Can Am Outlander 6x6 XU 1000 im Test: Mit 6 Rädern in die Nische

Can Am bietet das ATV "Outlander" auch als Sechsradvariante mit Kipperpritsche an. Das Gerät braucht eine sehr spezielle Nische, um Vorteile auszuspielen.

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Can Am Outlander 6x6 XU 1000
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Kleine Besonderheit dieses Tests vorab: Der Outlander war einmal im Juni bei mir und einmal im September, weil im Frühjahr nach 20 km ein Motorproblem auftrat, das ihn zurück in die Pressewerkstatt schickte. Vergleichende Aussagen zwischen Frühjahr und Herbst bedeuten also (leider) keine Dauertest-Situation, sondern zwei Messpunkte.

Im Vergleich zum 4x4-Outlander kommen für die Sechsradvariante als größte Punkte hinzu:

  • dritte, angetriebene Achse
  • entriegelbarer Querstabi an der hintersten Achse
  • Pritsche/Mulde, kippbar
  • Baulänge (insgesamt 3,12 m lang)
  • entsprechend höheres Gewicht (insgesamt 576 kg leer)
  • Anhängelast von 674 kg ungebremst und 907 kg gebremst

Die beiden immer angetriebenen Hinterachsen sind fix per Welle verbunden, die Differenziale sind offen und im Testmodell nicht zu schließen. Es können hinten also maximal zwei Räder gleichzeitig durchdrehen/stehenbleiben. Die hintere, am Lenker zuschaltbare Differenzialsperre des normalen Outlander könnte aber auf absehbare Zeit im 6x6 angeboten werden. Die Vorderachse des Testfahrzeugs hatte ein offenes Differenzial, es gibt sie aber auch mit einem per Visco-Kupplung automatisch sperrenden Differenzial. Ein Knopf schaltet den Vorderradantrieb zu. Die Differenziale sind je nach Paket entweder schon serienmäßig gut geschützt oder der Konfigurator hilft dabei, Schutz für sie, Kühler und die Querlenker hinzuzufügen.

Wer den Outlander kennt, wird sich in den Optionen der insgesamt 6 6x6-Modelle schnell zurechtfinden. Wir testeten die XU-Variante mit 1000er-Motor. Die fährt straßenlegal auch nicht schneller als 60 km/h, die Leistung hilft aber sehr im Gespannbetrieb, denn da zieht der Outlander bis zu 907 kg gebremst und selbst ungebremst mehr als das Fahrzeuggewicht. Can Am verwendet ein Stufenlos-Getriebe, das sich auf eine Geländeübersetzung schalten lässt.

Can Am Outlander 6x6 Details (10 Bilder)

Pritsche mit komplett demontierbarem Rand

(Bild: Clemens Gleich)

Die Pritsche hinten enthält eine abdeckbare Mulde und lässt sich kippen. Selbst bei maximaler (363 kg) oder übermaximaler Zuladung geht das meist noch recht gut, ohne vorher abzuladen, weil der Angelpunkt günstig liegt. An der Anhängerkupplung fällt auf, dass Can Am wahrscheinlich auf den Betrieb ohne Kennzeichen optimiert, denn die Kupplung liegt so eng unter dem Kennzeichen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis man sich die Hände aufschabt. Die Seilwinde vorne zieht 1588 kg, kann also den Outlander plus einen beladenen Hänger senkrecht eine Klippe hochziehen – oder, realistischer: Das Gespann aus tiefem Klebematsch befreien. Im Zubehör gibt es eine Heck-Seilwinde, die ich mir beim Bewegen mancher Baumstämme schon am Tester wünschte.

Die Bremse benötigt trotz Bremskraftunterstützer recht viel Kraft, die einstellbare Servolenkung beliebig wenig. Zusätzlich zu Heizgriffen gibt es noch eine Daumengashebelheizung, die im Herbstwetter wichtiger wurde, als man im Sommer meint. Der Schalldämpfer des 6x6 liegt im Doppelradkasten der Hinterachsen, wo es folglich heiß herauswabert. Die Kühlmitteltemperatur lag dauerhaft kurz vor 100° C, selbst im kalten Regen auf Asphalt mit 60 km/h geradeaus, und der Lüfter läuft entsprechend oft.

