfort- oder Stapelsignaturen möglich sind, solle der elektronische Arztbrief beschleunigt eingeführt werden.

Zur Ärztetags-Sonderausgabe von IT Kompakt erklärte Franz-Joseph Bartmann, der Vorsitzende des Telematik-Ausschusses der Bundesärztekammer, dass die Ärzte eine kritische Analyse des Gesamtprojektes wollen. "Bei dieser Analyse muss es um Tatsachen gehen und nicht um eine Pseudodiskussion von Tatsachenbehauptungen", wird Bartmann in dem Blatt zitiert. Zur Pseudodiskussion zählt Bartmann die Debatte um die Sicherheit von Patientendaten auf zentralen Servern. Diese Daten seien mit dem privaten Schlüssel des Anwenders gesichert und daher bestens geschützt. Als Totschlagargument werde ferner unter Verweis auf die "Mautdaten" die Gefahr genannt, dass eine Gesetzesänderung die Entschlüsselung von Daten erzwingen könne. "Wenn man ihm folgt, sind grundsätzlich alle Daten, die heute unverschlüsselt in Arztpraxen oder Krankenhäusern lagern, vor dem Zugriff des Staates nicht sicher, da dieser schon jetzt – zumindest rechtstheoretisch – einen Zugriff erwägen könnte", meint Bartmann.

Insgesamt führt die Bundesärztekammer elf Forderungen und Vorschläge auf, von deren Umsetzung sie im zwölften Punkt ihre weitere Mitarbeit an dem Projekt abhängig macht. Die Forderungen sind nicht so radikal wie die unlängst vom NAV Virchow-Bund erhobenen, der ein Moratorium des gesamten Projekts fordert, gehen aber in eine ähnliche Richtung. Während der Virchow-Bund die Erprobung von "USB-Technik" fordert, gibt sich die Ärztekammer gemäßigt und spricht von einer "Erprobung von Speichermedien in der Hand des Patienten wie auch anderer Alternativen zur Datenspeicherung auf zentralen Servern."

Der wichtigste Punkt des Forderungskataloges dürfte die Möglichkeit zum Opt-Out für die Ärzte sein, festgelegt im Satz: "Freiwillige Entscheidung der Ärzte über die Nutzung der neuen Funktionen der elektronischen Gesundheitskarte und die Online-Anbindung." Mit dieser Forderung würden Ärzte, die nicht online gehen wollen, keine elektronischen Rezepte ausstellen müssen. Überhaupt sollen die Rezepte als Pflichtanwendung der Karte erst kommen, wenn "alle damit verbundenen Störungen der Praxisabläufe beseitigt sind." Hinter dieser Formulierung verbirgt sich, dass die Ärzte auf Systeme für Komfort- oder Stapelsignaturen warten wollen, die die elektronische Unterschrift unter das eRezept vereinfachen. Im Gegensatz zu diesem verlangten Aufschub beim Rezept soll der Arztbrief Vorfahrt bekommen: "Der sichere elektronische Arztbrief muss allen Ärzten mit Beginn der Online-Phase zur freiwilligen Nutzung zur Verfügung stehen."

Zu den weiteren Forderungen zählt der Wegfall des im Notfall problematischen Notfalldatensatzes, der auf der Gesundheitskarte durch "klinische Basisinformationen" ersetzt werden soll. Außerdem wünscht sich die Ärztekammer, dass die Teilprojekte der elektronischen Arzneimitteldokumentation und der elektronischen Patientenakte komplett neu aufgesetzt werden. Damit kann die Diskussion um die elektronische Gesundheitskarte einen kleinen Geburtstag feiern: Mit dem "Lipobay-Skandal" begann vor zehn Jahren die Diskussion, wie eine bessere medizinische Versorgungsqualität mit Mitteln der IT erreicht werden kann. Aus ihr heraus entstanden die Pläne für die heutige Gesundheitskarte.

Neben den Umbauvorschlägen zur Gesundheitskarte hat die Bundesärztekammer für den kommenden Ärztetag ein "Ulmer Papier" veröffentlicht, dass die gesundheitspolitischen Leitsätze der Ärzteschaft (PDF-Datei) zur Debatte stellt. Sie sollen das Selbstverständnis der Ärzte klären und Anregungen zu einer patientengerechten Gesundheitsversorgung geben. (Detlef Borchers) / (vbr)