Konsumgut: Kompakt-Van Mercedes B 250e mit Plug-in-Hybrid im Test

Mercedes bietet in der B-Klasse bald einen Plug-in-Hybrid an. Wie sparsam lässt sich der Van damit im Alltag bewegen? Ein Test macht nachdenklich

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Mercedes B 250e

(Bild: Pillau)

Lesezeit: 14 Min.
Inhaltsverzeichnis

Der erste Versuch, die B-Klasse jenseits von fossilen Brennstoffen zu vermarkten, darf als gescheitert angesehen werden. Die B-Klasse Electric Drive (Test) wurde kein Massenerfolg. Das mindestens 40.000 Euro teure Auto mit einer Reichweite von 120 km erwies sich als zu kurzatmig für eine ernstzunehmende Alternative. Der zweite Anlauf, nun als Teil-Elektriker, verspricht bessere Absatzzahlen. Das liegt aber nicht an einer sensationell geschickten Umsetzung, sondern an politischen Rahmenbedingungen, die Plug-in-Hybride bevorzugen. Im Test zeigte sich, dass diese Strategie vielleicht noch einmal überdacht werden sollte.

Im B 250e kombiniert Mercedes einen 1,3-Liter-Vierzylinder mit 118 kW (160 PS) und 250 Nm mit einem E-Motor, der 75 kW und 300 Nm bietet. Letzterer ist in einem Doppelkupplungsgetriebe mit acht Gängen untergebracht. Zusammen leisten die beiden Motoren 160 kW (218 PS) und bieten 450 Nm. Immer mal wieder kommt die Frage, ob wir des Rechnens nicht mächtig seien. Doch, sind wir: In Plug-in-Hybriden ist die Systemleistung nicht immer die Summe der Einzelleistungen, weil diese bei unterschiedlichen Drehzahlen anliegen.

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Die dritte Mercedes B-Klasse ist seit 2019 auf dem Markt. Die Versuche, die Vorgänger abseits fossilen Treibstoffs zu motorisieren, waren nicht erfolgreich. Nun stehen die Chancen besser, denn ...
(Bild: Florian Pillau)

Als Speicher dienen ein 35-Liter-Tank und eine Batterie mit einer Bruttokapazität von 15,6 kWh. Im Test konnten wir im Schnitt rund 13 kWh nachladen, inklusive Vorwärmung waren es, je nach Außentemperatur, 14,5 bis 15,6 kWh. Die Batterie wiegt 150 kg und ist wassergekühlt. Geladen werden kann sie an Wechselstrom mit maximal 7,4 kW, an Gleichstrom sind immerhin 22 kW möglich. Das ist deutlich mehr, als BMW aktuell in seinen Plug-in-Hybriden zulässt.

Geladen wird die B-Klasse vermutlich oft an einer einfachen 230-Volt-Steckdose, so auch in diesem Test. Der dafür mitgelieferte Ladeziegel ist mit 10 A abgesichert, dementsprechend zeigten weder die Anzeige im Auto noch das Strommessgerät an der Steckdose mehr als 2,2 kW an. In einem Untermenü lässt sich die Ladeleistung noch weiter reduzieren. Mit 6 A steigt die Ladezeit von Null auf 100 Prozent allerdings auf mehr als zehn Stunden an.

Testwagen sind in der Regel 14 Tage in der Redaktion. Mit Plug-in-Hybriden verfliegt diese Zeit ziemlich rasch, gilt es doch sehr viele Szenarien mehrfach durchzuspielen. Im ersten Abschnitt haben wir verfolgt, was der B 250e sich genehmigt, wenn er so genutzt wird, wie es Kritiker den Plug-in-Hybriden immer wieder vorwerfen: Ohne Aufladung. Nun möchte ich niemandem etwas unterstellen, aber alle Ladekabel im 4000 km „alten“ Testwagen sahen vor dem Besuch in unserer Redaktion geradezu verdächtig jungfräulich aus. Wenn sie jemand benutzt haben sollte, hat die Person bemerkenswert umsichtig damit hantiert. Vielleicht haben die Vornutzer auch externe Kabel verwendet.

Bei extremer Zurückhaltung erfuhr ich so bei Temperaturen knapp oberhalb von Null Grad über Land einen Minimalverbrauch von 5,4 Litern. Nur der Vollständigkeit halber: Wer sich das Auto mit dem Hintergedanken anschafft, auf die 160 kW Systemleistung öfter mal zurückzugreifen, kann selbstverständlich problemlos auch vier Liter mehr auf 100 km aus dem Tank holen.

