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Erste Ausfahrt Toyota Mirai II: Wasserstoff statt Strom

Stefan Grundhoff
Toyota Mirai

Der zweite Mirai zeigt sich im Detail verbessert. Ob er damit größere Chancen hat, Interessenten zu überzeugen?

(Bild: Toyota)

Toyota hat sich ambitionierte Ziele gesteckt mit der zweiten Generation des Mirai. Auch er gewinnt Strom aus H2 in einer Brennstoffzelle. Ist das die Zukunft?

So ganz grundsätzlich scheint die Vorstellung einfach verlockend: Ein Elektroauto, so schnell mit Energie versorgt wie ein Verbrenner. Wie so häufig im Leben gilt jedoch auch hier, dass ein Umstand, der zu gut klingt, um wahr zu sein, es eben meistens auch nicht ist. Dennoch halten einige wenige tapfer an der Idee einer mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzelle im Pkw fest. Dazu zählt auch die Marke Toyota, die ab Anfang 2021 den zweiten Mirai verkaufen will.

Die gesetzten Ziele klingen ambitioniert: Zehnmal mehr Mirai sollen verkauft werden, heißt es bei Toyota. Das hört sich viel an, doch eine Steigerung dieser Größenordnung ausgehend von "fast nichts" bedeutet nicht, dass hier mit dem nächsten Publikumsmagneten zu rechnen wäre. Zumindest formal legen die Japaner dieses Mal keine riesigen Hürden auf: Das Design scheint uns mehrheitsfähig, auch im Innenraum sieht alles ansprechend zusammengesetzt aus. Verarbeitung und Funktionalität sind, typisch Toyota, tadellos. Wer unbedingt mäkeln will: Die vordere Kante des Glasdachs beginnt auch bei großen Fahrern erst über dem Hinterkopf.

Spannend ist der Mirai natürlich in erster Linie aufgrund seines Antriebs. Getankt wird Wasserstoff, den eine Brennstoffzelle in Strom verwandelt. 5,6 kg Wasserstoff können gespeichert werden, die maximale Reichweite soll laut Toyota bei 650 km liegen. In der Praxis ist eher mit Verbrauchswerten von rund einem Kilogramm auf 100 km zu rechnen. Ein Kilogramm Wasserstoff kostet derzeit 9,50 Euro – ein subventionierter Preis, da von zahlreichen Steuern befreit. Um das einmal ins Verhältnis zu setzen: Obwohl wir in Deutschland europaweit führend sind, was den Strompreis anbelangt, müsste ein E-Auto schon mehr als 31 kWh/100 km verbrauchen, um bei 0,3 Euro je Kilowattstunde auf diesen Betrag zu kommen.

Und das ist nur die Kostenseite. Die Erzeugung von Wasserstoff ist energieaufwendig. Betrachtet man die gesamte Kette, hat die Brennstoffzelle hinsichtlich der Effizienz keine Chance gegen ein batterieelektrisches Auto. Bleibt der Vorteil des schnellen Tankens, der sich allerdings relativiert, wenn direkt vor einem jemand Wasserstoff geholt hat. Denn dann muss erst wieder Druck aufgebaut werden, bevor ein erneuter Tankvorgang möglich ist. Bei der aktuellen Dichte an Wasserstofffahrzeugen ist das kein Problem, selbst vor dem Hintergrund der gewissermaßen nicht vorhandenen Infrastruktur. Doch bei einer stark steigenden Zahl von H2-Fahrzeugen würden die Konflikte erst beginnen, denn eine Wasserstoff-Zapfstelle ist extrem teuer. Würde Wasserstoff jedoch ähnlich besteuert werden wie Strom, wäre das E-Auto – von den Kosten her betrachtet – schon über alle Berge, noch bevor die Brennstoffzelle auch nur zwei Meter zurückgelegt hätte.

