iX 12/2022
S. 53
Markt + Trends
Retrospektive

Vor 10 Jahren: Der endlose Kampf gegen die Internetzensur

Die Machthaber in autoritären Staaten wie China und Iran setzen alles daran, die freie Kommunikation im Internet zu unterdrücken. Anlass zur Befürchtung, dass ihnen das gelingt, gibt es heute noch mehr als 2012.

In seinem grundlegenden Aufsatz „On Distributed Communcation“ von 1964 beschäftigte sich der Internet-Pionier Paul Baran mit der Frage der „Sensitivity to Node Destruction“: Lässt sich der Ausfall eines Kommunikationsnetzes verhindern, wenn möglichst viele Knoten miteinander verbunden sind? Spätere Internet-Enthusiasten folgerten daraus, dass das Internet keine Zensur kennt, weil es sie umgeht. Doch dieser Techno-Optimismus war wohl allzu schlicht gestrickt: Spätestens nach dem Arabischen Frühling 2011 zeigte sich, dass nicht nur China mit seiner Great Firewall Technik einsetzen kann, um die Netzkommunikation und damit die Opposition zu unterdrücken. Was dagegen helfen könnte, war Thema der iX-Titelstory im Dezember 2012 über Zensur im Internet. Unter der Überschrift „Der Große Wall – Internetzensur und Schlupflöcher, die bleiben“ beschäftigte sich der Autor Stephan Barth mit Ansätzen wie Tor, Jondonym und der Verschleierung verschlüsselter Inhalte.

In den von ihm vorgestellten Szenarien findet sich der Fall, an „definierten Kontaktpunkten zu ausländischen Netzen den Zugriff zu unterbinden – sofern die relevanten Knotenpunkte alle unter der Kontrolle der staatlichen Stellen sind“. 10 Jahre später zeigt sich, dass es eine Steigerung dieser Variante gibt. Mit einer gemeinsamen Recherche haben die Faktenchecker von Correctiv, der taz und netzpolitik.org Ende Oktober eine Firma in Meerbusch bei Düsseldorf enttarnt, die als Außenstelle des iranischen Netzproviders Abr Arvan mit seiner ArvanCloud fungiert und die Webseiten iranischer Botschaften in Südafrika, Tunesien und Zypern auf Servern in Deutschland und den Niederlanden hostet. Selbst wenn alle relevanten Knotenpunkte zum iranischen Internet geschlossen wären, könnten diese Server ungestört Propaganda für das theokratische Regime der Mullahs verbreiten.

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