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Toyota RAV4 Plug-in-Hybrid: Pragmatiker mit inneren Werten

Christian Lorenz
Toyota RAV4 Plug-in Hybrid

(Bild: Florian Pillau)

Toyota verlangt für den RAV4 Plug-in-Hybrid einen stolzen Preis. Dafür bekommt der Kunde ein solides SUV mit einem sparsamen Antrieb. Test des Bestsellers

Für den Toyota RAV4 Plug-in-Hybrid spricht das massentaugliche Format, der Entwicklungsvorsprung von Toyota in der Hybrid-Technologie und die der Marke nachgesagte Zuverlässigkeit. Ein Schnäppchen ist der RAV4 Plug-in-Hybrid allerdings nicht. Unser gut, aber keineswegs übertrieben ausgestatteter Testwagen kommt brutto ohne Prämien auf über 56.000 Euro. Bei der Frage, ob er das wert ist, waren wir uns uneinig. Während ich dem Toyota ein gutes Preis-Wert-Verhältnis attestiere, urteilt mein Kollege Martin hart über ihn.

Mit seinen exakt 4,6 Metern Länge passt der RAV4 genau zu ähnlich positionierten Modellen wie VW Tiguan (4,51 m) und Audi Q5 (4,68 m, Test) [1] oder BMW X3 (4,71 m). Toyota trifft damit ziemlich genau ins Schwarze der weltweit beliebtesten Fahrzeugdimension "Kompakt-SUV". Platzangebot und Raumgefühl sind sehr gut, die Vordersitze bequem und damit langstreckentauglich. Wenn man nach einem Haar in der Suppe suchen will: der Rücksitzbank fehlt etwas Oberschenkelauflage. Man sitzt im RAV4 hinten jedoch spürbar besser als in einem BMW X3. Die fürstlichsten Lounges für die Fondpassagiere bieten jedoch die Hyundai-SUVs Tucson (Test) [2] und Santa Fe (Test) [3].

Toyota RAV 4 Plug-in Hybrid außen (0 Bilder) [4]

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Das Cockpit strahlt eine sympathisch-schlichte No-Nonsense-Wertigkeit aus, die in jenen guten Zeiten verortet ist, in denen es noch Schalter und Drehregler für die wichtigsten Funktionen gab. Die weiche Kunstlederoberfläche des Armaturenbretts und die zumindest optisch wirksamen Anti-Rutsch-Matten in den zahlreichen Ablagen machen einen gleichzeitig pragmatischen und hochwertigen Eindruck. Einige Details zeigen allerdings, dass sich ergonomische Böcke auch ganz analog schießen lassen. Der Schalterblock vor dem linken Fahrerknie ist der offensichtlichste Ergonomiefehler.

Wenn man blind vor dem Knie herumfummeln muss, um Lenkrad- oder Heckscheibenheizung einzuschalten, ist das nicht nur ärgerlich, sondern auch ein Sicherheitsmangel. Eine gewisse Nonchalance in Bedienungsfragen dokumentiert auch der Schalter, mit dem man die Zwei-Zonen-Temperaturregelung der Klimatisierungsautomatik synchronisiert. Leuchtet das Lämpchen, ist die Funktion ausgeschaltet, leuchtet sie nicht, ist sie aktiv. Beim Toyota Yaris Cross (Test) [6] ist das paradoxerweise genau umgekehrt. Das ist zwar nicht tragisch, zeigt aber, dass Toyota ergonomische Feinheiten offenbar nicht wirklich wichtig sind.

Toyota RAV 4 Plug-in Hybrid innen (0 Bilder) [7]

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Das Infotainment erfüllt weder im Ausstattungsumfang noch in der Bedienlogik die Ansprüche, die man mit Recht an ein Fahrzeug dieser Preisklasse stellen kann. Der eingeschränkte Funktionsumfang hilft jedoch, mit der Bedienung zurechtzukommen. Wer hohen Wert auf Konnektivität legt, wird sich jedoch abwenden. Auch wenn mir Navi, DAB-Radio und Freisprecheinrichtung vollauf genügen, muss ich doch konstatieren, dass Ausstattung und Ausführung für den aufgerufenen Preis dürftig sind.

Der Hybrid-Antrieb ist hingegen eine Demonstration detailversessener Ingenieurskunst. Effizienz und technische Reife dieses Plug-in-Hybrids dokumentieren eindrucksvoll, dass Toyota der Vorreiter der Hybridtechnik war und ist. Per Taster auf dem Schlüssel startet die Vorklimatisierung des Innenraums. Nach wenigen Minuten sind die Scheiben frei und der Innenraum angenehm warm. Der Antrieb startet immer lautlos elektrisch. Der 2,5-Liter-Vierzylinder-Saugmotor wird nur bei hohem Leistungsbedarf oder im Rahmen einer definierten Warmlaufphase zugeschaltet. Toyota klemmt, anders als viele andere Hersteller, nicht einfach einen E-Motor zwischen Motor und Getriebe [9], sondern verbindet Verbrenner und Elektromotor über einen Planetenradsatz miteinander.

