Beim Einstieg an den Ausstieg denken

Eine Firmengründung folgt heute anderen Spielregeln als zu Zeiten von Benz und Bosch. Oft verabschiedet sich nach wenigen Jahren der Investor oder der Gründer.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Angela Froitzheim
  • Ulf J. Froitzheim
Inhaltsverzeichnis

Eine Firmengründung folgt heute anderen Spielregeln als zu Zeiten von Benz und Bosch. Oft verabschiedet sich nach wenigen Jahren der Investor – oder der Gründer. Mit etwas Weitblick können sich Entrepreneure frühzeitig für eine Scheidung wappnen.

Der Unternehmer Fridtjof Detzner (27) hat nichts gemein mit den gelfrisierten Jungmanagern in den Hochglanzprospekten feinerer Kapitalanlagegesellschaften. Der Internet-Freak, Kite-Surfer und Geschäftsführer der Hamburger Jimdo GmbH ist zufrieden, wenn die Leute an ihrem Geschäftserfolg sehen, dass er und seine Mitgründer Christian Springub und Matthias Henze coole Jungs sind. Jimdo verhilft computermäßig nicht so fitten Menschen zu einer schicken Homepage, indem es standardisierte Code-Elemente anbietet, die nach dem Baukastenprinzip zu individuellen Web-Auftritten zusammengesetzt werden können, ohne dass man immer wieder das Rad neu erfinden muss. Äußerlichkeiten sind dem Software-Trio schnuppe, als Türschild am Hinterhof-Loft in einer früheren Konservenfabrik muss ein verwaschener Wisch aus dem Tintenstrahldrucker genügen. Dahinter sieht's ohnehin aus, als hätte jemand eine Studenten-WG zum Großraumbüro umfunktioniert.

Das Späthippie-Ambiente unterstreicht auf ganz eigene Weise, dass hier eifrige Macher am Werk sind, die echtes Herzblut in ihre Firma fließen lassen. Jimdo ist die Frucht des sportlichen Ehrgeizes, zu beweisen, dass eine Idee, von der man selbst total begeistert ist, auch ihren Markt findet. "Wir lieben unser Produkt und haben den Anspruch, die Besten zu werden in unserem Bereich", umreißt Detzner die Firmenphilosophie.

Für ein Start-up, das sein Wachstum mit Risikokapital finanzieren will, ist das mutig: Das Produkt ist für Investoren oft Nebensache. Sie wollen nur ihren Wetteinsatz vervielfachen. Wer diese hilfreichen, aber immer auch egoistischen kapitalistischen Vagabunden an Bord locken will, muss ihnen nicht nur eine Win-win-Situation bieten, sondern auch ein Plätzchen direkt am (Not-)Ausgang reservieren, an der Tür mit dem Schild "Exit". Wenn der Bund zwischen einem Gründer und einem Geldgeber so etwas wie eine Ehe ist, dann ist der Exit die Scheidung – und wie im richtigen Leben wird hart darum gerungen, wer im Haus bleiben darf, wem die Kinder – die Rechte an den Produkten – zugesprochen werden und wie die Partner sich Zugewinn oder Schulden teilen. Der Unterschied zur Ehe: Diese Scheidung ist unausweichlich. Erfahrungsgemäß halten nicht einmal Beziehungen zu "strategischen" Investoren, die ähnliche Ziele haben wie der Gründer, ein Arbeitsleben lang.

So wie ein junges Brautpaar an alles denkt, nur nicht an einen Ehevertrag, verdrängt ein euphorischer Gründer den Gedanken an einen geordneten Rückzug des reichen Partners oder gar seiner selbst. "Ein VC (Venture Capitalist) hat immer eine Exit-Strategie im Kopf", sagt Georg von Waldenfels jr., Gründer des Hamburger Softwarehauses lb-lab. "Wenn ich als junger Unternehmer in meine Idee verliebt bin, vergesse ich das leicht."

Wirklich herumgesprochen hat sich die Message in der Gründerszene noch nicht. "Exit ist in Deutschland noch kein Thema", meint der Hallenser Jungunternehmer Daniel Gollmann, der einen kompakten Lagerroboter für Apotheken entwickelt hat und für den Deutschen Gründerpreis 2010 nominiert ist. Auch er selbst habe darüber nie nachgedacht, bis er beim Aushandeln eines VC-Vertrags mit dieser Frage konfrontiert wurde. In den angelsächsischen Ländern ist das anders: In Großbritannien ermahnt sogar das Finanzamt auf seiner Homepage gründungswillige Untertanen, sich bereits beim Einstieg Gedanken über den Ausstieg zu machen: "Consider your exit strategy when starting up!"

Ein Unternehmer, der bei diesem Thema theoretisch und praktisch weiß, wovon er redet, ist Oliver Beste. Der 45-Jährige, einst McKinsey-Berater, hatte 1999 mit drei Partnern den Online-Spielzeugladen myToys ins Internet gebracht und hält heute mit seiner neuen Firma FoundersLink Jungunternehmern die Steigbügel, indem er international nach neuen Geschäftsideen fahndet und dafür zueinander passende Gründer und Finanziers sucht – eine Art Casting für Unternehmensgründer. "Die Generalfrage ist", sagt Beste, "ob der Gründer als Geschäftsziel für sich Build-to-Sell oder Build-to-Last anstrebt."