Hintergrund: PC-Hersteller in der Bredouille

Die PC-Hersteller bangen um ihr Weihnachtsgeschäft. Viele sehen das Ende der Ära des klassischen PC gekommen.

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Von
  • Christian Rabanus

Die Zeichen sind unübersehbar: Die Ära des klassischen PC neigt sich ihrem Ende zu. Beruhten frühere Warnungen eher noch auf relativ abstrakten Prognosen, scheint nun die Wirklichkeit selbst zuzuschlagen. Viele Analysten ziehen aus den vergleichsweise schlechten Verkaufszahlen der letzten Wochen und der sich abzeichnenden Flaute im Weihnachtsgeschäft die Lehre, dass die PC-Branche als attraktiver Investment-Bereich langsam passe ist.

Das enorme Handelsvolumen, das die US-Börsen am 30. November registrierten – rund 415 Millionen Aktien wechselten den Besitzer an der New York Stock Exchange, gut 684 Millionen waren es an der Nasdaq – und das den Einbruch der Kurse vieler Firmen aus der PC-Branche begleitete, deutet auf einen Rückzug der Investoren aus dem PC- und Hightech-Segment hin. Bei den stark gefallenen Preisen wieder einzusteigen, halten die meisten Börsianer offenbar nicht für ratsam. Am Folgetag konnten sich die Kurse denn auch bei geringem Handelsvolumen nur etwas stabilisieren; die Verluste durch die panikartigen Verkäufe machte dies bei weitem nicht wett.

Aktionäre wie Mitarbeiter von PC-Herstellern jedenfalls sind verunsichert. Ist wirklich das Ende der beispiellosen Wachstumsgeschichte in Sicht, die die PC-Branche in den letzten Jahren durchlaufen hat? Oder wird sich alles nach ein paar Schrecksekunden wieder einrenken?

Die Marktforscher von Dataquest sehen zumindest in Europa das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Erst vor knapp zwei Wochen veröffentlichten sie eine Studie, in der im nächsten Jahr fast 15 Prozent mehr PC-Verkäufe vorhergesagt werden. Zwar bliebe das Wachstum dann immer noch hinter dem Rekordwert von 18 Prozent aus dem Jahr 1999 zurück, wäre aber für die Branche deutlich erfreulicher als die Steigerung von gut zehn Prozent, die nach Meinung von Dataquest dieses Jahr erreicht wird.

Die Ausstattung mit PCs in Europa ist immer noch geringer als in den USA, wo die Marktforscher schon im Mai den Markt als nahezu gesättigt ansahen. Für den sehr viel größeren Markt jenseits des großen Teichs sehen die Wachstumsperspektiven also eher bescheiden aus. Darüber können auch die tollen Wachstumszahlen in Lateinamerika, Asien oder dem pazifischen Raum nicht hinwegtäuschen. So erreichten die PC-Verkäufe in ganz Lateinamerika, trotz eines Plus von 47 Prozent im dritten Quartal 2000 gegenüber dem dritten Quartal 1999, nur 1,89 Millionen Stück. Allein in Deutschland wurden im dritten Quartal dieses Jahres rund 1,6 Millionen PCs verkauft. Ähnlich ist die Steigerung um 34 Prozent in Asien und dem pazifischen Raum einzuschätzen. Auch in diesem riesigen Markt gingen mit 4,6 Millionen nur 500.000 PCs mehr an Kunden als in Deutschland, Großbritannien und Frankreich.

Eigentlich ist es aber gar nicht so verwunderlich, dass der PC-Boom langsam abflaut. Gerade Unternehmen in den USA und Europa sind mittlerweile mit Computern gut ausgestattet – was sich auch in den Zahlen widerspiegelt: Während der europäische PC-Markt im privaten Bereich im dritten Quartal 2000 um 21,2 Prozent gewachsen ist, legte er im professionellen Bereich, der 72 Prozent des Gesamtmarktes ausmachte, nur um 6,1 Prozent zu. In diesem wichtigen Segment werden also zunehmend nur noch ältere Rechner ausgetauscht, wovon nicht sehr viel Wachstum zu erwarten ist.

Auch kann die PC-Branche immer weniger mit technischen Innovationen aufwarten, vor allem nicht für den professionellen Bereich. Andere Märkte, beispielsweise Mobilfunk, versprechen diesbezüglich sehr viel mehr. Schnellere CPUs oder Grafikkarten und besserer Sound mögen vielleicht noch Spiele-Freaks zum Kauf eines neuen Rechners animieren. Aber weder erstellen sich mit Multimedia-Computern der neuesten Generation Bilanzen besser, noch schreibt sich damit die Geschäftskorrespondenz leichter.

Lediglich die immer komplexere Office- und Internet-Software könnte für ein Unternehmen Grund sein, neue Rechner anzuschaffen. Aber auch hier dürften sich die Entscheidungsträger immer öfter fragen, ob denn tatsächlich ein Upgrade nötig ist. Zudem: Neue Versionen eines Betriebssystems sind oftmals – bei eher geringen Erleichterungen des Arbeitsablaufs – mit vergleichsweise großem Migrationsaufwand und auch hohen Kosten verbunden. Aber auch Privatanwender stellen sich zunehmend die Frage, ob sie für die Anwendungen, die sie benutzen, oder zum Surfen im Internet wirklich einen neueren PC als denjenigen benötigen, den sie bereits haben. Offensichtlich verliert die Gigahertz-Protzerei von AMD und Intel langsam ihre Wirkung: Eine CPU mit noch höherer Taktrate fördert nicht unbedingt den PC-Absatz, sondern lässt nur die Lagerbestände veralten.

Schließlich darf neben all den rational nachvollziehbaren Gründen, mit denen die PC-Hersteller vor allem bei ihren Geschäftskunden zu kämpfen haben, ein eher psychologischer Grund nicht vernachlässigt werden – und der dürfte sich vor allem negativ auf die Verkaufszahlen im Privatkundengeschäft auswirken: PCs sind einfach nicht mehr so hipp wie noch vor einigen Jahren. Seit Handy, Organizer und Spielkonsole zum Statussymbol aufgestiegen sind, kann man mit einem klobigen PC niemanden mehr beeindrucken – und Apples Cube können sich sowieso nur gut verdienende Grafiker leisten. Der PC mutiert vom Statussysmbol zum Gebrauchsgegenstand – und wird, wie der CD-Player, erst ausgetauscht, wenn er kaputt ist.

Was den Herstellern Kopfschmerzen bereitet, könnte für die Kunden durchaus positive Auswirkungen haben. Vor allem große Lagerbestände sind ein Risiko in der schnelllebigen PC-Branche: Kommt beispielsweise ein neues Mainboard oder ein neuer Prozessor auf den Markt, läuft der Hersteller Gefahr, auf seinen veralteten Geräten sitzen zu bleiben. Und will er das nicht, dann muss er sie weit unter Preis verscherbeln. Angesichts des bisher schwachen vierten Quartals 2000 und der teilweise drastisch nach unten korrigierten Erwartungen können potenzielle Kunden deshalb in den nächsten Wochen noch auf so manches PC-Schnäppchen hoffen. Für die Käufer könnte jetzt erst so richtig die PC-Kaufsaison angebrochen sein – große Gewinne und steigende Börsenkurse wird das den Herstellern aber kaum bringen. (chr)