In der zweiten Generation des Mirai hat Toyota einige Verbesserungen vorgenommen. Der Brennstoffzellenstack hat mit 330 nun 40 Zellen weniger als bisher, doch die Leistungsdichte stieg auf 5,4 kWh/l. Der E-Motor leistet 128 kW. Toyota nennt für den gesamten Antriebsstrang einen Effizienzgewinn von 10 Prozent. Kein Problem mehr soll das Kaltstartverhalten sein. "Das klappt mittlerweile bis zu einer Temperatur von Minus 30 Grad Celsius", versichert Chefentwickler Yoshikazu Tanaka. Statt der bisherigen Nickel-Metallhydrid-Batterie verwendet Toyota ein Lithium-Ionen-Akkupaket mit 84 Zellen. Seine Nominalspannung wurde von 245 auf 311 Volt gesteigert bei einer von 6,5 auf 4 Amperestunden reduzierten Kapazität. Das Gewicht des Stromspeichers sank von 46,9 auf 44,6 kg.

Unterwegs unterscheidet sich der Mirai erst einmal wenig von einem batterieelektrischen Auto. Der Wagen legt leise und kraftvoll ab. Zu hören ist trotz der umfangreichen Dämmmaßnahmen bei mittleren Geschwindigkeiten, dass unter der Haube Wasserstoff in elektrische Energie umgewandelt wird. Dass der Verarbeitungsprozess wegen des dafür nötigen Kompressors und Pumpen für Fahrer und Passagiere nicht geräuschlos vonstatten läuft, liegt auch daran, dass der zweite Mirai II ansonsten wirklich sehr leise ist. Bei höheren Geschwindigkeiten dominieren Wind- und Abrollgeräusche, allerdings bleiben auch sie im Hintergrund.

Trotz eines Leergewichts von mindestens 1900 kg ist der Mirai bei Bedarf flott unterwegs. 128 kW und 300 Nm scheinen nicht viel angesichts der Masse, die hier in Bewegung gesetzt werden soll.

[Korrektur, 7.12.2020]

Der Brennstoffzellen-Stack leistet 128 kW, der E-Motor 132 kW. Die volle Leistung steht nur kurze Zeit zur Verfügung, denn die Batterie ist mit einem Energiegehalt von 1,2 kWh bewusst klein dimensioniert.

Doch die 4,98 Meter lange Limousine reizt nicht zum schnellen Fahren, obwohl sie immerhin 175 km/h schafft. Im Alltag schwimmt der Mirai locker mit.

Toyota Mirai II (16 Bilder) [1]

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Gut fünf Jahre nach dem Start der ersten folgt nun die zweite Generation des Toyota Mirai.

Zu einem insgesamt komfortablen Eindruck trägt auch die Fahrwerksabstimmung bei. Sie filtert viel heraus, zeitoptimiertes Wedeln zwischen Kunststoffkegeln hatte keine Priorität. Bei der Lenkung hat man es mit der Entkoppelung ein wenig übertrieben: Sie dürfte mehr Rückmeldung von der Fahrbahn geben. Für das gute Fahrgefühl sorgt nicht zuletzt die ausgewogene Gewichtsverteilung von 50:50 sowie die Basis der modularen GA-L-Plattform, eine steife Karosserie sowie die neu entwickelte Mehrlenkeraufhängung vorn wie hinten.

Mit 65.000 Euro ist der zweite Mirai etwas weniger teuer als der erste. Die Japaner schöpfen auch aus diesem Umstand die Hoffnung, deutlich mehr zu verkaufen. Unterstützend wird Toyota wieder eine Komplettausstattung beilegen – der Mirai-Käufer muss sich nur noch eine Farbe aussuchen. Ob das reicht, die bisherigen Verkaufszahlen zu verzehnfachen, darf bezweifelt werden, trotz der spürbaren Fortschritte. 67 Mirai wurden im vergangenen Jahr in Deutschland neu zugelassen. Zum Vergleich: Die meisten Modelle von Ferrari und Maserati waren erfolgreicher. Und dabei wird es vermutlich bleiben, so verlockend die Idee eines E-Autos, das sich schnell wie ein Verbrenner mit Fahrenergie versorgen lässt, auf den ersten Blick auch erscheinen mag.

(mfz [3])


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