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Test Toyota Hilux: Altmodischer Arbeiter

Clemens Gleich
Toyota Hilux

(Bild: Clemens Gleich)

Toyotas Pickups haben sich einen guten Ruf in Sachen Zuverlässigkeit erarbeitet. Die aktuelle Hilux-Version bringt besseres Fahrverhalten und mehr Komfort.

Rumms, Tür mit Schmackes zu oder gar nicht. Leise startet der Diesel, das ganze Auto schaukelnd legt die Automatik den Gang ein. Gebläse und Turboladerschnaufen untermalen das Anfahren. Es geht weiterhin sehr NFZ-mäßig zu im Hilux, und das passt zu seinen Nutzwerten. Während Deutschlands meistverkaufter Pickup Ford Ranger oft bei Fans der amerikanischen Pickup-Art als stets gut geputztes Liebhaberfahrzeug landet, verkaufen sich die japanischen Pickups eher an Arbeiter.

Obwohl Toyota mit martialischerem Dekor ("Invincible") die erstere Kundschaft zu locken versucht, werden die eher bei amerikanischer Ware bleiben. Wer nach Nutzwert kauft, erfährt den Grund, warum Pickups in den USA so beliebt sind: Es gibt hier viel Auto fürs Geld, wenn auch ein rustikales Auto.

In Sachen NFZ bin ich recht europäisch eingestellt. Mein Vater war mit seinem Garten-Betrieb der typische "Man in a Van", ein Mann im Ford Transit, und Schüttgut zog er im Hänger, weil man den kippen kann. Dennoch finden sich gerade im Gartenbau Einsatzzwecke, bei denen eine fixe Pritsche in Verbindung mit Bodenfreiheit und Allradantrieb die bessere Wahl sein können. Die örtliche Baumschule verwendet zum Beispiel Mitsubishi L200, um damit die Heister vom lehmigen Acker zu holen.

Hilux @ Work (0 Bilder) [1]

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Die meisten Pickup-Konzepte ähneln sich stark. Was sich bei Preis und Funktion bewährt, findet sich bei vielen Anbietern, so auch bei Toyota: Blattfedern und Starrachse hinten, Einzelradaufhängung vorne, ein per Drehrad zuschaltbarer Allradantrieb mit Geländeübersetzung. Der hilft auf losem Untergrund enorm, während er sich auf Asphalt so verspannt, dass man schon beim ersten Rangieren kaum vergessen kann, ihn wieder abzuschalten. Toyota hat an diesem Konzept für die aktuelle Generation etwas feingeschliffen: weichere Abstimmung, Querstabis, Helper-Federn hinten.

Ich war positiv angetan von den dezenten Änderungen. Der Hilux fährt sicher und weicher als Andere, behält dabei jedoch Lade- und Überladefähigkeiten. Alles genau so, wie man es sich von dieser Art Auto wünscht. Mit einer Tonne Schalungssteinen auf der Pritsche fährt er eher besser als leer. Auch unbeladen hat mir das Fahrverhalten jedoch sehr gut gefallen, und ein großer Teil liegt auch an der Bereifung Bridgestone Dueler H/T 684 II. Diese Art Straßenreifen halte ich funktional gesehen für die beste Pickup-Bereifung, weil diese Fahrzeuge bei uns eben 90+ Prozent auf Asphalt fahren und selbst in den bis 10 Prozent Nichtasphalt hauptsächlich Untergründe, auf denen Straßenreifen keine Nachteile haben (Schotter, fester Lehm).

Eigentlich wollte ich zwecks Arbeiterqualitätentest die Pritsche des Hilux mit Holzschnitzeln voll kippen lassen, doch die örtliche Verbreitung von Holzschnitzelheizungen in Verbindung mit dem Holzmangel ließen mir nur Reste, die ich dann vom Rand von Hand schaufelte. Immerhin waren die dann kostenlos. Die Pritsche ist ja wie ein immer-dabei-Anhänger, der sich einfacher rückwärts fährt. Die Sicht über die Ladefläche nach hinten ist im Hilux eh sehr gut (Testfahrzeug zum Glück ohne diese komischen Deko-Bügel). Daheim warf ich noch eine Schubkarre, eine Folie, Schaufel und Besen auf die Pritsche und fuhr dann den ehemaligen Weinberg hinauf, an dem meine Wiese liegt, auf deren Matsch ich gerade Holzschnitzelwege lege, weil die Frau mit ihren Tieren dreimal am Tag da durch läuft.

Zum Rangieren am Berg verwendete ich tatsächlich öfter den Allradantrieb. Mit wenig Gewicht auf der Pritsche rückwärts steil hoch drehen sonst früh die Hinterräder durch. Es gibt eine mechanische Differenzialsperre für das Hinterachsdifferenzial, die Toyota nur auf Low Range einlegen lässt. Bei schnellerem Fahren bleibt das Differenzial offen und ESP-Eingriffe bremsen das durchdrehende Rad.

Auch schön: offenes Laden. Als Testgewicht verzurrte ich eine Dreivierteltonne Schalungssteine zwischen zwei Paletten und warf dann noch alles drauf, was ich sonst noch fand. Den Spagat zwischen beladen und unbeladen macht der Hilux sehr gut. Zuletzt fuhr ich noch medizinisches Gerät (Klostuhl, Rollator) aus. Ich warf die sperrigen Dinger hinten drauf und zurrte sie mit Spanngurten an den Rand, damit sie beim Bremsen oder in Kurven nicht herumrutschen. Die mäßige Beschleunigung des 150-kW-Diesels hält ein Gummibändchen locker. Man gewöhnt sich schnell daran, Sperrgut einfach schön auf die offene Pritsche werfen zu können.

