iX 10/2022
S. 43
Markt + Trends
Retrospektive

Vor 10 Jahren: Schlangenöl statt Datenschutz

Anbieter von Webinhalten sollen freiwillig aufs Sammeln persönlicher Daten verzichten, wenn die Anwender das ausdrücklich so wünschen. Do not Track nennt sich das dafür angedachte Verfahren.

Was ist der gemeinsame Nenner von einem Schluck Schlangenöl, einem zahnlosen Tiger und einer Sonnencreme aus der Sprühdose? Ein Blick auf die Zeitleiste klärt auf: Vor 10 Jahren beschäftigte sich die iX 10/2012 mit dem Schlangenöl der Nutzerverfolgung im Web, fünf Jahre später bezeichneten die Journalisten von netzpolitik.org das Verfahren als zahnlosen Tiger, weitere drei Jahre darauf ergänzte Gizmodo die Sprühdose. In allen drei Fällen ging es um die Ergänzung Do not Track im HTTP-Header als Anweisung für die Webserver, ihre Finger bitteschön von den Daten der Nutzer von Webangeboten zu lassen, sie nicht zu verfolgen und Daten über das Surfverhalten nicht zu speichern. Sie wurde tatsächlich in einigen Browsern eingebaut, von zahllosen Websites ignoriert und ist heute eine Fußnote in der Geschichte des Datenschutzes.

Dabei war Do not Track eigentlich eine schöne Idee, ganz dem freien Geist des ursprünglichen Internets entsprechend. iX-Autor Christian Kirsch verglich sie im Oktober-Editorial 2012 mit der Frauenquote in Unternehmen und schrieb bissig: „Alle wissen, dass etwas passieren muss – aber das täte ja irgendjemandem weh. Also tut man nichts, sondern tut so, als ob man etwas täte. Do not Track nun ist so etwas wie die freiwillige Frauenquote für das Tracking.“ In seinem Kommentar verglich er Do not Track zudem mit dem Schlangenöl, das Betrüger im Wilden Westen als Allheilmittel verkauften. Fünf Jahre später bemühte netzpolitik.org den zahnlosen Tiger, weil Do not Track als Standard immer noch nicht verabschiedet und damit ein IT-Placebo war. Die von Gizmodo 2018 angeführte Sprühdose ist etwas schwieriger zu erklären: Viele Menschen besprühen sich mit Sonnencreme, massieren diese aber nicht ein, womit der Schutz sofort flöten geht, wenn man ins Wasser aka Internet springt.

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