Plug-in-Hybride sollten ihre Vorteile freilich unter anderen Bedingungen ausspielen dürfen – in dem sie möglichst oft aufgeladen werden. Dann, so signalisieren es Industrie und Politik Hand in Hand, fährt so ein Auto mit Strom und alles ist gut. Doch die Verbrauchswerte sollten nachdenklich machen. Unter winterlichen Bedingungen lag schon der im Auto angezeigte Verbrauch auch mit viel Engagement nicht unter 25 kWh/100 km. Wer es nur geringfügig eiliger hat, landet rasch bei 28 bis 30 kWh/100 km – laut Anzeige. Bezogen auf den Verbrauch im Auto ist das sicher richtig, bezogen auf das, was die Fahrt kostet, nicht ganz. In der Praxis waren die 13 kWh, die wir im Schnitt einschließlich Ladeverlusten nachgeladen haben, nach rund 42 km verbraucht. Das sind dann hochgerechnet gut 31 kWh/100 km - bei behutsamer Fahrt. Im Sommer und mit einer Bereifung diesseits des im Testwagen installierten AMG-Paketes sind sicher niedrigere Werte möglich.

Basierend auf dem deutschen Strommix von 2018 – 474 Gramm CO2 je kWh – bedeutet unser E-Testverbrauch von 31 kWh/100 km in CO2 ausgedrückt: Minimal sind es 147 g/km, im Schnitt werden es eher 160 g/km. Nun tut sich beim Strommix jedes Jahr etwas in die richtige Richtung, wenn auch nicht in wünschenswertem Tempo. Der B 250e wird also über seine zu erwartende Nutzungsdauer auf diesem Weg im E-Betrieb jährlich etwas besser. Mit einem batterieelektrischen E-Auto kann er aber nicht mithalten. Das liegt unter anderem an seinem Aufbau. Denn ein E-Motor, der am Getriebe steckt, muss gegen den Widerstand von einigen in bremsendem Öl rotierenden Zahnrädern anarbeiten, was Effizienz kostet. Besser – und teurer – wäre es, den E-Motor nur die Hinterachse antreiben zu lassen. Diese Lösung gibt es, sie wird in Fachkreisen P4 genannt.

Natürlich lässt sich der B 250e vorkonditionieren, also vorwärmen. Das bringt nicht nur den Vorteil mit sich, in ein warmes Auto einsteigen zu können und keine Scheiben mehr freikratzen zu müssen. Mit der Vortemperierung sollte auch der Verbrauch etwas sinken, da der Batterie unterwegs nicht noch Energie für die Aufheizung des Innenraums entnommen werden muss. Das ist tatsächlich so, der Verbrauch unterwegs sinkt leicht, die Reichweite steigt etwas. Dafür war dann ein Zuschlag zwischen 1,4 und 2,7 kWh fällig. Die Reichweite stieg im Test nicht im gleichen Maße an, der Rest muss einfach unter Wärme-Komfort-Stromverbrauch verbucht werden.

Die Vorkonditionierung hatte noch eine weitere scheinbare Skurrilität auf Lager. Der Testwagen wurde abends abgestellt, angeschlossen und mit einer Abfahrtszeit inklusive Vorwärmwunsch versehen. Nun hätte nicht nur ich erwartet, dass zu dieser Zeit die Batterie voll und das Auto aufgewärmt ist. Doch das ist nicht der Fall: Die Vorwärmung bediente sich aus dem Speicher, zur geplanten Abfahrtszeit fehlten rund 10 Prozent. Erst etwa eine halbe Stunde später war die Batterie dann wieder voll. Die Erklärung von Mercedes ist auf den ersten Blick einfach: Der Leistungsbedarf der Vorheizung ist, gerade bei den kalten Ausgangstemperaturen Anfang Februar, höher als die an 230 Volt/10 A mögliche Ladeleistung. Also holt sich das System zusätzlich Strom aus der Batterie. An einer Wallbox mit 7,4 kW oder einer Schnellladung mit 22 kW tritt das Phänomen so nicht auf, wie uns Mercedes versicherte.

