Bescheidenheit ist eine Zier: Die überarbeitete Yamaha MT-09 SP im Test

Yamaha hat für die aktuelle Saison seine MT-09 komplett renoviert – und kaum ein Wort darüber verloren. Unser Test zeigt: Das ist falsche Bescheidenheit.

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Die ohnehin schon gute Yamaha MT-09 wurde noch einmal fühlbar besser

(Bild: Ingo Gach)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Wo andere Hersteller lautstark die Werbetrommel rühren würden, erwähnte Yamaha bescheiden und fast nebenbei, dass nicht nur das Design, sondern auch Motor, Rahmen und Schwinge neu sind und auch die Elektronik ein umfassendes Update bekommen hat. Dabei ist die MT-09 nach der MT-07- Baureihe (Test) das wichtigste Modell im Programm der Marke mit den drei gekreuzten Stimmgabeln im Logo.

Seit die MT-09 im Jahr 2013 auf den Markt kam, belegt sie regelmäßig vordere Plätze in den Verkauf-Charts, im eigenen Haus nur getoppt von der kleineren und günstigeren MT-07. Ohne den brillanten Dreizylinder würde es Yamaha heute sicher nicht so gut gehen. Dreizylinder sind durch ihren quasi natürlichen Hubzapfenversatz von 120 Grad immer Crossplane-Motoren und haben schon dadurch Vorteile der bei ihrer Leistungsentfaltung. Yamaha hat diese Chance genutzt, der Motor konnte von Anfang mit vorbildlicher Laufkultur glänzen: Eine lineare Leistungsentfaltung gepaart mit Drehfreude und beinahe völlig vibrationsfrei. Für 2021 bleibt dennoch kaum ein Detail unangetastet.

Die Testmaschine ist eine MT-09 SP. Sie verfügt im Vergleich zur Basis-Version unter anderem über voll einstellbare Federelemente, mehr elektronische Assistenzsysteme, eine Schwinge aus gebürstetem Aluminium, diverse schwarz eloxierte Teile wie den Lenker und die Handhebel sowie einen dunkel getönten Bremsflüssigkeitsbehälter, kostet dafür aber mit 11.599 Euro auch 1800 Euro mehr.

Natürlich springt die neu gestaltete Front der MT-09 sofort ins Auge – und die ist zumindest gewöhnungsbedürftig. Böse Zungen reden wegen des einzelnen, kleinen LED-Scheinwerfers vom "Zyklopen", aber das sieht in natura gar nicht mal so schlecht aus, zumal das "Auge" von zwei schrägen LED-Tagfahrleuchten flankiert wird. Das Problem ist das graue, zerklüftete Plastik drumherum: Es wirkt wie ein Provisorium aus der Entwicklungsphase. Seitlich kommen zwar zwei lackierte Blenden zum Einsatz, aber sie verstärken nur den Eindruck, dass hier eine farblich abgestimmte Frontmaske oder ein trendiger Fly-Screen fehlt. Auch über dem Rahmendreieck verzichtet Yamaha auf Kunststoffblenden und lässt den Blick auf nicht wirklich ästhetische Details frei und erhöht den Putzaufwand, weil sich hier Dreck und Spritzwasser ungehindert verteilen können.

Im Design bleibt die MT-09 dem Auftritt mit breiter Brust, schmaler Taille und knappem Heck treu. Waren die Hutzen bislang nur Attrappen, lenken sie beim 2021er-Modell seitlich des neu geformten Tanks tatsächlich die Luft. Der Brückenrahmen aus Aluminium wurde komplett neu entwickelt, denn Yamaha wollte seinem Dreizylinder-Naked Bike ein noch besseres Fahrverhalten mitgeben, gleichzeitig aber auch das Gewicht reduzieren.

Fahrbericht Yamaha MT-09 SP (6 Bilder)

Yamaha hat seine MT-09 für die Saison 2021 komplett renoviert. Nicht nur das Design, sondern auch Motor, Rahmen, Fahrwerk, Schwinge und etliche weitere Komponenten sind neu. Wir bekamen die Variante MT-09 SP mit hochwertigeren Federelementen und besserer Ausstattung.

Mission accomplished: Die MT-09 wiegt mit 190 kg drei weniger als bisher. Die neuen Aluminiumfelgen sind um 700 Gramm leichter, das restliche Gewicht wurden am Rahmen gespart sowie am Endschalldämpfer – es gibt nämlich keinen mehr. Zumindest keinen sichtbaren, er versteckt sich im riesigen Sammler unter dem Motor. Aus zwei Löchern werden die Abgase direkt in Richtung Asphalt entlassen. Effektiv ist die Lösung auf jeden Fall, denn der neue Motor erfüllt die Euro-5-Norm und hat dennoch vier PS mehr zu bieten. Das liegt natürlich in erster Linie an dem um 42 auf 889 cm3 aufgestockten Hubraum. Die Höchstleistung liegt weiterhin bei 10.000/min an, aber nun sind es 119 PS. Auch das Drehmoment stieg von 88 auf 93 Nm, dafür braucht der Dreizylinder aber nicht mehr 8500, sondern nur noch 7500 Touren.