Vor allem die rechte Seite des Motor-Getriebe-Gehäuses wird sehr heiß. Das ist im Winterhalbjahr recht angenehm, im Sommer gewöhnt es einem das ohnehin nicht so schlaue Fahren in Shorts ab. Die US-Outlander-Foren diskutieren mögliche Abhilfen von Hitzeschilden bis hin zu anderen Motormappings; meine schnellste Lösung waren eine schwere Hose und Stiefel, die obendrein die passive Sicherheit massiv erhöhen.

Die eigenwillige Konstruktion lenkt sich so, wie sie ausschaut. Der Sechsrad-Outlander braucht zum Wenden Platz wie ein Auto, mit Ladung auf den Hinterachsen mehr. Für den Einsatz in Gärtnereien eignet er sich nur bedingt, weil die hinteren Differenziale zwar offen sind, aber die hinterste Achse nicht mitlenkt. Folglich wird sie bei Kurvenfahrt quer gezogen, was selbst bei kleinen Lenkeinschlägen große Spuren der groben Stollen im Rasen hinterlässt. Der große Vorteil der Länge: Der 6x6 steigt Hänge hoch, auf denen das 4x4 schon nach hinten umfällt. Solche Hänge gibt es bei mir allerdings nicht. Überhaupt gibt es bei mir keine Testeinsätze, bei denen das 6x6 seine Vorteile ausspielen könnte. Solche Szenarien sind recht speziell.

Can Am Outlander 6x6 at work (7 Bilder)

Minibagger trifft Minipritsche. Beladen wird der Wendekreis größer.
(Bild: Clemens Gleich)

Ein Einsatz fand mich: Ein Bekannter arbeitet bei einer Firma, die in Marokko Kamera-Fahrzeuge für die Wüste vermietet. Sie haben einen alten Polaris-6x6, der ersetzt werden soll. Deshalb kontaktierte er mich neugierig über die Can-Am-Variante. Im weichen Sand kann der Sechsradantrieb seine Vorteile ausspielen, Wendigkeit ist sekundär, Nutzlast wichtig. Andere Einsatzgebiete erfuhr ich vom Can-Am-Verkauf. Bei der Bergrettung kommen die Fahrzeuge zum Einsatz, weil sie über jeden Untergrund von Asphalt im Tal bis Tiefschnee oben fahren und zudem eine liegende Person als Krankentransport gut aufnehmen können. Im Geröll bei entsprechender Verschränkung hilft der aushakbare Querstabilisator. Sumpfige Wälder oder andere Extremlagen der Forstwirtschaft wären ein anderes Beispiel.

Überhaupt lässt sich die winzige Nische des 6x6 so definieren: Kleinere Lasten müssen über weiche Untergründe weit draußen transportiert werden. Für besonders schwierige Oberflächen kann man Radketten montieren. Bei den Ersatzteilen kann man sich größtenteils beim verbreiteten Outlander bedienen. Als Konkurrenz gibt es nur den Polaris Sportsman 6x6, die anderen Sechsräder gehören schon zu den Side-by-Sides mit entsprechender Breite (z. B. John Deere Gator 6x4).

Ich reite deshalb so auf dem Einsatzgebiet herum, weil die sechs Räder natürlich Eindruck schinden. Letztlich fand ich hier jedoch keinen Einsatz, bei dem ein Vierrad-Outlander, ein Side-by-Side oder ein Traktor nicht wesentlich geeigneter gewesen wäre, und meine Gegend wird schon als "Badisch Sibirien" bezeichnet. Gleichzeitig steht der 6x6 mit seinem Potenzial da und schreit still "Ich will die Montée Impossible fahren!". Es bräuchte mehr Schnee, steilere Matschhänge, größere Sandflächen und andere Dinge, die zwar selten sind, die es aber durchaus in deutschen Mittelgebirgslagen gibt. Wenn Ihr ATV beim Baumstämme ziehen Männchen macht und der Traktor zu breit ist, findet sich zwischen beiden vielleicht die Nische für drei angetriebene Achsen.

Der Can Am Outlander 6x6 XU+ 1000 kostet ab 21.199 Euro, die 650-cm3-Variante mindestens 18.699 Euro.

(cgl)