MIT Technology Review 1/2023
S. 100
Review
Medien

Der Sozialphilosoph Wigbert Tocha übt aus einer linken Position heraus Kritik an der Umweltbewegung – teils mit Argumenten, die auch aus rechtspopulistischen Kreisen stammen könnten.

Gregor Honsel

Fridays for Technokratie

Wigbert Tocha: Grüne Gier. Warum die Blütenträume des Öko-Kapitalismus nicht reifen. Oekom, 216 Seiten, 20 Euro (E-Book: 15,99 Euro).
Wigbert Tocha: Grüne Gier. Warum die Blütenträume des Öko-Kapitalismus nicht reifen. Oekom, 216 Seiten, 20 Euro (E-Book: 15,99 Euro).

Ökonomie und Ökologie lassen sich versöhnen – dieser Konsens hält die deutsche Energiewende seit Jahrzehnten zusammen. Der Sozialphilosoph Wigbert Tocha arbeitet sich daran mit polemischer Schärfe ab: „Ökologische Probleme werden bestenfalls verlagert, aber nicht gelöst“, schreibt er in seinem Buch Grüne Gier. „Im Kern wird nur das Mantra des Höher, Schneller, Mehr und Größer wiederholt.“ Dem Neokapitalismus sei es gelungen, „einen Teil der Umweltbewegung zu vereinnahmen“, darunter auch die Fridays-for-Future-Bewegung. Dabei sei die „kapitalistische Ökonomie strukturell unfähig, eine Wende zu vollziehen“. Im „fortschreitenden Technizismus“ sieht Tocha gar „Züge des Totalitären“. Ebenso wie die Atomkraft befeuerten erneuerbare Energien den „Traum von der unbegrenzt zur Verfügung stehenden Energie und des unbegrenzten Wachstums“ und seien „Ausdruck eines alten Denkens“.

Als Alternative plädiert er für eine dezentrale, sich selbst versorgende „Bedarfswirtschaft“, die sich daran orientiert, was für ein „auskömmliches Leben“ und zur „Aufrechterhaltung der Gesellschaft“ nötig ist. Die Suche nach technischen Verbesserungen und Effizienz sei zwar weiterhin sinnvoll, müsse aber mit dem Ziel eines „äußerst sparsamen Materialeinsatzes“ verbunden werden. Tocha: „Es geht nicht darum, möglichst viele Dinge zu tun, sondern ganz wesentlich darum, Dinge nicht zu tun.“