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Warum der Mercedes aber während der Vorheizung manchmal gar keinen Strom über das Ladegerät zieht, ist unverständlich und so sicher auch nicht beabsichtigt. Dazu sei gesagt: Der Testwagen wurde im August 2019 zugelassen und war in den Zulassungspapieren auch klar als „Erprobungsfahrzeug“ gekennzeichnet. Bis zum geplanten Serienanlauf könnte Mercedes solche Probleme noch aussortieren. Schlussendlich liegt die Lösung natürlich auf der Hand: Der Fahrer muss die Abfahrtszeit im System eine halbe Stunde vor den geplanten Fahrtbeginn programmieren. Dann ist das Auto warm und die Batterie voll.

Bleibt noch der Versuch, dem Auto die Verteilung von zuvor geladenem Strom und Sprit zu überlassen, was natürlich nur so lange klappt, wie noch geladener Strom in der Batterie ist. Nach ein paar Tagen kamen wir auf Werte zwischen 2,8 und 3,9 Liter Benzin sowie 12 bis 18 kWh Strom. Auch hier senkte die Vorwärmung die Verbrauchswerte unterwegs etwas. Um das einmal ins Verhältnis zu setzen: Der B 250e liegt damit im Verbrauch insgesamt deutlich über einem Toyota Corolla (Test), der mit 180 PS etwas weniger Leistung bereitstellt. Der Mercedes wird staatlich gefördert, der Toyota nicht.

Ein recht hartnäckiges Vorurteil verfolgt den Plug-in-Hybrid: Ist der Speicher leer, fährt er mit Benzin wie ein Auto ohne zusätzlichen E-Motor. Das ist nicht richtig, denn die Batterie wird nie komplett geleert. Der B 250e ist auch ohne vorherige Ladung noch erstaunlich oft rein elektrisch unterwegs, wenngleich die Anzeige für den elektrischen Streckenanteil im Kombiinstrument hier arg optimistisch ist. Denn diese erklärt einfach alles zur elektrischen Fahrt, bei der der Verbrenner nichts verbraucht – also auch Streckenanteile, in denen der Mercedes ausrollt und der Benziner keinen Sprit bekommt. Trotzdem: Durch manches Dorf auf meiner Pendelstrecke bin ich in diesem Test immer elektrisch gerollt, unabhängig davon, ob die Batterie zuvor an der Steckdose aufgeladen wurde. Mit etwas Geschick auf der Bremse lässt sich dieser Anteil noch ausbauen.

Abgesehen von all diesen Verbrauchsbetrachtungen fährt sich der B 250e sehr entspannt. Das Doppelkupplungsgetriebe verschleift seine acht Gänge zwar nicht ganz so fein wie eine Wandlerautomatik. Dennoch bleibt bei gelassener Fahrweise der Antriebsstrang angenehm im Hintergrund. An diesen Geräuschkomfort gewöhnt man sich sehr schnell, der Umstieg nach ein paar Tagen in ein Auto mit Verbrennungsmotor fühlte sich irgendwie ungut an. Menschen, die gern gleiten statt rasen – unter den B-Klasse-Fahrern ist dieser Anteil möglicherweise überdurchschnittlich – bekommen hier einen sehr angenehmen Antrieb. Mir ist bewusst, dass nur eine Minderheit so handeln würde. Ich mochte die elektrische Fahrt aber so gern, dass ich die B-Klasse wann immer möglich laden würde.

Das Bild des angenehm zurückhaltenden Antriebs wandelt sich etwas, wenn man auf die komplette Leistung zurückgreifen will. Der B 250e ist bei Bedarf verdammt fix und wird von anderen Autofahrern in dieser Hinsicht mitunter auch unterschätzt. Ob nun Überholmanöver auf der Landstraße oder das Auffädeln auf eine Autobahn: Diese B-Klasse kann ziemlich beherzt an Tempo zulegen. Dass ein B 250 ohne E-Motor, der etwas mehr Leistung hat, nochmals minimal schneller ist, spielt auf diesem Niveau keine Rolle. Leider ist das dann kein Ohrenschmaus mehr. Bei vollem Leistungsabruf schreit der Antriebsstrang – nicht laut, aber vernehmlich – um Gnade und vermittelt akustisch einen unwilligen Eindruck, der zu den möglichen Fahrleistungen nicht so recht passt. Einen Teil des Gehörseindrucks mag dazu die vorherige Ruhe beitragen.

