MIT Technology Review 4/2018
S. 95
Fundamente
Rückschau

Trotz Zulassung gescheitert

An dieser Stelle blicken wir zurück auf Artikel, die vor fünf Jahren in Technology Review erschienen sind. Diesmal: Durchbruch für Gentherapien

TECHNOLOGY REVIEW 4/2013 Happy End für Gentherapie – das erste Produkt wurde zugelassen.

Das Unternehmen UniQure hat die erste jemals in der westlichen Welt zugelassene Gentherapie entwickelt“, schrieben wir in Heft 4/2013. Die Fachwelt atmete auf. Allem Anschein nach war der niederländischen Biotech-Firma mit „Glybera“ ein Durchbruch gelungen, nachdem frühere Anläufe von anderen Firmen und Forschern zum Teil tödlich geendet waren.

Die Therapie richtete sich an Betroffene der seltenen Stoffwechselkrankheit Lipoprotein-Lipase-Defizienz. Deren Körper stellt aufgrund eines Gendefekts ein fettspaltendes Enzym nicht richtig her. Deshalb sammelt sich Fett im Blut und führt unter anderem zu Entzündungen der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis).

In einer Studie wurde 27 Patienten in einer Einmalbehandlung die gesunde Genkopie injiziert. Die Wirkung schien wie erwartet: Die schlimmen Pankreatitis-Fälle traten bei einigen Patienten gar nicht mehr oder seltener auf, obwohl sie nicht ganz so viel Enzym produzierten wie Gesunde. Im November 2012 gab die europäische Zulassungsbehörde EMA grünes Licht für Glybera – allerdings nur für fünf Jahre und unter Auflagen. Unter anderem sollte UniQure Daten über zwölf weitere Patienten einreichen.

Dazu kam es nicht. Viereinhalb Jahre später stellte UniQure keinen Neuantrag mehr. Als Grund gab die Firma an, dass Glybera zu selten nachgefragt worden sei. Tatsächlich hatte weltweit erst eine weitere Patientin die Therapie erhalten, und zwar 2015 an der Berliner Charité. Selbst in diesem Fall war es schwer, an die 900000 Euro teure Behandlung heranzukommen, weil die deutschen Behörden von der behandelnden Ärztin Elisabeth Steinhagen-Thiessen einen umfangreichen Antrag angefordert hatten. Ein weiteres Problem: Glybera senkt die Fettmenge im Blut offenbar nicht dauerhaft, wie die EMA im Jahr 2013 befand.

Inzwischen konzentriert sich UniQure bei seinen Projekten auf häufigere Krankheiten. Eine Behandlung für die Bluterkrankheit Hämophilie befindet sich bereits in der mittleren Phase-II-Studie. Auch an einer Gentherapie für die Huntington-Krankheit wird gearbeitet. VERONIKA SZENTPÉTERY-KESSLER