TikTok-Videos: So gelingen kurze Clips für die For-You-Page

TikTok-Clips erklären die Welt in 30 Sekunden oder weniger. Anhand von Beispielen und Erfahrungen erklären wir die ersten Schritte und was Sie beachten sollten.

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(Bild: XanderSt/Shutterstock.com)

Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Anna Kalinowsky
Inhaltsverzeichnis

Wer mit TikTok erfolgreich sein will, muss alte Filmregeln brechen und das meist junge Publikum mit Originalität, Tempo und schnellen Schnitten in den Bann ziehen. Wir erklären Ihnen anhand unserer eigenen Erfahrungen mit unserem TikTok-Account heise.tippstricks, was Sie beim Erstellen erfolgreicher Clips beachten sollten.

Was unterscheidet TikTok von anderen Plattformen?

TikTok funktioniert anders als YouTube, Facebook oder Instagram. Das Herzstück der App für Android und iOS ist die sogenannte For-You-Page, auf der ein unendlicher Strom an Videos abgespielt wird. Mit einem Wisch nach oben springen Sie gleich zum nächsten Clip. Welche Inhalte auf Ihrer For-You-Page landen, legt ein Algorithmus fest. Dieser TikTok-Algorithmus hat den Ruf, die Vorlieben seiner Nutzer sehr schnell herauszufinden und ihnen in kürzester Zeit nur noch Videos zu ihren Interessengebieten anzuzeigen – um sie möglichst lange in der App zu halten. Dazu wertet der Algorithmus für jeden Clip aus, wie lange Sie ihn schauen, sowie Likes und Kommentare.

TikTok-Clips sind keine Hochglanzproduktionen. Perfektes Licht, Kamera und HD-Qualität sind nicht entscheidend. Wichtiger ist der Inhalt: Er muss unterhalten oder informieren und authentisch wirken. Das erfolgreichste Video unseres Tipps+Tricks-Kanals mit 1,6 Millionen Aufrufen wurde mit einer falschen Kameraeinstellung aufgenommen, sieht wackelig und körnig aus. Dem Erfolg hat das aber keinen Abbruch getan.

TikTok reiht kurze Videoclips auf der endlos scrollenden For-You-Page aneinander und passt die Inhalte in kurzer Zeit auf die Vorlieben der Nutzer an.

Welche Videos funktionieren auf TikTok?

Erfolgreich werden meist Accounts, die sich auf ein Thema und Genre festlegen und dazu regelmäßig (täglich oder wöchentlich) neue Clips posten. Mit einem Kessel Buntes in unregelmäßigen Abständen kann der Algorithmus hingegen wenig anfangen. Überlegen Sie sich also vorab, welchen Themenbereich Sie mit welcher Art von Videos in Ihrem Kanal bedienen möchten. Ihrer Fantasie sind dabei kaum Grenzen gesetzt: Tanzvideos, Challenges, Comedy, Schauspiel, Lip-Sync, Fail- und Koch-Videos, Anleitungen, Life-Hacks, Beauty, Gesang, Informationen oder auch IT-Tipps.

Wichtig ist, dass Sie den Inhalt in jedem Clip sofort auf den Punkt bringen. TikTok erlaubt zwar mittlerweile Videos mit bis zu zehn Minuten Länge, doch die meisten Zuschauer sind kaum länger als eine Minute aufmerksam.

Welche Zielgruppen lassen sich auf TikTok besonders gut ansprechen?

Laut Statista waren 2021 knapp zwei Drittel aller TikTok-Nutzer jünger als 25 Jahre und in dieser Altersgruppe überwiegend weiblich. Ein Viertel der registrierten Nutzer ist zwischen 25 und 34 Jahre alt – in dieser Gruppe überwiegen die Männer. Im Unterschied zu heise online und c’t, die zum Großteil von Männern gelesen werden, erreicht der Tipps+Tricks-Kanal auf TikTok zu zwei Dritteln weibliche Zuschauer.

