Österreichs Grüne wollen Innenminister mit seinem Fingerabdruck provozieren

Die Veröffentlichung soll zeigen, wie leicht es ist, an biometrische Daten Einzelner zu gelangen. Die Grünen ermuntern den Minister nun ausdrücklich, sie zu verklagen.

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Von
  • Jürgen Kuri

Seit Wochen hängen in Wien weiße Plakate mit einem großen Fingerabdruck darauf. Am heutigen Freitag wurde das Geheimnis gelüftet: Die Plakate sind von den Grünen und zeigen den Fingerabdruck des Innenministers Günther Platter (ÖVP). Über die von den Grünen initiierte Web-Plattform Platterwatch können nun auch kostenlos Aufkleber mit dem ministeriellen Biometrie-Merkmal bestellt werden. Die Veröffentlichung soll zeigen, wie leicht es ist, an biometrische Daten Einzelner zu gelangen. Die Grünen ermuntern den Minister nun ausdrücklich, sie zu verklagen. "Bekommt er Recht, dann ist das Sammeln und Nutzen seines Fingerabdrucks ungesetzlich – aber nicht nur seines: Günther Platter würde damit gerichtlich klären, dass das Sammeln und Nutzen aller Fingerabdrücke ungesetzlich wäre. Das wäre schön", meinen die Grünen.

Andererseits ist sich die Partei sicher, dass der Innenminister nichts zu verbergen hat. Das gelte auch für seinen Fingerabdruck. Platter möchte ab 2009 zwei Fingerabdrücke von jedem Österreicher sammeln, der einen Reisepass beantragt. Dies geht auf eine EG-Verordnung zurück und soll die Reisepässe sicherer machen. Die Grünen sind gegen die Fingerabdruck-Sammlung und fordern ein Moratorium bei der Umsetzung. Österreich solle die Verordnung höchstgerichtlich bekämpfen.

Für die Reisepässe sei der Fingerabdruck nicht erforderlich, weil die Dokumente bereits jetzt sehr sicher seien. "Gefälschte Reisepässe sind so selten, dass sie in der Kriminalstatistik keine Rolle spielen", zeigen die Grünen auf. "Der Fingerabdruck soll zum zentralen Verknüpfungsdatum für den gläsernen Österreicher werden. Das zeigen die Pläne von Innen- und Gesundheitsministerium." Als Gegenmittel wünscht sich die Oppositionspartei eine Verfassungsbestimmung, nach der biometrische Daten nicht elektronisch miteinander oder mit anderen Daten verknüpft werden dürften.

Zudem betonen die Grünen, dass Fingerabdrücke keineswegs ein sicheres Identifikationsmerkmal darstellen würden. Es sei sehr leicht, an die Fingerabdrücke von Zielpersonen zu gelangen und daraus Attrappen herzustellen. Damit ließen sich sogar Scanner mit eingebauter Lebenderkennung täuschen. Der japanische Mathematiker Tsutomu Matsumoto habe mit Gelatine-Attrappen über 80 Prozent der getesteten Kontrollgeräte überlistet, Wissenschafter von der Clarkson Universität in New York hätten sogar eine Erfolgsquote von über 90 Prozent erzielt.

Dazu komme, dass der Vergleich von Fingerabdrücken keine exakte Wissenschaft sei. Selbst Experten seien sich nicht einig, wie viele Merkmale man vergleichen müsse. Eine Studie von Simon Cole von der Cornell Universität spreche von einer Fehlerquote bis zu 2,5 Prozent. Schließlich wird auch auf die Demonstration des Chaos Computer Club verwiesen, der für das ARD-Magazin Plusminus in einem EDEKA-Laden mit fremdem Fingerabdruck auf fremde Kosten eingekauft hat. Der Fernsehbeitrag ist online abrufbar.

Siehe zu vergleichbaren Aktionen in Deutschland und Großbritannien auch:

(Daniel AJ Sokolov)

Unser Autor Daniel AJ Sokolov ist freier Journalist und berichtet für heise online über alle Themen aus Telekommunikation, IT und dem gesellschaftlichen Umfeld in Österreich. Sokolov ist parallel dazu auch Mitglied der österreichischen Grünen und Vorsitzender der Bezirksvertretung Wien-Josefstadt.  (jk)