Der Vierzylinder mit kombinierter Saugrohr- und Direkteinspritzung läuft im sogenannten Atkinson-Zyklus und wird von der Steuerung fast immer im mittleren Drehzahlbereich gehalten. Das funktioniert, weil die Elektromotoren grundsätzlich das Anfahren übernehmen und den Verbrenner unterstützen, wenn hohe Beschleunigung abgerufen wird. So sind auch bei vermeintlich leerem Akku Verbräuche um die 6 Liter möglich. Wie üblich verbleibt immer ein Teil der Ladung in der Batterie, die bei einer hohen Leistungsanforderung, wie beispielsweise die Auffahrt auf die Autobahn, zur Verfügung steht.

Im Test verbrauchte ich mit leergefahrener Traktionsbatterie sowie hohem Stadtanteil bei vernünftig-runder Fahrweise 6,7 Liter. Martin schaffte gemächlich über Land fahrend einen Wert von 5,3 Litern – wohlgemerkt, wir reden von einem SUV mit einer Systemleistung von 225 kW, das in diesem Fall nicht vorher aufgeladen wurde.

Toyotas Hybridantrieb funktioniert so anders als alle von herkömmlichen Antrieben abgeleitete Lösungen, dass man ihn als "genial" bezeichnen muss: Zwei Elektromotoren sowie der Saugmotor sind kupplungsfrei über ein Planetengetriebe miteinander verbunden. Die eine E-Maschine (interner Jargon: MG2) läuft immer, wie bei einem Elektroauto. Im Schiebebetrieb arbeitet dieser E-Motor als Generator und speist dann Bewegungsenergie in die Batterie. Der zweite E-Motor (MG1) kann dazu ebenfalls herangezogen werden. Er arbeitet darüber hinaus auch als Anlasser oder als Generator, um überschüssige Leistung des Verbrennungsmotors zu puffern. Darüber hinaus regelt er elektronisch gesteuert über das Planetengetriebe die zur Fahrsituation passende Übersetzung zwischen Verbrennungsmotor und MG2 ein.

Der Verbrennungsmotor läuft dank auf Ein- und Auslassseite variablen Ventilsteuerung in weiten Bereichen ungedrosselt. Ein im Vergleich zum verkürzten Kompressionshub fast doppelt so langer Arbeitshub nutzt nach einer besonders kurzen Brenndauer die Ausdehnung des Gases deutlich effizienter. Unterstützt wird dieser nach seinem Erfinder Atkinson benannte Zyklus durch ein "überquadratisches" Bohrungs-Hub-Verhältnis (also mit einer Bohrung, deren Durchmesser deutlich kleiner ist als der Kolbenhub. Nicht nur kommt der Antrieb so auf einen konkurrenzlosen Wirkungsgrad von bis zu rund 40 Prozent, er spart auch teure, schwere und verschleißanfällige Bauteile wie Kupplung, Schaltgetriebe, Turbolader und Anlasser ein.

Hobbydynamiker mit digitaler Hektomatik-Fahrweise wird man im RAV4 Plug-in-Hybrid wohl nicht finden. Denn sie wurden bestenfalls von ihm umerzogen oder haben das Fahrzeug nach wenigen Kilometern kopfschüttelnd verlassen. Denn es macht keinen Spaß, den RAV4 zu hetzen. Oder besser gesagt, es macht Freude, mit ihm souverän zu "cruisen". Tritt man ihn, tönt er wie eine empörte Kuh, die man per Dartpfeil aus ihrem Mittagsschlaf geschossen hat. Bei Rundenzeitenhatz in Wechselserpentinen lässt einen der hohe Schwerpunkt zudem schnell seekrank werden. Dabei ist das SUV beileibe nicht lahm, wenn es sein muss, ist der RAV4 sogar ein ziemlich flottes Auto. Nur animiert er eben nicht dazu, von der kompletten Systemleistung häufig Gebrauch zu machen.