Der herrliche Dreizylinder-Sound funktioniert auch ohne sichtbaren Endschalldämpfer. Der Motor wirkt zwar im Leerlauf nicht zu laut, dennoch weist der Fahrzeugschein 96 dB(A) Standgeräusch aus, das bei halber Nenndrehzahl gemessen wird. Leider reißt die MT-09 SP damit haarscharf die heiß diskutierte 95-dB(A)-Grenze, die in Tirol für Motorräder gültig ist. Im deutschen Mittelgebirge offenbart die MT-09 SP ihre superben Federelemente, vorn arbeitet eine 41 Millimeter dicke, gold eloxierte KYB-Gabel und hinten ein Öhlins-Federbein, natürlich alles voll einstellbar. Es gibt nur wenige Fahrwerke, die so gut funktionieren, wie das der MT-09 SP. Die Yamaha ist sauschnell in Kurven, fährt wie auf Schienen, bietet jedoch genügend Reserven, um selbst auf schlechten Wegstrecken so ziemlich alle Unebenheiten und selbst fiese Löcher zu filtern.

Die Entwickler haben beim neuen Jahrgang an der Fahrwerksgeometrie getüftelt, so schrumpfte der Radstand von 1440 auf 1430 Millimeter, der Nachlauf wuchs hingegen von 103 auf 108 Millimeter, während der Lenkkopfwinkel mit 65 Grad identisch blieb. Gleichzeitig wurden die Federwege geringfügig auf 130 Millimeter vorne und 122 Millimeter hinten reduziert. Die MT-09 SP rollt auf erleichterten Aluminiumfelgen und auch bei der Reifenwahl hat sich Yamaha nicht lumpen lassen und montiert serienmäßig Bridgestone S22, die aktuell zu den besten Sportreifen auf dem Markt zählen. Das Ergebnis ist ein spielerisches Einlenkverhalten und eine neutrale Kurvenlage, während die Vorgängerin bei flotter Fahrweise leicht über das Vorderrad schob, was den Kurvenradius vergrößerte. Möglicherweise sank durch den neuen Rahmen auch der Schwerpunkt der MT-09.

Natürlich gibt es Naked Bikes mit deutlich mehr Leistung, aber die 119 PS der MT-09 SP lassen nie der Wunsch nach mehr Leistung aufkommen. Dank der Kombination aus dem kräftig anschiebenden Dreizylinder und superben Fahrwerk erweist sich die Yamaha als exzellentes Landstraßen-Bike, das bestens kontrollierbar ist und beim Vollgasbeschleunigen auch schon Mal das Vorderrad leicht lupft. Der Motor geht präzise ans Gas, der Antrieb ist fast völlig frei von Lastwechseln. Yamaha betont, dass der überarbeitete Motor nicht nur im oberen, sondern auch im mittleren Drehzahlbereich mehr Power zur Verfügung stellt. Im Fahrbetrieb bestätigt sich die Behauptung, der Dreizylinder fühlt sich bei jeglicher Drehzahl wohl und zieht selbst aus dem tiefsten Drehzahlkeller im hohen Gang anstandslos hoch.

Dabei hat die MT-09 SP auch im Komfort zugelegt. Die Sitzbank mit doppelten Ziernähten bietet nun eine breitere Fläche, während sie vorne schmal zuläuft. Selbst der Sozius sitzt bequemer als das knappe Heck auf den ersten Blick vermuten lässt, wenn auch nicht gerade fernreisetauglich. Bei einer Sitzhöhe von 825 Millimetern muss der Fahrer kein Gardemaß haben, um sicher mit beiden Füßen auf den Boden zu kommen. Ein großes Lob möchte ich Yamaha wegen der in zwei Positionen höhenverstellbaren Fußrasten aussprechen – das bieten nur die allerwenigsten Modelle serienmäßig.

Fahrbericht Yamaha MT-09 SP Details (12 Bilder)

Der Rahmen ist eine komplette Neukonstruktion und macht die MT-09 nicht nur steifer, sondern auch handlicher. Gleichzeitig wiegt er weniger als bisher. Sehr begrüßenswert: Die Fußrasten sind in zwei Positionen höhenverstellbar – das bieten nur die allerwenigsten Modelle serienmäßig.

Der Tank ist unten sehr schmal für einen guten Knieschluss, oben hingegen zeigt er sich weit ausladend, denn irgendwo müssen die 14 Liter Benzin ja hin. Die Lenkstange sitzt nun erhöht, weil der Lenkkopf am neuen Modell niedriger ist. Ich sitze entspannt aufrecht und lege mich mit nur leicht vorgebeugtem Oberkörper gegen den Fahrtwind. So lassen sich auf der Autobahn selbst Geschwindigkeiten jenseits der 130 km/h erstaunlich gut aushalten. Erst das Ausloten des Topspeeds von 215 km/h stellt deutliche Herausforderungen an die Nackenmuskulatur.

