"Warhammer 40K – Rogue Trader" angespielt: Rollenspieltraum für Warhammer-Nerds

Mit "Rogue Trader" inszenieren die Rollenspiel-Profis von Owlcat ein pralles und anspruchsvolles Abenteuer, das es Neulingen aber schwer macht.​

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 9 Kommentare lesen

(Bild: Owlcat Games)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Andreas Müller
Inhaltsverzeichnis

Entführte Sonnen und lobotomisierte Roboter-Mensch-Sklaven im Warpstrudel – wer hier schon aussteigt, braucht gar nicht mehr weiterzulesen. In der rund 40-jährigen Geschichte der Tabletop-Vorlage hat das "Warhammer 40K"-Universum eine enorm umfangreiche Hintergrundgeschichte entwickelt, bei der Einsteiger schnell den Überblick verlieren können. Entwicklungsstudio Owlcat, bekannt für das Hardcore-CRPG "Pathfinder", geht mit seinem Rollenspiel "Warhammer 40K: Rogue Trader" in die Vollen – mehr "Warhammer 40K" gab es bisher in keinem anderen Computerspiel.

Die Geschichte geht zurück auf die Ursprünge der Reihe von 1987. Als sogenannter Rogue Trader, also Freihändler, werden die Spieler als Erbe eines großen Handelsimperiums in den galaktischen Krieg zwischen dem allmächtigen Imperium und einem zunächst unbekannten Feind hineingezogen. Allianzen müssen geschlossen und Verbündete gefunden werden, um in diesem brutalen Szenario zu überleben.

"Warhammer 40K: Rogue Trader" angespielt (5 Bilder)

"Warhammer 40K: Rogue Trader": Ein Rollenspiel-Traum für die Fans der Tabletop-Vorlage.
(Bild: heise online)

Also alles wie immer im "Warhammer 40k"-Universum? Nicht ganz. Wo andere Lizenzspiele wie "Warhammer 40K: Darktide" nur wenig Vorwissen erfordern, taucht "Rogue Trader" genrebedingt tief in die Geheimnisse des Warp ein. Es ist ein isometrisches und enorm textlastiges Rollenspiel im Stil von Owlcats "Pathfinder" oder zuletzt dem enorm erfolgreichen "Baldur's Gate 3". Die Spieler steuern eine Truppe von Helden durch einen düsteren Genre-Mix aus Science-Fiction, Horror und Gothic-Elementen. In dreckigen Kanalisationen, blutigen Kultstätten oder verlassenen Raumschiffen treffen sie auf allerlei Gegner, die sie in Rundentaktikgefechten besiegen müssen. Zahlreiche Ausrüstungsgegenstände vom Kettenschwert bis zum Flammenwerfer oder verschiedene Rüstungstypen zählen genauso dazu wie der obligatorische Levelaufstieg.

Im rundenbasierten Kampf besitzt jede Spielfigur nur eine bestimmte Anzahl an Bewegungs- und Aktionspunkten. Dazu kommen spezielle Klassenfähigkeiten: Ein Kopfgeldjäger kann seine Feinde aus der Ferne mit einem Scharfschützengewehr erledigen, ein Nahkämpfer zückt das Kettenschwert oder sogenannte Psioniker lösen Kettenblitze aus. Mit Kampfschreien oder einer Art magischer Barriere kommen einige taktische Möglichkeiten ins Spiel. Manchmal kommt es auch zu Raumschiffschlachten, bei denen die Spieler Angriffsrichtungen und Geschwindigkeiten der behäbigen Weltraumkolosse beachten müssen.

Sobald die Charaktere einen bestimmten Erfahrungslevel erreicht haben, können sie eine zweite Klasse wählen und sich weiter spezialisieren. Dabei werden die Erfahrungspunkte nicht einfach für mehr Leben oder Stärke vergeben, sondern für Attribute wie Logik oder Techfähigkeit. Wer mit "Warhammer 40K" bisher kaum Berührungspunkte hatte, muss sich an dieses ungewöhnliche und immer komplexer werdende Charaktersystem erst gewöhnen.

