Test: Unterwegs im Opel Ampera-e

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Wer über die 300 Kilometer hinausfahren will, muss einen entsprechenden Zwischenstopp einplanen. Auch das lief problemlos, weil an sehr vielen Standorten entlang der Autobahnen Schnell-Ladestationen stehen. Eine Stippvisite in den Niederlanden zeigte, dass die Infrastruktur unserer Nachbarn flächendeckend ist und noch besser funktioniert als in Deutschland; so erlaubt zum Beispiel die App des Anbieters Fastned das (scheinbar) automatische Laden. Wenn das Smartphone in der Nähe der Säule ist, koppelt es übers Wifi, und die Identifikation und Freischaltung erfolgen von selbst. Niederschwellig und simpel. Die Rechnung kommt über die jeweilige Kreditbank des Nutzers.

Mehrphasiges Laden und Wärmepumpe sind überbewertet

Das Laden mit Gleichstrom (DC) an entsprechenden Säulen klappt mit bis zu 50 kW. Wechselstrom (AC) lädt der Ampera-e einphasig mit 7,4 kW an öffentlichen Säulen und 4,6 kW an privaten Wallboxes, wo der Strom wegen Schieflast gedrosselt wird. Die im Vergleich zu Renault Zoe oder BMW i3 geringe AC-Ladeleistung ist in etlichen Foren kritisiert wurden. Wir meinen: Zu Unrecht. Denn hier greift wieder das „viel hilft viel“-Prinzip: Es ist mit 60 kWh Batteriekapazität weniger wichtig, wenn die Ladegeschwindigkeit nicht so hoch wie vorstellbar ist. So lange ausreichend elektrische Energie gespeichert ist, macht man sich keine Sorgen, und genauso ist es im Opel.

Diese Aussage ist für die nicht vorhandene Wärmepumpe ebenfalls gültig. Selbstverständlich würde eine Wärmepumpe Strom sparen und den Antriebsstrang effizienter machen. Bei der Reichweite aber wird dieser Faktor überschätzt. Der Grund: Jedes Auto wird zu Beginn der Fahrt einmal energieintensiv aufgeheizt – danach muss die Innentemperatur lediglich gehalten werden. Entweder die Strecke ist kurz, dann spielt die geschwundene Reichweite keine Rolle. Oder sie ist lang. Dann ist der prozentuale Nachteil vernachlässigbar. Vorbild: Tesla.

60 kWh – die neue Mitte

Eine fette Batterie ist dagegen die Antwort auf viele Fragen. So ist es keine gewagte Prognose, dass 50 kWh in der Kompaktklasse spätestens ab 2020 die Untergrenze des Akzeptablen darstellen werden. Der Nissan Leaf etwa wird in Jahresfrist mit einem 60 plus x kWh großen Akku vorgestellt. Der nach Länge, Breite und Höhe mit dem Opel fast identische Hyundai Kona EV kommt ab September mit 64 kWh. Und so weiter. Die Zeit der 24 kWh-Batterien ist vorbei.

Die Qualität eines batterie-elektrischen Autos bemisst sich allerdings nicht allein an der kWh-Zahl. Abseits des viel-hilft-viel-Arguments macht der Opel Ampera-e den Eindruck eines jederzeit guten, aber nicht exzellenten oder gar herausragenden Fahrzeugs. An einigen Stellen ist die letzte Meile nicht gegangen worden.

Die Aerodynamik etwa ist mit cW 0,32 nicht ausgefeilt. Der Innenraum ist solide und sauber verarbeitet, die Materialauswahl und Anmutung wirken jedoch gemessen am hohen Preis dürftig. Die Sitze sind relativ schmal und kurz. Es ist keine adaptive Geschwindigkeitsregelung erhältlich. Die Bluetoothkoppelung arbeitete nicht korrekt, die Belüftung ist zu laut, und der Totwinkelwarner links gab Falschwarnungen.

Aspekte, die jeder Käufer für sich bewerten und gewichten muss. Alles in allem zeigt der Opel Ampera-e an, dass er mit 60 kWh Batteriekapazität die neue Mitte ist. An ihm und der Dank der Reichweite hohen Praxistauglichkeit müssen sich alle kommenden Konkurrenten messen. Mehr elektrische Energie bedeutet weniger Ladestress, und 300 Kilometer bei lockerer Autobahntour sind eine deutliche Ansage. Dort, wo der Opel ist, müssen die anderen erst hinkommen.

Opel hat den Ampera-e kostenfrei zur Verfügung gestellt. Der Autor hat die Energiekosten getragen. (fpi)