Toyota RAV 4 Plug-in Hybrid Innenraumdetails (7 Bilder) [10]

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Das Kombiinstrument mit zwei physischen Zeigerinstrumenten, die einen Bildschirm einrahmen ist sehr gut ablesbar. (Bild: alle Florian Pillau)

Für Otto-Normal-Fahrer ohne Rundenzeitenfetisch oder Gourmetansprüche ans Fahrwerk ist der RAV4 ein erfreuliches Auto. Er macht, was er soll. Viel besser als bei anderen Fahrzeugen asiatischer Provenienz sind auch die Assistenzsysteme. Gigantisch: Die Spurverlassenswarnung warnt nur, wenn man die Spur verlässt. Das gibt es sonst so gut wie nirgends. Man kann den Toyota tatsächlich entspannt fahren, ohne das ganze Assistenzgedöns vorher deaktivieren zu müssen. Mich hat das Fahren im RAV4 an das gediegene Cruisen in einem Volvo erinnert.

Leider ist nur ein Lader mit einphasig ausgelegt. Bei 6,6 kW ist Schluss. Mit einer der geförderten Wallboxen lädt der RAV4 nur mit 3,7 kW. Der Stromverbrauch inklusive Ladeverlusten lag im Test Ende Februar bei 20,7 bis 21,9 kWh/100 km. Das entsprach für Martin auf zurückhaltender Landstraßenfahrt maximal 71 km rein elektrische Reichweite. In der Stadt kam ich sogar auf knapp 80 km. Das ist ungefähr doppelt so viel, wie ein BMW X3 xDrive30e schafft. Die Temperaturen lagen im Testzeitrum zwischen Null und fünf Grad. Bei höheren Temperaturen dürfte der Stromverbrauch weiter sinken. Das zeigt, dass ein Plug-in-Hybrid nicht zwangsläufig verbrauchsintensiv sein muss – sofern der Hersteller einen gewissen Aufwand betreibt.

Die Preispolitik von Toyota ist ein starkes Stück. Es gibt ein komplett ausgestattetes Grundmodell mit allen wichtigen Features für 47.490 Euro. Sogar Luxus wie ein beheiztes Lederlenkrad, Sitzheizung vorn und hinten, schlüsseloser Zugang, adaptiver Tempomat, Rückfahrkamera inklusive Einparksensoren vorn und hinten, Apple CarPlay bzw. Android-Auto gehören zur Grundausstattung. Toyota macht einem die Bestellung dieses empfehlenswerten Grundmodells aber ästhetisch nicht ganz einfach. Es ist nämlich nur in der Farbe weiß erhältlich.

Wer eine "richtige" Farbe will, muss für aberwitzige 7900 Euro ein Paket mit allerlei unnützem Tand und einem schlechten Navi dazukaufen, um dann 800 bis 1100 Euro für eine Metalliclackierung zusätzlich ausgeben zu dürfen. Realistisch beginnt der RAV4 Plug-in Hybrid also bei 56.180 Euro Listenpreis ohne Abzüge. Das Metallicrot unseres Testwagens kostet noch einmal 300 Euro mehr. Eine Alcantara-Lederpolsterung gibt es dann für 1500 Euro Aufpreis.

Ein großes Panorama-Schiebedach ist nur im Rahmen der absoluten Vollausstattung mit elektrisch verstellbaren Vollledersitzen inkl. Memory und Belüftung, JBL-Soundsystem usw. usw. erhältlich. Ein solcher Luxus-RAV4 "mit allem" kommt dann auf 62.180 Euro Bruttolistenpreis. Trotz seines vergleichsweise wenig ingeniösen Hybridantriebs könnte ein Seat Tarraco PHEV (Test) [12] für knapp 10.000 Euro weniger die im Alltag überlegenswerte, ähnlich große Alternative sein. Für rund 60.000 Euro eröffnen sich auch die Chancen auf eine Reihe von elektrischen SUVs, die den sparsamen RAV4 in der Gesamtbilanz nochmals deutlich unterbieten.

Wer also viel Geld für ein Auto ausgeben kann, aber einen komplett pragmatischen Zugang dazu hat, wird mit dem Toyota RAV4 ein intelligentes Werkzeug für alle Lebenslagen und einen treuen Begleiter erwerben. Als Image-Statement taugt der RAV nur unter Toyota-HSD-Initiierten und Emotionen sollte man nicht im Auto suchen. So gesehen ist der RAV4 Plug-in Hybrid ein ehrliches Auto für die heutige Zeit. Emotionen kriegt man ja auch bei den Premium-Modellen meist nur noch als stilbrüchige Halbherzigkeiten zu unverschämten Preisen gereicht. Obwohl: Unverschämt ist die Preisliste bei Toyota auch.

Das Auto wurde von Toyota gestellt und geliefert, Kosten für Fahrenergie übernahm die Redaktion.

