iX 10/2016
S. 118
Wissen
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Kurz erklärt: Memristor

Schalter mit Gedächtnis

Der Memristor könnte Basis einer neuen Rechnergeneration werden. Der Name ist ein Hybrid aus „Memory“ und „Resistor“. Er ist neben Widerständen, Kondensatoren und Spulen der vierte Grundbaustein in der Elektronik.

Bei Memristoren handelt es sich um elektronische Bauelemente. Sie ermöglichen eine deutlich leistungsfähigere Art elektronischer Schaltungen, als wir sie heute kennen – und sogar die Abkehr vom binären Code, weil sie mehr als nur zwei Zustände einnehmen können. Sie speichern Information nicht in Form von Ladung, sondern als Widerstand. Deswegen arbeiten große Hersteller wie HPE, IBM oder Intel bereits an ihrer Implementierung. Allerdings stellt die Kontrolle der Zustände noch eine große Herausforderung dar, sodass der Fokus der Entwickler auf dem Einsatz als Speichertechnik liegt – als „non-volatiler RAM“ (NV-RAM) und Alternative zum Flash-Speicher. Erste Prototypen gibt es bereits.

Langfristig könnte der Memristor den 1947 eingeleiteten Triumphzug des Transistors beenden. Er ist schneller und kleiner als ein Transistor, spart Energie und erlaubt eine höhere Packungsdichte für Information. Grundsätzlich verbraucht er weniger Energie als ein Transistor, da er mit geringeren Spannungen arbeitet.

Je nach Vorgeschichte befindet sich der Memristor in einem Zweig der Hysteresekurve. In diesem Beispiel schaltet eine hohe positive Spannung auf Zustand 2, während eine hohe negative Spannung ihn wieder zurücksetzt. Für kleine Spannungen ist die Steigung und damit der Widerstand konstant, der Zustand kann gelesen werden.

Die hervorstechende Eigenschaft: Sein Widerstand ist nicht konstant, sondern hängt von seiner Vergangenheit ab (siehe Abbildung). Damit ist die Größe des Widerstands über den zeitlichen Verlauf des geflossenen Stroms einstellbar. Im Anschluss bleibt der eingestellte Widerstand auch ohne Energiezufuhr erhalten.

Das fehlende vierte Element

Die Existenz des Memristors wurde 1971 von Leon Chua postuliert [1]. Der Physiker bewies in einem kontrovers diskutierten Papier, dass es neben Widerständen, Kondensatoren und Spulen ein viertes passives Bauelement geben müsse, dessen Eigenschaften sich nicht durch eine beliebige Kombination der anderen drei Bauelemente nachbilden lassen. Chua prägte auch den Namen Memristor.

2007 stellten Entwickler unter Richard Stanley Williams erstmals eine Realisierung in Form eines Dünnschichtverbundes her. Forscher der HP Labs bauten dann ein Jahr später einen Memristor, bestehend aus einer nur wenige Nanometer dicken Titandioxid-Schicht zwischen zwei Platinelektroden.

Theoretisch besitzt er nur die Eigenschaft „Memristance“ – wie die ideale Spule keine anderen Eigenschaften als ihre Induktivität hat. In der Praxis wird jeder Memristor auch andere elektrische Eigenschaften aufweisen – genauso wie ein realer Kondensator einen endlichen Widerstand hat. Ein idealer Memristor ist außerdem „symmetrisch“. Das heißt: Die Beziehung zwischen Strom und Spannung ist glatt und symmetrisch wie in der Abbildung. In der Realität zeigen Memristoren aber in der Regel ungleichgewichtige Strom-/Spannungseigenschaften. Außerdem erreicht der bisher realisierte Memristor-NV-RAM – bedingt durch die noch nicht ausgereifte Implementierung – erst rund ein Zehntel der Geschwindigkeit marktüblicher DRAMs.

Computersynapsen

Weil Memristoren „lernen“ können, ließen sich damit Computer bauen, die ähnlich funktionieren wie die Synapsen in unserem Gehirn. Hewlett-Packard entwickelte nach dem damaligen Forschungserfolg das Konzept von „The Machine“. Dabei handelt es sich um eine Computerarchitektur auf Basis von Memristoren, deren Module mit Schaltzeiten von wenigen Pico-Sekunden arbeiten sollen. Allerdings gibt es bisher keine Prototypen.

Nicht nur die großen Hersteller wollen Memristoren bauen. Am 22. August 2016 wurde das Chua Memristor Center (CMC) in Dresden ins Leben gerufen – als Netzwerk von Wissenschaftlern aus Informatik, Elektrotechnik, Physik und Chemie, die an Memristoren forschen. Gegründet von Ronald Tetzlaff und Thomas Mikolajick von der Technischen Universität Dresden sowie Dietmar Fey von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, soll das CMC dieser Revolution auf dem Gebiet der Schaltungstechnik den Weg bereiten. An der ETH Zürich ist es Forschern im vergangenen Jahr gelungen, einen fünf Nanometer kleinen Memristor herzustellen, der drei stabile Zustände besitzt. Somit kann er nicht Bits aus Nullen und Einsen aufzeichnen, sondern „Trits“. Mit solchen Bauteilen könnte man Computer entwickeln, die mit Fuzzylogik arbeiten, die Informationen „zwischen“ der 1 und der 0 verarbeitet und so eine weniger starre Informatik erlaubt. (jab)