TikTok kann für Firmen und Einzelpersonen eine Chance bieten, ein junges und weibliches Publikum zu erreichen. Die richtige Ansprache ist genauso wichtig wie eine plattform- und zielgruppengerechte Aufmachung der Videos. Es liegt ein schmaler Grat zwischen einer lockeren und einer übertriebenen Präsentation. Wenn beispielsweise ältere Erwachsene zwanghaft versuchen, den Slang der Generation Z zu imitieren, empfindet die das vermutlich als peinlich und straft die Clips ab. Authentizität ist das A und O.


Welches Equipment brauche ich zum Einstieg?

Profi-Equipment ist nicht notwendig. Für gute TikTok-Videos genügt bereits ein Smartphone, das Videos in Full-HD-Auflösung (1920 × 1080) aufzeichnet. Viele Modelle sind lichtstark genug, sodass Sie zumindest bei Tageslicht ohne zusätzliche Leuchten, Ringlichter oder Softboxen auskommen. Vermeiden Sie, Personen im Gegenlicht aufzunehmen.

Wichtiger ist der Ton: Als erste zusätzliche Anschaffung empfehlen wir deshalb ein sogenanntes Lavalier-Mikrofon zum Anstecken. Für den Tipps+Tricks-Kanal nutzen wir beispielsweise ein Pixel MFi Lavalier mit 3 Meter Kabellänge und Lightning-Anschluss für iPhone (44 Euro).

Wenn Sie Videos alleine drehen, sollten Sie sich ein Stativ anschaffen, damit Sie sich nicht im wackeligen Selfie-Modus filmen müssen. Filmt eine zweite Person, klappt das problemlos auch ohne Stativ. Die Bildstabilisatoren im Smartphone beruhigen das Bild und aus der Hand gedrehte Videos wirken erfahrungsgemäß dynamischer und authentischer als starre Kameraperspektiven.

Ein Lavalier-Mikrofon zum Anstecken verbessert den Ton einer Videoaufnahme enorm und sollte zu den ersten Anschaffungen gehören.

Wie sollte ein TikTok-Video aufgebaut sein?

Da die Clips oft nur 30 Sekunden lang sind, müssen Sie sofort zum Punkt kommen. Am wichtigsten ist der Einstieg. Wenn Sie die Zuschauer nicht innerhalb der ersten Sekunden für Ihr Video gewinnen, wischen diese einfach weiter zum nächsten Clip. Sie müssen Nutzern einen Grund geben, ausgerechnet bei Ihrem Video hängenzubleiben. Machen Sie in den ersten 2 bis 3 Sekunden klar, worum es in Ihrem Clip geht und was den Zuschauer erwartet. Stellen Sie beispielsweise eine Frage oder wecken Sie anderweitig Interesse.

Der TikTok-Algorithmus belohnt zudem wiederkehrende Strukturen. Bei Tipps+Tricks nutzen wir einen festen Aufbau: Los geht es mit einem kleinen Aufsager – meist in Form einer Frage. Dann folgt ein kurzes Intro mit unserem Logo und einem Jingle – das ist wichtig, um unsere Marke zu präsentieren. Abschließend folgt die Erklärung und Anleitung.

Der Aufbau eines Videos lässt sich am besten an einem Beispiel von heise Tipps+Tricks zeigen. Der Clip erklärt, wie man die Lautsprecher eines iPhone trocknet, wenn das Handy ins Wasser gefallen ist. Er dauert 20 Sekunden und ist in elf Einstellungen unterteilt, die jeweils zwischen einer halben und 4 Sekunden dauern.