Datenblatt
Hersteller Toyota
Modell RAV4 Plug-in Hybrid
Motor und Antrieb
Motorart Plug-in-Hybrid, Benzin-Saugmotor
Zylinder 4
Ventile pro Zylinder 4
Hubraum in ccm 2487
Bohrung x Hub 87,5 x 103,4
Leistung in kW (PS) 136 (185)
bei U/min 6000
Drehmoment in Nm 227
bei U/min 3200 - 3700
Leistung in kW E-Motor Front 134
Drehmoment in Nm E-Motor Front 270
Leistung in kW E-Motor Heck 40
Dehmoment in Nm E-Motor Heck 121
Systemleistung in kW (PS) 225 (306)
Systemdrehmoment in Nm k. A.
Antrieb Allrad
Getriebe Planetengetriebe
Gänge stufenlos
Fahrwerk
Spurweite vorn in mm 1605
Spurweite hinten in mm 1595
Lenkung
Wendekreis in m 11,8
Reifengröße vorn 225/60 R18
Reifengröße hinten 225/60 R18
Bremsen vorn Scheibe (340), innenbelüftet
Bremsen hinten Scheibe (314), innenbelüftet
Maße und Gewichte
Länge in mm 4600
Breite in mm 1855
Höhe in mm 1685 (mit Dachreling: 1690)
Radstand in mm 2690
Kofferraumvolumen in Litern 490 (inkl. Unterflurfach: 520)
Leergewicht in kg nach EU inklusive 68 kg Fahrer und 7 kg Gepäck 1910
Zuladung in kg 600
Tankinhalt in Litern 55
Batterie in kWh netto 18,1
Fahrleistungen
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in Sekunden 6
Höchstgeschwindigkeit in km/h 180
Verbrauch
Verbrauch WLTP in Litern/100 km 1
CO2-Emission WLTP in g/km 22
Ladeleistung an AC in kW
Ladeleistung an DC in kW
E-Reichweite in km 75
Testverbrauch ohne Aufladung 5,4
Daten Stand Februar 2022
Preisliste
Modell Toyota RAV4 Plug-in Hybrid
Ausstattungslinie Technik-Paket 55.390
Infotainment
USB-Anschluss (Typ C) hinten Serie
Soundsystem -
Navigationssystem Serie
Verkehrsdaten in Echtzeit Serie
Freisprecheinrichtung Serie
Head-up-Display Serie
Android Auto/Apple CarPlay Serie
kabelloses Laden von Handys Serie
Assistenz
Tempomat -
Abstandstempomat Serie
Einparksensoren vorn Serie
Einparksensoren hinten Serie
Einparkassistent Serie
Rückfahrkamera Serie
Müdigkeitserkennung Serie
Spurhalteassistent Serie
Matrix-Licht -
Nachtsicht-Assistent -
Funktion
LED-Scheinwerfer Serie
elektrische Heckklappe Serie
Alarmanlage Serie
schlüsselloser Zugang Serie
Fahrwerksoption -
Wärmepumpe Serie
Komfort
Sitzheizung vorne und hinten Serie
Sitzbelüftung vorne -
Massage -
Alcantara-Ledersitze 1590
Ledersitze -
beheizbares Lenkrad Serie
Lederlenkrad Serie
Klimaautomatik Serie
Automatikgetriebe Serie
Panorama-Schiebedach Serie
Akustikverglasung Serie
Sonstiges
Metalliclack 790 bis 1090
Leichtmetallfelgen Serie
Andere Ausstattungslinie
Technik & Style 60.690
Preisliste Stand Januar 2022

(chlo [13])


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-Audi-Q5-55-TFSI-e-4659671.html
[2] https://www.heise.de/tests/Test-Hyundai-Tucson-Hybrid-Sparsam-ohne-externe-Aufladung-6201098.html
[3] https://www.heise.de/tests/Hyundai-Santa-Fe-PHEV-mit-Potenzial-beim-Antrieb-6528197.html
[4] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_7078732.html?back=7073660;back=7073660
[5] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_7078732.html?back=7073660;back=7073660
[6] https://www.heise.de/tests/Test-Toyota-Yaris-Cross-Hybrid-SUV-mit-geringem-Realverbrauch-6325253.html
[7] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_7078748.html?back=7073660;back=7073660
[8] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_7078748.html?back=7073660;back=7073660
[9] https://www.heise.de/autos/artikel/P0-bis-P3-wohin-mit-dem-E-Motor-4179135.html
[10] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_7078791.html?back=7073660
[11] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_7078791.html?back=7073660
[12] https://www.heise.de/tests/Seat-Tarraco-e-Hybrid-im-Test-Lohnt-der-Plug-in-Hybridantrieb-im-grossen-SUV-6026691.html
[13] mailto:chlo@heise.de