MIT Technology Review 2/2023
S. 72
Report
Jubiläum

Tanken am Tempel

Vor hundert Jahren eröffnete in Hannover die erste deutsche Tankstelle auf öffentlichem Grund.

Gregor Honsel

In den Anfangsjahren des Automobils wurde Benzin hierzulande meist in Hinterhöfen verkauft, von Apothekern oder Gastwirten, in Kanistern, Flaschen, Milchkannen. Die deutsche Mineralölgesellschaft OLEX, aus der später BP hervorging, suchte nach einer besseren Lösung. Das Ergebnis: ein reich verzierter Kiosk, der Tank und Pumpe barg. Mit Kuppeldach, Säulen und Erkern wirkte der expressionistische Rundbau wie ein Tempel. Die Bezeichnung, die OLEX für ihr neues Konstrukt fand, war allerdings ziemlich profan: „Tankstelle“.

Als Standort entschied man sich für Hannover, das damals eine höhere Autodichte hatte als Berlin oder Hamburg. Trotz protestierender Anwohner, die Gestank, Lärm und Explosionsgefahr fürchteten, eröffnete der Tanktempel im Januar 1923 am Raschplatz, direkt hinter dem Hauptbahnhof. Kurze Zeit später entstand ein ähnlicher Bau in Köln.