  1. 0:00 Anna stellt eine Frage: "Euch ist das Handy ins Wasser gefallen und nun sind eure Lautsprecher verstopft?"
  2. 0:02 Kamera zeigt Handy im Wassertopf, untermalt von einem dramatischen Akkord.
  3. 0:03 Halbtotale: Aufblasbares Maskottchen reagiert
  4. 0:03 Maskottchen in Nahaufnahme
  5. 0:04 Anna erklärt: "Wir kennen einen Weg …"
  6. 0:05 Close-up Anna: "… wie ihr ihn wieder freibekommt."
  7. 0:06 Logo "heise Tipps+Tricks" mit kurzem Erkennungs-Jingle
  8. 0:08 Handy-Bildschirm zeigt Google im Browser. Stimme aus dem Off: "Sucht auf Google einfach nach der Webseite Fix my Speakers …"
  9. 0:12 Schnitt auf Webseite: "… und tippt auf den Button in der Mitte."
  10. 0:14 Zeitrafferschwenk auf den iPhone-Lautsprecher. Stimme: "Jetzt wird ein Ton abgespielt, dessen Frequenz das Wasser aus den Lautsprecheröffnungen drückt."
  11. 0:18 Lautsprecher etwas weiter weg. Stimme: "Das kann eine ganze Weile dauern. Ihr braucht also etwas Geduld."

Es gibt auch Accounts, die mehrere schnelle Tipps hintereinander zeigen. TikTok-Kanäle wie "Die Tagesschau" oder "Herr Anwalt" brechen komplexe Themen so runter, dass die Zuschauer die wichtigsten Informationen trotz der Kürze der Videos gut aufnehmen und verarbeiten.

Übertreiben Sie es aber nicht: TikTok ist nach wie vor eine Unterhaltungsplattform. Wenn der Inhalt eines Videos zu kompliziert ist oder der Informationsschwall überfordernd wirkt, werden viele Nutzer schnell zum nächsten Video wischen.

heise Tipps+Tricks erklärt auf TikTok in 20 Sekunden mit 10 Schnitten, wie man Lautsprecher eines iPhone trocknet.

Wie lange braucht Ihr zur Produktion eines solchen kurzen Clips?

Für den 20-sekündigen Clip wurden sechs Einstellungen aufgenommen, das Rohmaterial war 2:35 Minuten lang. Zuvor musste das Thema recherchiert und ein kleines Drehbuch geschrieben werden: Aufsager formulieren, Anleitung in Stichpunkten zusammenfassen, Büroplatz herrichten, Wasserbehälter organisieren, kleiner Sketch mit dem Einhorn-Maskottchen Manni.

Zur Aufnahme nutzen wir zwei iPhones, eines mit Lavalier-Mikrofon für den Ton. Die Videoaufnahmen und Tonspuren werden anschließend in Final Cut Pro editiert und geschnitten und auf TikTok hochgeladen. Von der ersten Idee bis zum fertigen Clip arbeiten daran drei bis vier Personen, alle zusammengerechnet etwa zwei Arbeitsstunden.


Kann man TikTok-Videos auch direkt auf einem Smartphone fabrizieren?

Ja, das geht. Für einfache Videos bietet TikTok einen Editor an, mit dem man auch lizenzierte Sounds und Musik-Clips einbinden und zusätzliche Bildeffekte und Symbole einblenden kann. Zusätzliche Erklärungen (Voiceovers) können Sie direkt in der App einsprechen und sogar Greenscreen-Aufnahmen erstellen.

Wenn Ihnen die TikTok-App nicht genügt, können Sie mit dem kostenlosen "VN Videobearbeiter" von Ubiquiti Labs bis zu fünf Video-, Audio- und Textspuren verarbeiten.

Als kostenpflichtige App können wir LumaFusion von Luma Touch empfehlen. Die 40 Euro teure App für iOS, macOS und Windows (Android geplant) bearbeitet bis zu sechs Video- und sechs weitere Audiospuren. Mit der App können Sie Tonspuren und Farben korrigieren sowie Texte einblenden.

Der Video-Editor der TikTok-App bringt bereits einfache Funktionen zum Schnitt und zur Musikuntermalung mit.

Wie verbessere ich den Ton?