Bei den Kabinen gefällt mir persönlich die Anderthalbkabine am besten: hinten Notsitze hinter Portaltüren, längere Ladefläche als mit Doppelkabine. Die Notsitze hinten verwendete ich hauptsächlich als trockenen Stauraum. Sie eignen sich jedoch besser zum Sitzen als Notsitze in Sportwagen. Bis zur Baustelle reicht es.

Hilux als Auto (18 Bilder) [3]

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Das Konzept Pickup besteht ja darin, einen PKW mit einem kleinen NFZ zu verheiraten. Wie gut ist der Hilux als PKW? (Bild: Clemens Gleich)

In der Kabine hat sich gegenüber dem Vorgänger wenig geändert. Über Toyotas aktuelles scheußliches Infotainment-System kann man nur sagen, dass es sich hier wahrscheinlich verschlechtert hat. Die Oberfläche ist so hässlich, dass Toyota selbst in allen Pressebildern Android Auto oder Apple Carplay zeigt, und diesem wenig dezenten Wink mit dem Zaunpfahl sollte der Kunde folgen.

Die Bodenfreiheit von 31 cm bei allen Varianten über "Duty" bedingt eine gewisse Einstiegshöhe. Bei kleineren Kollegen las ich, dass die hohe Kante das Einsteigen erschwere. Für 180 cm oder mehr würde ich dem widersprechen, weil man dann im Stand einfach den Hintern auf den Sitz in praktisch gleicher Höhe schieben kann, wenn die Beine nicht mehr so wollen wie damals in der A-Jugend. Ich habe eine ungenannt bleibende, kleinere, fußlahme Person jedoch wie einen Sack Zement auf den Beifahrersitz wuchten müssen, die Kritik sollten kleinere Personen also beherzigen und beim Händler schauen, ob sie nicht doch ein Trittbrett wollen. Die Pickup-typischen Griffe an der A-Säule sind vorhanden.

Es ist schon länger her, dass ich mir die Anschaffung eines Autos überlegte. Ich denke gerade tatsächlich über einen Hilux nach, weil er auf unseren Baustellen und im Garten so nützlich ist und Toyota dennoch den Autoteil so gut löst. Nun machen dich 14 Meter Wendekreis beim Einkaufen in Downtown Bad Mergentheim eher unglücklich als beliebt, aber wenn ich dieser Tage doch noch in die Fußstapfen meines Vaters treten und etwas Richtiges arbeiten muss, dann wäre ich wahrscheinlich nicht wie er europäisch der Man in a Van, sondern eher afrikanisch der Mann auf einer Toyota-Pritsche.

Hersteller Toyota
Modell Hilux Comfort Extra Cab
Motor und Antrieb
Motorart Diesel
Zylinder 4
Ventile pro Zylinder 4
Hubraum in ccm 2775
Leistung in kW (PS) 150 (204)
bei U/min 3400
Drehmoment in Nm 500
bei U/min 1600 bis 2800
Antrieb Hinterradantrieb, Allradantrieb zuschaltbar
Getriebe Automatik
Gänge 6
Fahrwerk
Spurweite vorn in mm 1540
Spurweite hinten in mm 1550
Radaufhängung vorn Doppelquerlenker
Radaufhängung hinten Starrachse
Lenkung elektromechanisch unterstützte Zahnstangenlenkung
Wendekreis 12,8
Reifengröße vorn 265/60 R 18
Reifengröße hinten 265/60 R 18
Bremsen vorn innenbelüftete Scheibenbremsen
Bremsen hinten Trommelbremsen
Wattiefe in mm 700
Bodenfreiheit unbeladen in mm 310
Böschungswinkel vorn in Grad 31
Böschungswinkel hinten in Grad 26
Rampenwinkel in Grad 23
Maße und Gewichte
Länge in mm 5325
Breite in mm 1855
Höhe in mm 1815
Radstand in mm 3085
Maße Pritsche (L, B, H) 1846/1540/480
Leergewicht in kg nach EU inklusive 68 kg Fahrer und 7 kg Gepäck 2090 bis 2355
Zuladung in kg 1005 bis 1060
Dachlast in kg 50
Anhängelast in kg 3500
Tankinhalt in Litern 80
Fahrleistungen
Höchstgeschwindigkeit in km/h 175
Verbrauch
Verbrauch Herstellerangabe in Litern/100 km 7,0
Testverbrauch Autobahn 130 km/h Vmax 9,1
Testverbrauch Baustellenbetrieb Landstraße 11,4
CO2-Emission in g/km 194
Abgasnorm Euro 6d-temp-EVAP
Daten Stand Juni 2021
Modell Toyota Hilux
Ausstattungslinie

Comfort Extra Cab 2,8-l-D-4D
Preis für diese Ausstattungslinie 41.554,80
Interessante Optionen
Teflonspray Innenraum (schmutzabweisend, "Toyota Protect") 49
Frontschutz Plastik 359
Seitenschutzbügel mit Plastiktrittflächen 199
Anhängerkupplung 545
Hardtop 2863
Kantenschutz Heckklappe 55
Kantenschutz Ladefläche 109
Laderaumwanne 359
Kotflügelverbreiterung Plastik, unlackiert 339
Aschenbechereinsatz für Getränkehalter 19
Preise in Euro

(cgl [5])


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