Die Bremsen vorn mit 298-Millimeter-Bremsscheiben erweist sich als hervorragend, sie verzögern mit glasklarem Druckpunkt und fein regelndem ABS. Das Getriebe der MT-09 SP hat serienmäßig einen Quickshifter mit Blipperfunktion, also Schalten nach oben und unten ohne Ziehen des Kupplungshebels. Er funktioniert vorbildlich und legt die Gänge erfreulich sanft ein, während eine Anti-Hopping-Kupplung erfolgreich die Schläge im Antriebsstrang dämpft. Lediglich das ungebührlich laute Krachen beim Einlegen des ersten Gangs beim Losfahren – mit Kupplung – trübt die sonst tadellose Performance.

Einige Innovationen der MT-09 SP arbeiten im Verborgenen. Sie verfügt nun über eine Sechs-Achsen-IMU, die auch im Superbike Yamaha R1 zum Einsatz kommt.

Vier Fahrmodi stehen zur Auswahl, außerdem lassen sich die Schlupfregelung (TCS), das Slide Control System (SCS) und Lift Control System (LIF) variieren. Darüber hinaus hält die MT-09 SP ein Bremssteuerungssystem (BS) und eine Cruise Control bereit, die ab Tempo 50 und nur in den oberen drei Gängen einsatzbereit ist. Von den vier Fahrmodi lassen sich zwei getrost vergessen: Stufe vier soll als Regenmodus dienen, kappt die Leistung aber so sehr, dass es selbst im strömenden Regen zu viel des Guten ist und in Stufe drei nervt die deutlich verzögerte Gasannahme. Auf der Landstraße benutze ich schließlich nur noch Fahrmodus eins, der Gasbefehle sehr direkt umsetzt, in der Stadt kommt meistens die Stufe zwei zum Einsatz.

Das Cockpit der MT-09 besteht endlich nicht mehr aus einem altbackenen und merkwürdig asymmetrisch geformten LC-Display, sondern einem modernen TFT-Dashboard. Allerdings fällt es mit 3,5 Zoll nur mäßig groß aus. Die Bedienung des Menüs erfordert ein akribisches Studium der Bedienungsanleitung, intuitiv geht anders. Links am Lenker befindet sich ein Wippschalter, der die Fahrmodi und die Stufen der Schlupfregelung auswählt. Rechts am Lenker dient ein kleines Rädchen für das Scrollen der restlichen Infos, seitliches Drücken wählt dann einen Menüpunkt aus. Das mag auf den ersten Blick praktisch erscheinen, aber ich stelle rasch fest, dass es während der Fahrt einige Verrenkungen erfordert, beim Drehen des Rädchens mit dem Daumen gleichzeitig das Gas offen zu halten.

Auch wenn ich zutiefst von der Performance der MT-09 SP beeindruckt bin, fallen mir doch noch zwei Punkte unangenehm auf: Der Lenkeinschlag ist gering und der Wendekreis entsprechend groß. Das kenne ich sonst fast nur von Superbikes. Was aber überhaupt nicht zum edlen Anspruch der MT-09 SP passt, sind die offenen liegenden Kabel und das darum gewickelte Tape unterhalb der Frontmaske – das sieht arg nach Bastelbude aus. Auch die einfach unter den Scheinwerfer gehängte Hupe wirkt wie nachträglich montiert. Hier könnte Yamaha, wie auch beim Bedienkonzept, mit wenig Aufwand deutlich ansprechendere Lösungen finden.

Die neue Yamaha MT-09 SP toppt ihre schon hervorragende Vorgängerin. Der größere Crossplane-Motor und das neue Fahrwerk sind brillant und gehören zu den besten auf dem Markt. Auch wenn die MT-09 SP mit 11.599 Euro kein Schnäppchen ist, rechtfertigt ihre Performance den Preis. So stören die unnötigen Kleinigkeiten umso sichtbarer das nahezu perfekte Gesamtbild.

Hersteller Yamaha
Modell MT-09
Motor und Antrieb
Motorart Otto
Zylinder 3
Ventile pro Zylinder 4
Hubraum in ccm 890
Leistung in kW (PS) 87 (119)
bei U/min 10.000
Drehmoment in Nm 93
bei U/min 7000
Antrieb Dichtringkette
Getriebe Sequenzielles Schaltgetriebe mit Schaltassistent
Gänge 6
Fahrwerk
Rahmen Deltabox-Leichtmetall
Radaufhängung vorn Upside-Down-Telegabel; Federweg in mm: 130
Radaufhängung hinten Aluminium-Zweiarmschwinge mit Feder-Dämpferbein; Federweg in mm: 122
Reifengröße vorn 120/70-17
Reifengröße hinten 180/55-17
Bremsen vorn Doppelscheibe, 298 mm, Vierkolben-Festsättel, radial montiert
Bremsen hinten Einzelscheibe, 245 mm, Einkolben-Schwimmsattel
Maße und Gewichte
Radstand in mm 1430
Nachlauf in mm 108
Lenkkopfwinkel in Grad 65
Gewicht trocken in kg 190
Tankinhalt in Litern 14
Sitzhöhe in mm 825

(fpi)