Stellen Sie sicher, dass Sie Ihre Videos in einer ruhigen Umgebung aufnehmen. Sowohl die Mikrofone im Smartphone als auch Lavalier-Ansteckmodelle haben eine Kugelcharakteristik. Das bedeutet, sie zeichnen den Schall aus allen Richtungen gleich laut auf. Bei einem Sprecher stören aber nicht nur Nebengeräusche, sondern auch der Hall vom Raum. Um den Hallanteil zu reduzieren, sollte der Mund möglichst nah am Mikrofon sein. Sprechen Sie aber nicht direkt rein, um Poppgeräusche zu vermeiden. Um den Hall bei einer Stimme aus dem Off (Voiceover) zu reduzieren, können Sie sich vor oder in einen offenen Kleiderschrank setzen, der eine prima Sprecherkabine abgibt.

Eventuelle Störungen reduzieren Sie nachträglich in der Schnittsoftware mit einem Equalizer. Schneiden Sie etwa alles unterhalb von 80 Hz mit einem Hochpassfilter weg, um Trittschallgeräusche vom Mikrofon zu verringern. Mit einem schmalbandigen Glockenfilter (Bell-Filter) reduzieren Sie eventuell störende Resonanzen im Raum. Wenn die Stimme zu dumpf klingt, heben Sie den Bereich um 2 bis 3 kHz etwas an.

Wenn die Aufnahmespur zu leise ist, können Sie den Pegel im Schnittprogramm anheben. Lassen Sie bei den Pegelspitzen (Peaks) aber zur oberen 0-dB-Linie mindestens 1 dB Platz, um Übersteuerungen zu verhindern. Ist der Ton dann noch immer zu leise, gleichen Sie Lautheitsschwankungen mit einem Kompressor aus. Er reduziert Peaks und kann das Gesamtsignal weiter anheben. Aber Achtung: Dadurch steigt auch der Pegel von Nebengeräuschen. Diese können Sie mitunter mit einer vorgeschalteten Rauschunterdrückung oder einem Gate reduzieren.

Aber treiben Sie es nicht bis zur Perfektion. Für TikTok ist eigentlich nur wichtig, dass alles gut zu verstehen ist. Kleinere Anpassungen bezüglich der Lautstärke können Sie sogar direkt in der TikTok-App vornehmen und brauchen dafür kein teures Schnittprogramm.


Was sollte ich beim Hochladen eines TikTok-Clips beachten?

Wenn Sie mit einer Schnittsoftware arbeiten, exportieren Sie das fertige Video im Format 9:16 und Full HD (1080 × 1920) im Codec H.264 mit AAC-Ton. Bild und Ton verpacken Sie in einen MP4-Container. Auf Apple-Geräten können Sie alternativ einen platzsparenderen M4V-Container nutzen.

Damit Ihre Videos möglichst viele Nutzer erreichen, sollten Sie den Zeitpunkt Ihrer Veröffentlichung richtig wählen. Generell sind zwischen 6 und 10 Uhr morgens sowie zwischen 19 und 23 Uhr abends besonders viele Nutzer aktiv.

Wenn Sie auf Kommentare eingehen und mit Ihren Zuschauern kommunizieren, reagieren auch mehr Nutzer auf Ihr Video. Durch diese Interaktionen vergrößert sich die Chance, dass ein Clip viral geht und die Zuschauerzahlen deutlich ansteigen.

Über Hashtags können Sie den Inhalt Ihrer Clips kategorisieren, sodass sie leichter gefunden werden. Allerdings hält der TikTok-Betreiber ByteDance den Auswahl-Algorithmus geheim. Deshalb ist es unklar, ob Hashtags bei der Verbreitung von Videos helfen oder der Algorithmus Inhalte anders erkennt und Zielgruppen zuordnet. Im Vorteil sind Produzenten, die auf aktuelle Trends reagieren und kurzfristig zu einer viralen Challenge oder einem populären Song ein passendes Video hochladen.

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