MIT Technology Review 2/2023
S. 93
Dossier
Nachhaltigkeit in der Industrie

Die Schlupflöcher werden kleiner

Das Lieferkettengesetz sorgt bei Unternehmen für Unruhe. Wer Sozial- und Umweltstandards unterläuft, wird es künftig schwerer haben. Dabei bringt das Gesetz nicht nur mehr Bürokratie – es macht Lieferketten auch resilienter.

Bernd Müller

Beim Weltwirtschaftsforum 1999 in Davos warb der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan dafür, dass Unternehmen mehr Verantwortung für ihre Lieferketten übernehmen sollten. Annan träumte von einem „globalen Markt mit menschlichem Antlitz“. Im „Global Compact“ verpflichteten sich Unternehmen später zur Einhaltung von zehn universell anerkannten Prinzipien, darunter Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung. Doch die Vereinbarung war freiwillig und so passierte lange nichts. Seit 2011 gibt es die UN Guiding Principles, auch diese ohne Verpflichtung.

Man konnte es also lange kommen sehen. Die Rede ist vom Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das in Deutschland seit dem 1. Januar 2023 gilt und das Freiwilligkeit durch gesetzliche Verpflichtungen ersetzt. Das hindert den Bundesverband der Deutschen Industrie nicht daran, auf den letzten Metern noch einmal Stimmung gegen das Gesetz zu machen. Wegen der Bürokratie und der aktuellen Krisen sei eine Verschiebung notwendig, so der BDI. Ganz anders sehen das Organisationen wie Amnesty oder Transparency. Ihnen geht das Gesetz nicht weit genug. So weit, so vorhersehbar. Ein Gesetz, das allen wehtut, ist vermutlich genau richtig.