Der Testwagen war mit dem AMG-Paket ausgestattet. Böse Zungen mögen nun behaupten, das braucht eine B-Klasse so dringend wie ein Transporter Nappaleder auf dem Armaturenbrett. Doch die dritte Auflage basiert auf derselben Plattform wie die A-Klasse, bringt also eine Fahrwerkskonstruktion mit, die mehr als ein Durch-die-Gegend-Schaukeln ermöglicht. Das Auto lenkt präzise ein und lässt sich erstaunlich flott um Kurven treiben, wenn es denn unbedingt sein muss. Die gegenüber der A-Klasse erhöhte Sitzposition ist wohl mit dafür verantwortlich, dass die B-Klasse, auch mit dem AMG-Paket, nun nicht gerade ein Chef-Dynamiker geworden ist, was sie ja per Zielgruppendefinition auch nicht sein soll. Doch sie als Rentner-Modell abzustempeln, wird der aktuellen Auflage nicht gerecht.

Wie schon in der A-Klasse ist Mercedes zudem auch hier ein guter Kompromiss zwischen Rückmeldung und Komfort gelungen. Die Dämpfer sprechen fein auf kleine Unebenheiten an und filtern diese gekonnt heraus. Die Basis ist einfach eine gute, ohne der C-Klasse in dieser Hinsicht nahezukommen. Antriebseinflüsse sind hier deutlicher zu spüren als im Mercedes A 200 (Test), den wir in der Redaktion hatten – kein Wunder, die Vorderachse muss hier rund 40 kW mehr „verdauen“. Wer schnell abbiegen will, spürt die Traktionskontrolle schon recht schwer schinden.

Ein bisschen von der alten Gemütlichkeit hat sich der Tempomat bewahrt. Er nimmt auf Landstraßen vor Kurven Tempo raus und agiert dabei doch ziemlich eifrig. Eine Kurve, die sich problemlos mit 100 km/h plus X nehmen lässt, mit 75 anzusteuern, erscheint etwas übertrieben. Die kamerabasierte Verkehrszeichenerkennung gehört fraglos zu den besseren mir bekannten, absolut Verlass ist auf sie aber nicht. So interpretierte sie ein „Vorsicht, hier spielen Kinder“-Schild in Verbund mit Tempo 50 als Uhrzeit abhängiges Tempolimit von 50 km/h. Als das System beschlossen hatte, dass jetzt keine Spielzeit für Kinder ist, wollte es das Auto auf 100 km/h beschleunigen. Kurios: Am nächsten Tag zur selben Uhrzeit war an dieser Stelle dann Tempo 50 angesagt.

Davon abgesehen gefällt das Infotainmentsystem mit hohem Tempo, guter Entspiegelung und einer aufmerksamen, sehr verständigen Sprachsteuerung. Das Entwicklungstempo in diesem Bereich ist hoch, doch auch zwei Jahre nach der Vorstellung des MBUX (Test) gibt es kaum ein System, das besser wäre. In der überarbeiteten E-Klasse zeigt Mercedes eine Weiterentwicklung. Die im Testwagen eingebaute Lösung mit breitem Rand und kleinem Display als Kombiinstrument wirkte etwas verloren. Nicht verschwiegen sei, dass die Karte des Navigationssystems zwischendurch aktualisiert und auch Spritpreise angezeigt wurden, Online-Verkehrsdaten gab es durch eine Störung aber nicht. Die ersten drei Jahre sind diese eigentlich inklusive, danach muss dieser Service extra bezahlt werden.

Die A-Klasse mit Hybridantrieb soll im Frühjahr 2020 auf den Markt kommen, der Start des B 250e steht noch nicht fest, ist aber für den Sommer 2020 anvisiert. Die B-Klasse lässt sich auch noch nicht konfigurieren, einen Preis gibt es allerdings schon. Laut einem dem Testwagen beiliegenden Zettel soll das Basismodell 39.347 Euro kosten, der sehr umfangreich, aber keineswegs komplett ausgestattete Testwagen kam auf knapp 62.000 Euro. Das ist viel Geld, für diese Summe gibt es auch bei Mercedes eine Reihe reizvoller Alternativen. Wie eingangs erwähnt, setzt die Politik derzeit aber für Plug-in-Hybride Rahmenbedingungen, die einen Erfolg der zweiten B-Klasse mit E-Antrieb wahrscheinlich machen. Helfen könnte dabei, dass der Mercedes B 250e kaum direkte Konkurrenz hat.

(mfz)