Kampf ist aber nicht alles. Wie schon in "Pathfinder" kommt es zu langen, teilweise vertonten Dialogen, an deren Ende oft weitreichende Entscheidungen stehen, die das Spielgeschehen beeinflussen. Bin ich ein Menschenfreund, der Einwohner von einem explodierenden Planeten rettet? Bekenne ich mich zur Inquisition und tötet unbarmherzig meine Gefangenen oder bin ich ein treuer Vasall des Imperators, der jede Kritik und jeden Widerstand niederschlägt? Nicht nur durch diese Entscheidungen gewinnt das Spiel an enormer Spieltiefe, auch wenn einige Entscheidungen das Moralbewusstsein der Spieler ausreizen. Die Texte sind eingedeutscht, die sporadische Sprachausgabe gibt es ausschließlich auf Englisch.

Abseits von Kämpfen und Dialogentscheidungen kommt auch ein wenig Wirtschaftsmanagement ins Spiel. Die Spieler reisen mit ihrem Raumschiff durch die Galaxis und scannen Planeten nach wertvollen Rohstoffen. Dadurch können sie ihren Profitrang steigern, um beim Händler bessere Ausrüstung zu kaufen. Im späteren Verlauf können die Spieler auf Planeten sogar in einer Art "Aufbau-Sim light" neue Kolonien gründen und verbessern. Den Koop-Modus konnten wir in unseren Anspielstunden nicht testen.

"Rogue Trader" ist kein Rollenspielsnack, sondern ein dicker Brocken. Dabei nimmt das Entwicklungsstudio wenig Rücksicht auf Genre-Neulinge. Die Story erschließt sich nur Eingeweihten. Cognitatoren im Raumschiff; Tech-Priester, die den Maschinengeist anbeten und mutierte Navigatoren lassen bei den Fans die Zunge schnalzen, aber der Rest der Spielwelt wird ratlos den Kopf schütteln. Owlcat erklärt kaum etwas von den Hintergründen und macht die Hintergrundgeschichte kryptischer als nötig.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externes Video (Kaltura Inc.) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Kaltura Inc.) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Dazu ist das User Interface nicht immer übersichtlich, das Charaktersystem erschließt sich trotz Tutorial erst nach ein paar Anläufen und das Handelssystem mit Profiträngen statt einer simplen Währung ist zwar logisch durchdacht, aber nicht unbedingt schnell durchschaubar. Die visuelle Darstellung ist wie schon in "Pathfinder" eher nüchtern als spektakulär. Dagegen beeindrucken Texte und Dialoge – oft liest sich das wie ein Roman. Wer "Rogue Trader" genießen will, sollte deshalb nicht nur reichlich 40K-Grundwissen mitbringen, sondern auch ein wenig Geduld.

"Warhammer 40k : Rogue Trader" ist der heilige Gral für die Fans der Tabletop-Vorlage. Kaum ein anderes "Warhammer 40K"-Spiel tauchte bisher so tief in die düstere Hintergrundgeschichte ein wie Owlcats CRPG. Es ist enorm umfangreich, hat ein paar clevere Spieldesign-Ideen und verlässt sich auf bewährte Rundentaktikkämpfe.

Anders als "Baldur's Gate 3" ist es aber kein Rollenspiel-Abenteuer für die breite Masse. "Rogue Trader" spricht vor allem Fans an, die sich traumwandlerisch sicher durch den Warp navigieren, gerne Text lesen und auch bei ein paar moralisch fragwürdigen Momenten ein Auge zudrücken können. Dieser gelungene Fan-Service verzückt altgediente 40K-Veteranen, verlangt Neueinsteigern aber viel Recherchearbeit ab.

"Warhammer 40K: Rogue Trader" erscheint am 07. Dezember für PC, PS5 und Xbox Series. Es kostet 50 Euro. USK nicht geprüft. Für unser Angespielt haben wir einige Stunden die PC-Version gespielt.

(dahe)